personalmagazin 12/2015 - page 68

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RECHT
_BETRIEBLICHE ÜBUNG
personalmagazin 12/15
von 230 Arbeitnehmern nicht. Die Mitar-
beiter durften diesem Entgegenkommen
ihres Arbeitgebers kein Angebot auf die
dauerhafte Gewährung einer Jubiläums-
zuwendung entnehmen.
Die berühmte Regel der dreimaligen
Wiederholung hat dennoch ihre Berech-
tigung. Entstanden ist sie in den Fällen,
in denen drei Mal vorbehaltlos eine
jährliche Gratifikation (zum Beispiel
Weihnachtsgeld) an die Belegschaft aus-
geschüttet wird, ohne auf die Freiwillig-
keit hinzuweisen.
Bis vor kurzem hatte das BAG in sol-
chen Fällen jedoch zusätzlich verlangt,
dass die Höhe der geleisteten Gratifika-
tion über die Jahre gleich bleibt. Zahlte
der Arbeitgeber zum Beispiel jährlich
ein Weihnachtsgeld in unterschiedlicher
Höhe, so sollte dies ein Indiz dafür sein,
dass er sich vorbehalten wolle, jedes Jahr
neu über die Zuwendung zu entschei-
den. Somit fehle es an der regelmäßigen,
gleichförmigen Wiederholung. Von die-
ser klaren Linie ist das BAG jedoch nun
in einem aktuellen Fall abgerückt (Ur-
teil vom 13.5.2015 - 10 AZR 266/14): Der
Arbeitgeber hatte in den Jahren 2007
bis 2009 eine Sonderzahlung in jeweils
unterschiedlicher Höhe gewährt. Der
klagende Arbeitnehmer verlangte diese
Sonderzahlung auch für das Jahr 2010.
Das BAG gab dem Arbeitnehmer recht.
Maßgeblich ist, ob sich der Arbeitgeber
mit der Sonderzahlung für die Zukunft
verpflichtet hat. Nach Ansicht des BAG
soll aus der ungleichen Höhe der Zuwen-
dung in der Regel lediglich folgen, dass
der Arbeitgeber die konkrete Höhe der
Sonderzahlung jedes Jahr einseitig nach
billigem Ermessen festsetzen darf. Der
Arbeitnehmer hat also einen Anspruch
auf Sonderzahlung, deren Höhe vom Ar-
beitgeber nach billigem Ermessen fest-
zulegen ist.
Mythos drei: Dreimalige Verweige­
rung löst betriebliche Übung auf
Auch die Frage, wann eine betriebliche
Übung erlischt, lässt sich nicht pauschal
beantworten. So wurde früher angenom-
verlangte er von den Rauchern, Beginn
und Ende der Zigarettenpausen durch
Aus- beziehungsweise Einstempeln am
Zeiterfassungsgerät zu erfassen. Die
erfassten zusätzlichen Pausen wollte er
dem einzelnen Arbeitnehmer künftig
von der zu entlohnenden Arbeitszeit ab-
ziehen. Die Arbeitnehmer beriefen sich
auf eine betriebliche Übung. Das Gericht
sah dies anders. Denn das bisherige
Dulden der bezahlten Raucherpausen
durch den Arbeitgeber stellt kein hinrei-
chend bestimmtes Leistungsangebot dar.
Schließlich hatte er von dem Ausmaß der
bezahlten Raucherpausen keine Kennt-
nis. Zudem konnten die Mitarbeiter an-
gesichts des Ausmaßes der bezahlten
Raucherpausen nicht darauf vertrauen,
dass der Arbeitgeber auch künftig für 60
bis 80 Minuten eine Bezahlung ohne Ar-
beitsleistung gewähren wird.
Diese Erwägungen lassen sich auch auf
die Duldung der privaten Nutzung des
dienstlichen Telefons und Internets so-
wie des privaten Handys amArbeitsplatz
und Ähnliches übertragen. Hier kommt
noch zusätzlich der Umstand zum Tra-
gen, dass bloße Annehmlichkeiten, die
nicht unmittelbar die wirtschaftliche
Lage des Arbeitnehmers verbessern, in
der Regel nicht Gegenstand einer betrieb-
lichen Übung werden.
Mythos zwei: Dreimalige Gewährung
begründet eine betriebliche Übung
Wohl am bekanntesten ist die vermeint-
liche Regel: wird eine Leistung drei Mal
gewährt, entsteht daraus eine betriebli-
che Übung. Richtig ist daran, dass es der
regelmäßigen Wiederholung bestimm-
ter Verhaltensweisen des Arbeitgebers
bedarf, um eine betriebliche Übung
zu begründen. Dabei existiert jedoch
grundsätzlich keine Regel, ab welcher
Anzahl von Wiederholungen der Arbeit-
nehmer darauf vertrauen können soll,
dass die Leistung auf Dauer gewährt
werden soll.
Dies zeigt das nächste Beispiel: Ein
Betrieb mit 230 Beschäftigten hatte in
den Jahren 2000 und 2002 insgesamt
acht Mitarbeitern „der ersten Stunde“
anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubi-
läums eine Jubiläumszuwendung in Hö-
he von jeweils 600 Euro gewährt. 2001
feierte kein Arbeitnehmer des Betriebes
ein Dienstjubiläum. Ein weiterer Arbeit-
nehmer, der im Jahr 2002 ebenfalls 25
Jahre im Betrieb arbeitete, forderte da-
raufhin „seine“ Jubiläumszuwendung.
Er meinte, es bestünde ein Anspruch
aus betrieblicher Übung. Auch hier hat
das Gericht (BAG, Urteil vom 28.7.2004
- 10 AZR 19/04) einen solchen Anspruch
nicht gesehen. Zwar ist die Leistung hin-
reichend bestimmt und wurde sogar ins-
gesamt acht Mal gewährt. Unerheblich ist
auch, dass der betreffende Arbeitnehmer
selbst bisher noch nicht in die Übung ein-
bezogen worden ist. Allerdings hat sich
aus den vorherigen Zuwendungen an
Jubilare kein zurechenbarer, objektiver
Bindungswille des Arbeitgebers ergeben.
Dafür müsste die Zuwendung so häufig
erfolgt sein, dass die Arbeitnehmer be-
rechtigter Weise von ihrer Weiterfüh-
rung ausgehen durften.
Bei der Frage wie viele Wiederho-
lungen es bedarf, ist die Zahl der Anwen-
dungsfälle im Verhältnis zur Belegschaft
in Betracht zu ziehen. Außerdem kommt
es auf die Bedeutung der Leistung für die
Arbeitnehmer an. Im vorliegenden Fall
war die Leistung von eher geringer Inten-
sität. Daher genügt allein die achtmalige
Gewährung bei einer Gesamtbelegschaft
Bloße Annehmlichkeiten,
die nicht unmittelbar die
wirtschaftliche Lage des
Arbeitnehmers verbes-
sern, werden meist nicht
Gegenstand einer be-
trieblichen Übung.
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