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12/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Andrea Sattler.
Strack:
...dann solten die Personaler keine
riesige Qualifizierungswelle starten. Sie
sollten sich bei der strategischen Per-
sonalplanung genau überlegen, welche
der bestehenden Mitarbeiter sie für den
künftigen Bedarf weiterqualifizieren,
welche neuen Fachkräfte sie selbst aus-
bilden können, welche sie extern rekru-
tieren müssen und welche Themen sie
auch outsourcen möchten. Dazu gehört
auch, am Employer Branding zu arbei-
ten, um etwa einem gut qualifizierten
ITler einen Grund zu geben, in einem
mittelständischen Unternehmen irgend-
wo in Deutschland zu arbeiten, wenn
gleichzeitig Konkurrenten wie Google
und coole Start-ups locken.
personalmagazin:
Die Personalentwicklung
kann ein gutes Mittel sein, sich als at-
traktiver Arbeitgeber sowohl für bestehen-
de als auch für potenzielle Arbeitnehmer
zu empfehlen. Welche Formate werden
Ihrer Meinung nach künftig wichtig sein?
Strack:
Im Onlinebereich, speziell beim
E-Learning, tut sich im Moment viel:
Es entstehen etwa Start-ups mit neuen
Entwicklungsformaten, die wöchentlich
eine Push-E-Mail an die Mitarbeiter
schicken, um sie zur Bearbeitung von E-
Learning-Einheiten anzuregen, die mit
einem Test zur Wissensüberprüfung
abschließen. Trotzdem glaube ich, dass
künftig das Erfahrungslernen, etwa in
Form von Learning-on-the-job, eine be-
deutende Rolle spielen wird.
personalmagazin:
Prognosen zur Zukunft
der betrieblichen Weiterbildung stellen
immer wieder heraus, dass künftig eigen-
ständiges und auch informelles Lernen
immer wichtiger wird. Was meinen Sie
dazu?
Strack:
Ja, das stimmt. Trotzdem wird es
auch weiterhin zusätzliches formelles
Lernen im Betrieb geben. Aus zweierlei
Gründen: Zum einen braucht es eine for-
melle Lernorganisation, um die Weiter-
bildung transparent zu machen und so
den Entwicklungsbedarf zu ermitteln,
das dafür vorgesehene Budget planen
und sinnvoll einsetzen zu können. Zum
anderen wird der Mitarbeiter durch die
Digitalisierung, aber auch die demogra-
fische Entwicklung immer mehr zur
knappen Ressource: Bis zu 7,7 Millio-
nen Arbeitnehmer könnten bis zum Jahr
2030 fehlen, wie eine unserer Studien
zeigt. Daher muss der Arbeitgeber ihm
auch auf Lern- und Entwicklungsseite
attraktive Angebote machen.
personalmagazin:
Dafür müssen auch die
Inhalte stimmen. Welche Lerninhalte
werden denn künftig wichtiger werden?
Strack:
Zunächst muss natürlich die Digi-
talisierungskompetenz Inhalt der Wei-
terbildung sein. Neben Fachwissen und
BWL-Kenntnissen wird in der Industrie
4.0 das Digitalisierungswissen die drit-
te Kernkompetenz – auch für Führungs-
kräfte, denn sie müssen Entscheidun-
gen über Digitalisierung treffen. Auch
cross-funktionale Kenntnisse sind ent-
scheidend. In diesem Zusammenhang
werden auch Soft Skills wie Empathie
und Wertschätzung wichtiger. Darüber
hinaus müssen die Chefs der Zukunft
auch im kulturellen Bereich kompetent
sein. Denn sie sollen eine neue Gene-
ration führen, die nicht nur digitalaffin
ist, sondern auch hohe Erwartungen an
Unternehmens- und Arbeitskultur hat.
So hat eine unserer Studien, für die wir
200.000 Jobsuchende aus 189 Ländern
befragt haben, gezeigt: Deren Top-drei-
Präferenzen sind allesamt Kulturthe-
men – Work-Life-Balance, Beziehung
zu Kollegen und Wertschätzung für die
geleistete Arbeit.
personalmagazin:
Das sind ganz schöne
viele neue Herausforderungen. Ihr Tipp:
Welche Einstellung sollte man dafür
mitbringen?
Strack:
Die neuen Entwicklungen erfor-
dern von allen eine höhere Flexibilisie-
rung und Offenheit. Da sich die Welt so
schnell ändert, wird Flexibilität künf-
tig ein Wert an sich werden. In diesem
Zusammenhang wird jetzt lebenslanges
Lernen vom Schlagwort zur dringenden
Anforderung an jeden Mitarbeiter.
Laut BCG-Studie „Man and Machine in Industry 4.0“ vernichtet die Industrie 4.0 nur in
dem Fall mehr Jobs, als sie schafft, wenn sie kein Umsatzwachstum mit sich bringt.
QUELLE: BOSTON CONSULTING GROUP
SZENARIEN ZUM JOBWACHSTUM BIS 2025
positives Jobwachstum
Jobwachstum zwischen 2015 und 2025 in Tausenden (gerundet).
1
schließt das Umsatzwachstum infolge der Industrie 4.0 ein, nicht aber die
Auswirkungen des Wachstums in der Industrie selbst oder der Produktivität.
2
basiert auf zehn ausgewählten, quantifizierten Anwendungsfällen, die die
Produktivität steigern; die Akzeptanzrate beeinflusst nicht das Wachstum.
negatives Jobwachstum
Szenarien: Wie werden Industrie-4.0-Technologien angenommen?
2
30 %
50 %
70 %
Szenarien für
das zusätzliche
Wachstum infol-
ge der Industrie
4.0 pro Jahr
1
0,5 %
1,0 %
1,5 %
530
950
760
600
200
350
130
-40
-180
Base-Case