personalmagazin 12/2015 - page 22

22
TITEL
_INDUSTRIE 4.0
personalmagazin 12/15
wird, an der Schnittstelle zwischen
Mensch und Maschine die Zusammen-
arbeit zu koordinieren. Oder das Profil
des Datenanalytikers, der in der Lage
sein muss, große Datenmengen zu
handhaben, darin Muster zu erkennen
und daraus konkrete Maßnahmen abzu-
leiten – etwa, um Fertigung und Produk-
tion zu optimieren.
personalmagazin:
Was muss HR tun, um
die Mitarbeiter dafür zu qualifizieren?
Strack:
Die Personalentwicklungsarbeit
muss schon ansetzen, bevor es an die
Mitarbeiterqualifizierung geht. Zu-
nächst bedarf es einer langfristigen Per-
sonalplanung. Hier stecken aber viele
Unternehmen noch in den Kinderschu-
hen: Meist planen sie noch kurz- oder
maximal mittelfristig über drei, vier
Jahre ihren Bedarf. Hinzu kommt: Sie
planen meist mit der klassischen Kopf-
zahl, brechen den Bedarf aber nicht auf
die benötigten Qualifikationen herunter.
Hier könnte sich HR etwas vom Finanz-
bereich abschauen: Wird etwa ein neues
Werk geplant, das den Anforderungen
der Industrie 4.0 entspricht, erstellt Fi-
nance eine Investitionsrechnung über
die Abschreibungsdauer der Anlagen
über zehn oder 20 Jahre. Ist der Barwert
der Investition positiv, steckt das Unter-
nehmen viel Geld hinein – mit der glei-
chen Unsicherheit wie bei der Personal-
planung. Nur: Den Personalern fällt es
ungleich schwerer, länger als drei, vier
Jahre im Voraus zu planen.
personalmagazin:
Ist dann der Personalbe-
darf längerfristig geplant...
„Lebenslang Lernen wird akut“
INTERVIEW.
Roboterkoordinator, Datenanalytiker & Co.: Bald rücken neue Jobprofile in
den Fokus der Arbeitswelt. Wie sich die Personalentwicklung dafür aufstellen sollte.
personalmagazin:
Pessimisten gehen davon
aus, dass durch die Digitalisierung der
Arbeitswelt mehr Jobs wegfallen könnten
als neu entstehen. Wie sehen Sie dies?
Rainer Strack:
Wie sich die Arbeitswelt in
20, 30 Jahren entwickelt, können wir
selbstverständlich nicht mit Sicherheit
sagen. Allerdings lassen sich durchaus
verlässliche Prognosen über die Ent-
wicklungen der kommenden zehn Jah-
re anstellen. Dazu haben wir bei BCG
kürzlich eine Studie durchgeführt, bei
der wir am Beispiel Deutschlands die
Auswirkungen der Digitalisierung auf
40 Jobfamilien in 23 Fertigungsindustri-
en untersucht haben. Unser Fazit lautet:
Zumindest bis zum Jahr 2025 werden
infolge der Digitalisierung mehr Jobs
entstehen, als wegfallen werden.
personalmagazin:
Wie sind Sie zu diesem
Ergebnis gekommen?
Strack:
Wir haben zunächst zehn Tech-
nologietrends identifziert wie roboter-
gestützte Produktion, selbstfahrende
Logistikfahrzeuge oder Augmented Re-
ality. Anschließend wurde der Einfluss
dieser Technologien auf die 40 Jobfamili-
en analysiert. Hier haben wir ein umfas-
sendes Modell gebaut. Dabei wurde die
Durchdringung von Industrie 4.0 und
zusätzliche Wachstumsoptionen durch
Digitalisierung bis 2025 simuliert – in
verschiedenen Szenarien. In anderen
Prognosen wird oft der Umsatzeffekt
vernachlässigt. Berechnen wir ihn aber
mit ein, kommen wir auf bis zu 350.000
neue Jobs bis 2025 im Basisszenario.
Nur, wenn man das Wachstum aus-
schließt, ergibt sich ein negativer Effekt.
personalmagazin:
Welche Jobs sind Ihrer
Prognose zufolge am ehesten von der Di-
gitalisierung bedroht und welche bleiben
bestehen?
Strack:
Generell fallen einfache, repe-
titive Tätigkeiten am ehesten weg. Im
Gegensatz dazu sind komplexere Tätig-
keiten schwerer zu ersetzen. Darunter
fallen nicht nur intellektuell anspruchs-
volle Jobs, sondern auch solche, die etwa
eine hohe Fingerfertigkeit erfordern.
Neue Jobfamilien entstehen durch Ro-
boter-, IT- und analysenahe Tätigkeiten.
personalmagazin:
Können Sie Beispiele für
solche neuen Tätigkeiten nennen?
Strack:
Zum Beispiel der Roboterkoordi-
nator, der künftig die Aufgabe haben
PROF. DR. RAINER STRACK
ist Senior
Partner und Managing Director bei der Bos-
ton Consulting Group (BCG) in Düsseldorf.
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...84
Powered by FlippingBook