personalmagazin 12/2015 - page 72

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RECHT
_SOCIAL MEDIA RECRUITING
personalmagazin 12/15
fremder Mitarbeiter auch im Internet
grundsätzlich zulässig. Allerdings ist
neben den datenschutzrechtlichen Inte-
ressen des Mitarbeiters auch das Wett-
bewerbsrecht zu beachten. Denn der
Versuch, einen Mitarbeiter abzuwerben,
kann, wenn ein verwerflicher Zweck
verfolgt oder verwerfliche Mittel oder
Methoden eingesetzt werden, wettbe-
werbswidrig sein.
Da die Rechtslage insgesamt kom-
plex ist, empfiehlt es sich vor allem für
mittlere und größere Unternehmen, die
vielfach soziale Netzwerke für Recher-
chezwecke nutzen, konkrete Leitlinien
für eine datenschutzgerechte Recherche
zu formulieren, schriftlich zu fixieren
und zu kommunizieren.
Rechtsfragen beim Mobile Recruiting
am Beispiel von Whatsapp
Whatsapp hat als nutzerfreundlicher In-
stant Messenger, mit dem man einfach
und kostengünstig Texte, aber auch Bil-
der und Videos an andere Smartphone-
Besitzer versenden kann, die mobile
Kommunikation revolutioniert. Zwi-
schenzeitlich zählt Whatsapp offensicht-
lich 32 Millionen Nutzer in Deutschland
und 700 Millionen weltweit. Gleichzei-
tig ist Whatsapp aus teils nachvollzieh-
baren Gründen wegen der Missachtung
datenschutzrechtlicher Standards und
unterschiedlichen Sicherheitsrisiken in
der Kritik, auf die Whatsapp so langsam
auch zu reagieren scheint.
Trotz datenschutzrechtlicher Beden-
ken, die durch die Übernahme von Fa-
cebook noch verstärkt worden sind,
nutzen immer mehr Menschen auch in
Deutschland den Dienst mehrmals täg-
lich. Immer mehr Unternehmen sehen
diese Entwicklung hin zu mobiler Kom-
munikation und nutzen deshalb gerade
Whatsapp als Servicekanal, aber eben
auch im Bereich Bewerbermarketing
und -ansprache.
So hat etwa die Daimler AG Anfang
des Jahres 2015 im Rahmen eines viel-
beachteten und wohl auch erfolgreich
verlaufenen Pilotprojektes ganz bewusst
BLINDTEXT? ???
Whatsapp im Bereich des Personalmar-
ketings eingesetzt.
Zentrale Frage: Wer ist für die Daten-
verarbeitung verantwortlich?
Weil Whatsapp aber ein US-amerika-
nischer Dienst ist, der die Daten auch
in den USA speichert, ist die Nutzung
spätestens nach dem Safe-Harbor-Urteil
des Europäischen Gerichtshofes in da-
tenschutzrechtlicher Hinsicht genau zu
prüfen. Ob und wie deutsche Unterneh-
men Whatsapp im Bereich Bewerber-
marketing und –ansprache einsetzen
dürfen, hängt zentral von der Frage
ab, ob das deutsche Unternehmen ge-
gebenenfalls für die Datenverarbeitung
von Whatsapp, die den deutschen Da-
tenschutzvorschriften wohl nicht ent-
spricht, verantwortlich ist oder rechtlich
eben allein die Whatsapp Inc. als Dien-
steanbieter für die Rechtskonformität zu
sorgen hat.
Datenschutz: Alleinige Verantwortung
von Whatsapp umstritten
Relevant ist hier vor allem das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts
Schleswig-
Holstein (OVG) vom 9.10.2013 (Az. 8 A
37/12, 8 A 14/12 und 8 A 218/11), das
eine datenschutzrechtliche Verantwort-
lichkeit des Betreibers einer Facebook-
seite abgelehnt hat, weil allein Facebook
über die Datenverarbeitung entscheide.
Das entscheidende Argument, dass das
Unternehmen weder rechtlich noch fak-
tisch Einfluss auf die Datenverarbeitung
von Facebook habe, ist weitgehend auf
Whatsapp übertragbar. Unternehmen,
die über den mobilen Messenger mit
anderen Nutzern kommunizieren, ha-
ben nämlich keinerlei Einfluss auf die
Datenverarbeitung.
Da das Unabhängige Landeszentrum
für Datenschutz (ULD) mit langer, aber
lesenswerter Begründung Revision ge-
gen das Urteil eingelegt hat, ist hier das
letzte Wort noch nicht gesprochen. Unter
Berufung auf das Urteil des OVG Schles-
wig ließe sich derzeit aber begründen,
dass Unternehmen für die Datenverar-
beitung seitens Whatsapp schlicht nicht
verantwortlich sind und insoweit bei der
Nutzung vonWhatsapp auch nicht gegen
deutsches Datenschutzrecht verstoßen
können. Zentraler „Ansprechpartner“
für die Datenschutzkonformität des
Dienstes ist danach allein die Whatsapp
Inc. in den USA.
Mitverantwortung des Unternehmens
in Sachen Datenschutzrecht
Da im Datenschutzrecht zahlreiche Po-
sitionen umstritten sind, lässt sich bei
Nutzung von Whatsapp aber auch eine
datenschutzrechtliche (Mit-)verantwort-
lichkeit des jeweiligen Unternehmens
begründen. So weist das Unabhän-
gige Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein in der Revisions-
begründung gegen das Urteil des OVG
Schleswig darauf hin, dass unter Zu-
grundelegung einer ökonomischen
Sichtweise durchaus mehrere verant-
wortliche Stellen für Datenverarbei-
tungsvorgängen angenommen werden
können.
Geht man mit der entsprechenden
Argumentation von einer datenschutz-
rechtlichen Mitverantwortlichkeit oder
einer Mitstörerhaftung des Unterneh-
mens bei der Nutzung von Whatsapp
aus, ist fraglich, unter welchen Voraus-
setzungen der Dienst überhaupt rechts-
konform für die Kundenkommunikation
eingesetzt werden kann. Folgt man die-
ser Position, erscheint es für deutsche
Unternehmen vorzugswürdig, eigene
Für Unternehmen, die
vielfach soziale Netzwer-
ke für Recherchezwecke
nutzen, empfehlen sich
konkrete Leitlinien für
eine datenschutzgerech-
te Recherche.
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