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MANAGEMENT
_INKLUSION
personalmagazin 12/15
W
enn ihre Kollegen zum
Partnerunternehmen nach
Ägypten reisen, hält sie in
der Düsseldorfer Zentra-
le die Stellung. Statt der Rufbereitschaft
übernimmt sie Extra-Projekte. Susanne
Grünewald arbeitet bei Vodafone in der
Callcenter-Steuerung. Und geht dort offen
mit ihrer Behinderung um. Selbstbewusst
sagt die 26-Jährige: „Wer mich nicht ganz
nimmt, da will ich nicht hin.“ Seit 14 Jah-
ren kennt Grünewald die Diagnose: Nar-
kolepsie. Für Sekunden, manchmal für
Minuten klinkt sich ihr Körper aus. Sie
wirkt, als sei sie eingeschlafen – was ihr
Vorwürfe von Unhöflichkeit bis Simulati-
on einbringt, wenn die Menschen nichts
von der Erkrankung wissen. Heute steuert
die Vodafone-Mitarbeiterin das unheilba-
re Handicap mit Medikamenten. Die Ein-
schränkungen sind weniger geworden:
Sie fährt Auto, spielt Skater-Hockey und
Badminton und arbeitet Vollzeit. „Ich bin
ein operativer Mensch, die Arbeit macht
mir Spaß, aber manchmal muss ich einen
Gang zurückschalten“, erzählt sie. „Dann
arbeite ich von zu Hause aus.“
Bis Grünewald sich ihre jetzige Po-
sition erarbeitet hatte, steckte sie viel
Energie in ihren Berufsweg. Nach Ein-
ser-Fachabitur und -Master kam sie für
ein Praktikum zu Vodafone. Als es nicht
auf Anhieb mit einem Platz im Trainee-
programm klappte, zog Grünewald nach
Oberfranken, kündigte ihren Job dort
aber schon in der Probezeit – und be-
warb sich erneut bei Vodafone. Diesmal
klappte es imNachrückverfahren. „Hart-
Von
Ruth Lemmer
näckigkeit und Durchsetzungsvermögen
sind Stärken, die ich durch die gesund-
heitliche Einschränkung entwickelt ha-
be“, meint Grünewald. „Das Handicap
zu verstecken, frisst zu viel wertvolle
Kraft.“ Ihre Kraft setzt sie lieber dafür
ein, öffentlich für eine Zusammenarbeit
auf Augenhöhe von Menschen mit und
ohne Einschränkungen zu werben.
Vodafone verpasst mit 4,1 Prozent
Beschäftigten mit Behinderungen unter
insgesamt 14.000 Mitarbeitern zwar die
gesetzliche Quote von fünf Prozent, muss
also Ausgleichszahlungen leisten, geht
aber gleichzeitig über die Unterstützung
durch die gesetzlich vorgeschriebene
Schwerbehindertenvertretung hinaus.
Das Unternehmen siedelt diese Mitar-
beitergruppe als einen Schwerpunkt
neben Gender, Interkulturalität, Alter
und sexueller Orientierung bei Diversi-
ty und damit bei Felizitas Lichtenberg
an. „Wir setzen unsere Mitarbeiter nach
ihren Stärken und Fähigkeiten ein – un-
abhängig davon, ob sie Beschränkungen
haben“, schildert die Diversity-Manage-
rin. So hat Vodafone mit der Auticon-Nie-
derlassung in Düsseldorf, die Menschen
mit Autismus und angrenzenden Er-
krankungen als IT-Berater vermittelt,
das sehr logische Denken, die hohe Kon-
zentrationsfähigkeit und das gute Auge
auf Details, Anomalien und Fehler als In-
selbegabung für sich entdeckt. Bei ihren
Aufgaben treten die Beeinträchtigungen
der Mitarbeiter in Kommunikation und
sozialer Interaktion in den Hintergrund.
„Eine Voraussetzung für die erfolgreiche
Integration dieser Kollegen ist es, dass
alle im Team über deren Besonderheiten
informiert sind“, so Lichtenberg.
Integration erfordert Umdenken
Einzelbeispiele gelungener Integration
von Menschen, die einen anerkannten
Grad der Behinderung von mehr als 50
Prozent haben und daher als schwerbe-
hindert gelten, schärfen den Blick auf das
System. Die Schwerbehindertenvertre-
tung, im Sozialgesetzbuch vorgeschrie-
ben, wenn mehr als fünf Mitarbeiter mit
Behinderungen im Unternehmen dauer-
haft beschäftigt werden, sowie Webseiten
des Arbeitsministeriums, der Behörden
und Initiativen (siehe Kasten) informie-
ren über Rekrutierung und Ausbildung,
Beschäftigung und Versetzung von Men-
schen mit Handicap – an Regeln und
Mitarbeiter mit Handicap
PRAXIS.
Werden Menschen mit Behinderung eingestellt, müssen Führungskräfte, HR
und Kollegen mitziehen. Eine stärken- und ressourcenorientierte Sichtweise hilft.
„Durch die gesundheitliche Einschrän-
kung habe ich Hartnäckigkeit und
Durchsetzungsvermögen entwickelt.“
Susanne Grünewald, Mitarbeiterin Callcenter-Steuerung bei Vodafone
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