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12/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Tipps fehlt es also nicht. Entscheidend
ist der Wille von Managern oder Eigen-
tümern, sie zu beschäftigen. Betriebe mit
mehr als 20 Mitarbeitern müssen fünf
Prozent Schwerbehinderte beschäftigen.
Firmen können allerdings auch je nach
Betriebsgröße eine Ausgleichsabgabe
zwischen 115 und 290 Euro pro nicht be-
setztem Pflichtplatz zahlen. Die Beschäf-
tigungsquote der privaten Wirtschaft
lag 2013 insgesamt bei 4,1 Prozent. Laut
Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrati-
onsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH)
erfüllten 114.000 Arbeitgeber die Pflicht-
quote von fünf Prozent 2014 nicht. Und
38.500 Firmen, die ihre Quote angeben
mussten, beschäftigten keinen einzigen
Arbeitnehmer mit schwerem Handicap.
Dabei sind ergonomische und tech-
nische Voraussetzungen relativ leicht
lösbare Kleinigkeiten, die soziale Inte-
gration erfordert dagegen einUmdenken.
„Man kann praktisch jeden unabhängig
von seiner Behinderung erfolgreich in
den ersten Arbeitsmarkt integrieren,
wenn man eine stärken- und ressour-
cenorientierte Sichtweise einnimmt“,
sagt Professor Stephan Böhm, Direktor
des Center for Disability and Integration
an der Universität St. Gallen. Was kann
jemand? So sollte die Frage lauten und
nicht: Was kann jemand nicht? Praktisch
können alle Arbeitsplätze ergonomisch
oder technisch angepasst werden. Ar-
beitsprozesse können hinsichtlich zeit-
licher Abläufe sowie räumlicher oder
personeller Aufteilungen verändert wer-
den. „Doch um langfristig effektiv zu
wirken“, so Böhm, „müssen Führungs-
kräfte, Kollegen und Personalmanager
alle Anpassungen mittragen.“
Und Böhm findet es wichtig, über die
Mitarbeiter, die im Laufe ihres Berufs-
lebens erkranken und dadurch zu den
Schwerbehinderten zählen, nicht die
Menschen zu vergessen, die ein Handi-
cap bereits mitbringen ins Arbeitsleben.
Dieser Verdacht liegt nämlich nahe,
schaut man in den BIH-Jahresbericht
2015 (siehe Tabelle): Dort ist von 3,2 Mil-
lionen schwerbehinderten und Schwer-
behinderten gleichgestellten Menschen
im erwerbsfähigen Alter die Rede. Doch
nicht ganz eine Millionen waren 2013
Arbeitnehmer, so die Bundesagentur
für Arbeit. Mehr als zwei Drittel waren
in Werkstätten für Behinderte und Pro-
jekten beschäftigt oder arbeitslos. Bei
den über 55-Jährigen stieg die Zahl der
Mitarbeiter mit Handicap zwischen 2007
und 2013 um 147.000, also fast um 50
Prozent, wogegen die Zahl der Beschäf-
tigten zwischen 35 und 45 Jahre im glei-
chen Zeitraum um 33.000 zurückging.
Früh in den Arbeitsmarkt integrieren
Schon beim Recruiting ist erkennbar,
ob ein Unternehmen offen ist für einen
gleichberechtigten Zugang behinder-
ter Menschen. So ist die BASF-Website
barrierefrei, zusätzlich zur Bewerber-
hotline gibt es einen Chat zur Kontakt-
aufnahme. Nach dem Arbeitsstart wird
im Einzelfall entschieden, wie ein Mitar-
beiter unterstützt werden kann. Konkret
gehören dazu neben Ergonomie am Ar-
beitsplatz auch Behindertenparkplätze
oder individuelle Absprachen über Ar-
beitszeit und -ort mit dem Vorgesetzten.
Besonders aktiv ist BASF beim Thema
„Ausbildung“. Laut BIH stieg die Zahl
der Azubis mit einer Behinderung in
Deutschland seit 2007 kontinuierlich –
auf 6.730 im Jahr 2013. Eine frühe Inte-
gration in den ersten Arbeitsmarkt ist
das Ziel einiger von den Integrations-
ämtern geförderten Projekte. Die BASF
agiert als Partner des Inklusionsprojekts
zur gemeinsamen Ausbildung von Ju-
gendlichen mit und ohne Behinderung,
für das sich Firmen so verschiedener
Branchen wie die Deutsche Bahn, das
ZDF und die KfW Bankengruppe stark
machen. Außerdem ist das Chemieun-
ternehmen Mitglied des Vereins Unter-
nehmens-Forum, der Jugendlichen mit
Behinderung den Start in eine duale
Ausbildung ebnen will. Und seit 2013
führt der BASF-Ausbildungsverbund in
Kooperation mit der Berufsbildenden
Schule Technik II Ludwigshafen und
dem Pfalzinstitut für Hören und Kom-
munikation (PIH) ein dreiwöchiges in-
tegratives Praktikum in der zentralen
Ausbildung durch. Je zwölf Schüler bei-
der Einrichtungen lernen den Beruf des
Anlagenmechanikers kennen. In allen
drei Jahrgängen ist es gelungen, einen
Teilnehmer des Praktikums in die Aus-
bildung zu übernehmen.
Auch Autobauer Audi, der die Schwer-
behindertenquote mit 5,7 Prozent
übererfüllt, bildet an den Standorten
Ingolstadt und Neckarsulm schwerbe-
hinderte Jugendliche aus: insgesamt 30.
Grundsätzlich können bei Audi junge
Menschen mit Behinderung jeden der
angebotenen Ausbildungsberufe erler-
nen. Es wird im Einzelfall geprüft, ob die
„Wir setzen unsere Mitarbeiter nach
ihren Stärken ein – unabhängig davon,
ob sie Beschränkungen haben.“
Felizitas Lichtenberg, Diversity Managerin bei Vodafone
VIDEO
Auf dem Youtube-Kanal der Inte­
grationsämter können Sie sich einen
Kurzfilm zur Integration von Mitarbei-
tern mit Behinderung ansehen.
© YOUTUBE
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