75
12/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
dem Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber
zurückfordern kann.
Lückenlose Bescheinigung ab 2016
Was wird sich zum 1. Januar 2016 än-
dern? Auch ab 2016 ist weiterhin zwi-
schen der arbeitsvertraglichen Pflicht,
eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
beizubringen, und der Pflicht für Ver-
tragsärzte, dies nach den Vorgaben der
Krankenversicherung auf einem gel-
ben Zettel zu tun, zu trennen. Erleich-
tert und praktischer wird es aber jetzt
dadurch, dass der neu kreierte gelbe
Zettel die Arbeitsunfähigkeitsbeschei-
nigung nicht nur für den Zeitraum der
Entgeltfortzahlung, sondern auch für
den anschließenden Krankengeldbe-
zugsraum enthält: Der bisherige „gel-
be Zettel“ und der bisher nachfolgende
Auszahlungsschein für das Krankengeld
werden zu einem einheitlichen Formular
verknüpft. Verlangt der Arbeitgeber also
auch für den Zeitraum nach Beendigung
der Entgeltfortzahlung einen Nachweis
der Arbeitsunfähigkeit, muss der Arbeit-
nehmer ihm lediglich den Durchschlag
für Arbeitgeber der neuen Arbeitsunfä-
higkeitsbescheinigung aushändigen.
Ärzte und insbesondere Arbeitnehmer
werden von der Änderung profitieren,
denn die durchgehende Bescheinigungs-
pflicht löst vor allem ein Problem: Der
Anspruch auf Krankengeld entsteht
nach den gesetzlichen Vorgaben erst ei-
nen Tag nach der ärztlichen Feststellung
der Arbeitsunfähigkeit. Gemeint war
bisher damit die Arbeitsunfähigkeit, die
im Zusammenhang mit dem bisherigen
Auszahlungsscheinverfahren separat
festgestellt werden musste. Mit der Um-
stellung auf ein einheitliches Formular
als gelber Schein kann nun im Regelfall
die Arbeitsunfähigkeit lückenlos attes
tiert werden.
Die Gründe für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit dürfen vom Arbeitgeber
beim Arbeitnehmer nicht abgefragt werden. Gleichwohl spielen sie bei unterschiedli-
chen Situationen eine direkte oder zumindest mittelbare Rolle.
Die Gefährdungsfälle: Als unmittelbare Ausnahme kann die Preisgabe – auch ohne dass
der Arbeitgeber ein Fragerecht ausübt - einer bestimmten Krankheit als arbeitsrechtli-
che Nebenpflicht bestehen, wenn es wegen der Art der Erkrankung angezeigt ist, dass
der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen zugunsten Dritter ergreifen muss. Generell wird dies
beispielsweise bei einer Erkrankung mit sogenannten „Rotaviren“ bejaht.
Weitergehende arbeitsvertragliche Meldepflichten können bestehen, wenn der Ar-
beitsplatz des Mitarbeiters mit besonderen Ansteckungsgefahren verbunden ist (zum
Beispiel in Kliniken oder Gastronomiebetrieben).
Die Auskunft über „dieselbe“ Krankheit: Es besteht nur ein Informationsrecht des Arbeit-
gebers über die Frage, ob es sich bei mehreren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen um
„dieselbe“ Krankheit handelt, da die Entgeltfortzahlungspflicht hier auf sechs Wochen für
dieselbe Krankheit limitiert ist. Hier kann der Arbeitnehmer die Auskunft über die Diagno-
se selbst verweigern. Verweigert aber der Arbeitgeber seine Entgeltfortzahlungspflicht mit
der Behauptung, es handele sich bei mehreren AU-Fällen um dieselbe Krankheit, muss der
Arbeitnehmer seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Im Streit vor
dem Arbeitsgericht werden die Krankheitsbilder auf diesem Wege dann „öffentlich“.
Die Dritthaftungsfälle: Eine indirekte Informationspflicht ergibt sich auch, wenn eine
Arbeitsunfähigkeit durch einen ersatzpflichtigen Dritten herbeigeführt wurde, da der Ar-
beitgeber hier einen Anspruch auf Ersatz der Entgeltfortzahlungskosten vom Schädiger
hat. Hier muss zumindest mittelbar auch über die Art der Erkrankung informiert werden.
Die BEM-Fälle: Liegen die Voraussetzungen einer Pflicht zum Betrieblichen Eingliede-
rungsmanagement vor, so hat der Arbeitgeber mit dem Mitarbeiter unter anderem
abzuklären, wie einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz
erhalten werden kann (§ 84 SGB IX). Obwohl diese Verpflichtung nur sinnvoll ist, wenn
der Arbeitgeber weiß, welche Ursachen der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegen, kann
der Arbeitnehmer deren Preisgabe ohne Angabe von Gründen verweigern.
Krankheitsgründe nicht immer ein Tabu
ÜBERBLICK
beitsrechtliche Relevanz besteht hier
nur insoweit, als der Arbeitgeber von
der Krankenversicherung die Informa-
tion (nicht die Diagnose) übermittelt
bekommt, ob es sich bei der zugrunde
liegenden Krankheit um eine sogenannte
„Fortsetzungserkrankung“ handelt, bei
der die Entgeltfortzahlung nicht oder nur
limitiert gezahlt werden muss. Der gelbe
Zettel wird damit also nicht originär, son-
dern nur „nebenher“ zum Nachweis der
Arbeitsunfähigkeit genutzt. Erstreckt
sich die Arbeitsunfähigkeit über den
Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs
Wochen hinaus, wandelte sich nach bis-
herigemRecht die anfängliche Pflicht der
Ärzte zur Ausstellung des gelben Zettels
in die Pflicht zur Ausstellung eines soge-
nannten „Auszahlscheins“ um. Auch hier
wird die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt,
diesmal aber nur als Voraussetzung für
die Auszahlung des Krankengeldes.
Da aber Arbeitgeber auch nach Ab-
lauf der Entgeltfortzahlungspflicht eine
Bescheinigung über die Arbeitsunfä-
higkeit verlangen können, stellen die
Ärzte auf Wunsch der Arbeitnehmer in
diesen Fällen meist nochmal eine neue
Bescheinigung aus, die zwar aussieht
wie die übliche Arbeitsunfähigkeitsbe-
scheinigung, tatsächlich aber nur eine
allgemeine ärztliche Bescheinigung ist.
Teilweise erhalten die Mitarbeiter auch
geschwärzte Kopien des Auszahlschei-
nes. Für diese erneute Bescheinigung
kann der Arzt auch eine Vergütung vom
Arbeitnehmer beanspruchen, der diese
wiederum als notwendige Auslage aus
THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
Arbeits- und Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.