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12/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
men, allein die dreimalige Verweigerung
einer Leistung genüge, um die betriebli-
che Übung entfallen zu lassen, sofern
der Arbeitnehmer nicht widerspricht.
Das BAG folgt dieser Überlegung einer
gegenläufigen betrieblichen Übung seit
ein paar Jahren nicht mehr. Zur Ände-
rung einer bisherigen Übung bedarf es
vielmehr eines entsprechenden, erkenn-
baren Angebotes auf Änderung des Ar-
beitsvertrages, soweit es die Ansprüche
aus betrieblicher Übung betrifft. Dieses
Angebot führt aber nur dann zu einer
Vertragsänderung, wenn es von dem
Mitarbeiter angenommen wird. Schwei-
gen genügt hierfür regelmäßig nicht, so
dass der Mitarbeiter nicht einmal wider-
sprechen braucht. Das gilt zumindest
dann, wenn die Änderung sich nicht
sofort für den Arbeitnehmer negativ
auswirkt (zum Beispiel Fortgewährung
eines Weihnachtsgeldes, nun aber mit
Freiwilligkeitsvorbehalt).
Dass nicht in jeder bloßen Verweige-
rung der Leistung seitens des Arbeitge-
bers ein solches Angebot zu sehen ist,
zeigt das folgende Beispiel: In einem
Betrieb wurde zunächst jahrelang ein
Weihnachtsgeld ohne weitere Hinweise
an die Mitarbeiter gezahlt. Nach einem
Wechsel der Geschäftsführung wur-
de diese Praxis zwar sechs Jahre lang
weitergeführt. Allerdings wurde vom
Arbeitgeber nun stets durch Rundschrei-
ben darauf hingewiesen, dass es sich um
eine freiwillige Leistung handele. Als die
Geschäftsführung die Leistung unter Be-
rufung auf den Freiwilligkeitsvorbehalt
einstellte, verlangten die Mitarbeiter
deren Fortgewährung. Hier haben die
Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch
auf Gewährung des Weihnachtsgeldes
in voller Höhe. Will der Arbeitgeber ei-
ne Leistung für die Zukunft nicht mehr
gewähren, so geht dies nur, wenn der
Arbeitgeber den Mitarbeitern zu verste-
hen gibt, dass die betriebliche Übung
geändert werden soll. Das ist hier der
Fall. Allerdings führt dieses Angebot
nur dann zu einer Änderung der betrieb-
lichen Übung (hier Aufnahme des Frei-
willigkeitsvorbehalts), wenn es von den
Mitarbeitern angenommen wird. Da in
dem Beispielsfall bis zur tatsächlichen
Einstellung der Zahlung keine unmittel-
baren negativen Auswirkungen für die
Mitarbeiter eingetreten waren, stellt de-
ren Schweigen auf die Erklärungen des
Arbeitgebers, sich nun die Freiwilligkeit
des Weihnachtsgeldes vorzubehalten,
keine Annahme dieses Angebotes dar.
Zur Verdeutlichung noch ein anderes
Beispiel: In einemBetriebwird seit vielen
Jahren allen Beschäftigten Weihnachts-
geld auf Grundlage einer betrieblichen
Übung gewährt. Ab dem Jahr 2012 stellte
der Arbeitgeber die Zahlungen ein. Als
auch 2015 kein Weihnachtsgeld gezahlt
werden sollte, verlangte ein Arbeitneh-
mer die Zahlung von Weihnachtsgeld.
Hier fehlt es bereits an einem Ände-
rungsangebot. Erfüllt der Arbeitgeber
bestimmte Ansprüche aus dem Arbeits-
verhältnis ohne weitere Erklärungen
nicht, liegt hierin kein Angebot auf eine
Vertragsänderung. Der Mitarbeiter hat
also Anspruch auf Weihnachtsgeld.
Ein drittes Beispiel (in Anlehnung an
BAG, Urteil vom 25.11.2009 - 10 AZR
779/08): In einem Betrieb wird seit
vielen Jahren allen Beschäftigten Weih-
nachtsgeld auf Grundlage einer betrieb-
lichen Übung gewährt. Im Jahr 2012
hatte der Arbeitgeber den Mitarbeitern
mitgeteilt, dass es künftig kein Weih-
nachtsgeld mehr gebe. Der Arbeitgeber
zahlte dementsprechend in den Jahren
2012, 2013 und 2014 kein Weihnachts-
geld. Auch hier sollte ab 2015 kein Weih-
nachtsgeld mehr gezahlt werden, der
Arbeitgeber hatte dazu ein Änderung-
sangebot abgegeben. Da die Arbeitneh-
mer sofort erkennen können, dass sich
die Änderung der betrieblichen Übung
(Einstellung der Zahlung) unmittelbar
im Arbeitsverhältnis auswirkt, müssen
sie, wenn sie das Änderungsangebot
nicht annehmen wollen, sofort reagie-
ren. Schweigen führt hier zur Beendi-
gung der betrieblichen Übung.
Einen Sonderfall bildet die Ablösung
einer betrieblichen Übung durch eine Be-
triebsvereinbarung. Das BAG nimmt an,
dass betriebliche Übungen als allgemein
geltende Arbeitsbedingung mit kollek-
tivem Bezug durch Betriebsvereinba-
rungen ersetzt werden können. Auf diese
Weise könnte also beispielsweise – wenn
der Betriebsrat zustimmt – ein bislang
auf betrieblicher Übung gegründeter An-
spruch auf Weihnachtsgeld durch eine
Betriebsvereinbarung über ein gerin-
geres Weihnachtsgeld ersetzt werden.
Doppelschriftformklausel als Ausweg
muss richtig formuliert sein
Angesichts der Entwicklungen erscheint
es ratsam, bereits die Entstehung einer
betrieblichen Übung zu vermeiden. Wirk-
sames Mittel dafür kann ‑ neben einem
ausdrücklich erklärten Freiwilligkeits-
vorbehalt - die doppelte Schriftformklau-
sel im Arbeitsvertrag sein. In ihr wird
zunächst vereinbart, dass Änderungen
des Arbeitsverhältnisses der Schriftform
bedürfen. Zusätzlich muss sie bestim-
men, dass auch eine Änderung dieses
Schriftformerfordernisses nur schriftlich
zulässig ist. Aber auch hier ist Vorsicht
geboten. Die Klausel darf beim Arbeit-
nehmer nicht den Eindruck erwecken,
jede Form von mündlicher Abrede sei
unwirksam. Nimmt die doppelte Schrift-
formklausel Individualabreden nicht
aus, ist sie insgesamt unwirksam und
kann das Entstehen einer betrieblichen
Übung nicht verhindern.
TOBIAS GRAMBOW
ist
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Arbeitsrecht bei der Buse
Heberer Fromm Rechtsanwäl-
te Steuerberater PartG mbB.
Zur Änderung einer
betrieblichen Übung be-
darf es einer Änderung
des Arbeitsvertrags.
Schweigt der Mitarbei-
ter, reicht das meist
nicht als Zustimmung.