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12/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
anpassen und sind in der Lage zu koo-
perieren, zum Gesamtwohl beizutragen
und prosoziale Verhaltensweisen zu zei-
gen. Deshalb sollten Firmen Machiavel-
listen nicht vorschnell als potenziell gute
Mitarbeiter abschreiben“ (S. 1935).
Konsequenzen fürs HR-Management
Machiavellistische Züge zu erkennen, ist
inzwischen nicht nur in der Diagnostik
dank Fragebögen möglich. Es geht auch
subtiler: Computerspiele wie „Wasabi
Waiter“ sind in den USA der letzte Schrei,
wenn es darum geht, Soft Skills, Empa-
thie oder Führungsstile zu analysieren,
ohne dass der Proband merkt, worauf er
eigentlich getestet wird.
Allerdings würden HR-Manager zu
kurz denken, wollten sie Machiavellisten
bei der Personalauswahl ausschließen.
Eher gilt es herauszufinden, wo und bei
welchen Führungskräften sie ihre Stär-
ken ausspielen – zum Beispiel überall
dort, wo Change, Innovation und die
„schöpferische Zerstörung“ gefragt sind.
Und natürlich bei jenen Managern, die
transformationale Führung praktizie-
ren. Rekrutierung, das zeigt sich immer
mehr, ist nicht nur eine Frage des Wer,
sondern auch eine Frage des Wohin, wo-
bei sich das neue Plätzchen in zuneh-
mend volatilen Organisationen rasant
verändern kann. Da Machiavellisten
nicht ohne weiteres Zutun Gutes bewir-
ken, muss HR die Führungsmannschaft
dafür sensibilisieren, dass sie stärker als
bei anderen Mitarbeitern sinnstiftende
Visionen etabliert, Autonomie gewährt
und mit gutem Beispiel vorangeht.
Insgesamt darf die „dunkle Seite“
nicht verschwiegen werden: HR sollte
verdeutlichen, dass mit allzu großer Lo-
yalität und Altruismus bei waschechten
Machiavellisten nicht zu rechnen ist und
diese lediglich eigennützige Verpackung
sind. Wer allerdings mit kurzer Leine
führt, um kontraproduktives Verhalten
einzudämmen, könnte genau das Gegen-
teil bewirken: Mehr Kontrolle bedeutet
weniger Autonomie – und gerade die hat
sich in den Studien als wichtiger Faktor
erwiesen, um aus Machiavellisten das
Beste herauszuholen.
Aus Praxissicht weitergedacht
Je mehr Mitarbeiter den Status quo in-
frage stellen und zu „Intrapreneuren“
werden sollen, um Innovation, Wachs-
tum und Profit zu generieren, desto eher
muss man damit rechnen, dass für einige
der Zweck die Mittel heiligt. Dann wer-
den – angeblich im Sinne der Organisa-
tion – die Software für Abgastests oder
der Libor-Zins manipuliert, Geldkoffer
übergeben und andere krumme Dinge
gedreht. Machiavellistisches Verhalten
ist dann nicht mehr nur Ergebnis eines
schlechten Charakters, sondern schlech-
ter Unternehmensziele und -kulturen.
So gesehen erscheint der lateinische
Titel von Machiavellis Werk in neuem
Licht: Er handelt nicht vom einzelnen
Fiesling, sondern „von den Herrschafts-
formen“ („de principatibus“) im organi-
satorischen System.
MARTIN CLASSEN
führt seit
2010 sein Beratungsunter-
nehmen People Consulting.
DR. CHRISTIAN GÄRTNER
ist Lehrstuhlvertreter für
Unternehmensführung an der
Universität Witten/Herdecke.
Zu oft hakt es immer noch am Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis.
Darum stellen der Berater Martin Claßen und der Wissenschaftler Christian Gärtner in
den folgenden Ausgaben des Personalmagazins betriebswirtschaftliche Studien aus den
USA mit ihren Kernergebnissen vor und ziehen Schlussfolgerungen für das deutsche Per-
sonalmanagement. In diesem Serienteil geht es um die Studie „Leading Machiavellians:
How to translate Machiavellians’ selfishness into pro-organizational behavior“ von Frank
D. Belschak, Deanne N. Den Hartog und Karianne Karlhoven. Sie ist 2015 im „Journal of
Management 41(7)“ erschienen.
(ak)
SERIE
darauf zu verwenden, etablierte Routi-
nen und Gewissheiten infrage zu stellen,
um die Organisation voranzubringen.
Dadurch verdienen sich Machiavellis-
ten Lorbeeren bei ihren Chefs, was der
Karriere dient. Dass transformationale
Führung positiven Einfluss hat und aus
Machiavellisten tendenziell Teamplayer
macht, konnte eine Studie mit 115 Füh-
rer-Geführten-Beziehungen bestätigen.
In einer zweiten Studie gehen die Au-
toren der Frage nach, welche Handlungs-
treiber durch transformationale Führung
angesprochen werden. Entscheidend ist
demnach, wie autonom Geführte arbei-
ten können. Denn je selbstbestimmter sie
sind, desto intrinsisch motivierter gehen
sie ans Werk und können ihr ganzes Re-
pertoire ausspielen – was sich bei Ma-
chiavellisten von manipulierenden bis
prosozialen Verhaltensweisen erstreckt.
Da Empowerment zentral für transfor-
mationale Führung ist, werden machia-
vellistische Mitarbeiter diese Freiheiten
stärker nutzen als andere.
Für wen oder was das Ganze gilt
Würden Sie einer der folgenden Aussa-
gen zustimmen? „Es ist klug, sich bei
wichtigen Personen beliebt zu machen“;
„Man sollte nie die wahren Gründe of-
fenbaren, warum man etwas getan hat,
es sei denn, dies nützt einem“; „Der
Zweck heiligt die Mittel“. Wenn ja, sam-
meln Sie Punkte auf der Machiavellis-
mus-Skala. Noch gibt es keine Zahlen
darüber, wie viele Machiavellisten es
heute in Firmen gibt. Aber dass Machia-
vellis „Fürst“ auch nach 500 Jahren die
Gemüter ebenso irritiert wie inspiriert,
zeigt: Das Thema ist weiterhin relevant.
Der wichtigste und der nachdenk
lichste Satz der Studie
Der wichtigste Satz lautet: „Extreme Ma-
chiavellisten sprechen stärker auf trans-
formationale Führung an als solche, die
nur eine schwache machiavellistische
Prägung zeigen“ (S. 1949).
Der nachdenklichste Satz lautet:
„Machiavellisten können sich sehr gut