personalmagazin 12/2015 - page 16

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TITEL
_INDUSTRIE 4.0
personalmagazin 12/15
sind diejenigen, die der Revolution
den Odem einhauchen: Informatiker,
Techniker, Logistiker, aber auch Agen-
turmitarbeiter neu entstehender Unter-
nehmen, die den Austausch von Daten,
die Preisgestaltung für die Nutzung von
Daten und die Weiterbildung der Mitar-
beiter organisieren, gewinnen attraktive
Tätigkeiten hinzu. IT-Spezialisten pro-
grammieren und installieren die Da-
tenbanken, Ingenieure entwickeln die
cyber-physischen Produktionssysteme.
Datenbankspezialisten erarbeiten Algo-
rithmen für personalisiertes Marketing,
Personalentwickler kombinieren reale
und virtuelle Trainingsmodule, Ärzte
und Apotheker erarbeiten Gesundheits-
angebote, Sportwissenschaftler verhel-
fen den Menschen zu Bewegung und
Wohlbefinden.
5. Subjektorientierung: Die Verschie-
bung des Verhältnisses vom Subjekt
zum Objekt entscheidet in allen Lebens-
bereichen darüber, wer Koch und wer
Kellner in der IAL 4.0 sein wird. Die Sub-
jektperspektive stellt den Menschen als
gestaltende und entscheidende Autorität
über die cyber-physischen Systeme. Art
und Umfang der Nutzung, Orientierung
im Prozess der Kooperation von Mensch
und Maschine, Kaufentscheidungen ver-
bleiben in der Hoheit des Menschen.
6. Objektorientierung: Die Objektper-
spektive stellt den Menschen hingegen
unter das Diktat der Maschinensysteme.
Autonomie und Souveränität gehen in
der personalisierten Nutzung von „Filter
Bubble“ (Eli Pariser) aller Art verloren.
Die Menschen erledigen Aufgaben, für
die die Technisierung und Digitalisie-
rung entweder zu teuer oder technisch
noch nicht wirtschaftlich gestaltbar ist.
Souverän sind in dieser Perspektive die
cyber-physischen Systeme, nicht der
Mensch.
Wie die IAL 4.0 die Personal­
entwicklung verändert
Wer im Zuge der Digitalisierung souve-
rän bleiben möchte, dem verlangen die
oben skizzierten, neuen Arbeitsbedin-
gungen zweierlei ab: den unmittelbaren
Transfer von Können in konkrete Hand-
lungen einerseits und die Befähigung,
bei Veränderungen neue Aufgaben zu
übernehmen andererseits. Hier ist das
HR-Management und speziell die Perso-
nalentwicklung mit Bildung, Förderung
und Organisationsentwicklung gefor-
dert, die Menschen so zu qualifizieren
und auch so zu motivieren, dass sie in
Brot und Arbeit bleiben.
Aus den beiden wichtigen Anforde-
rungen an die Mitarbeiter ergibt sich
ein dualer Charakter der Personalent-
wicklung in der IAL 4.0. Neben der ope-
rativen Transferbefähigung muss sie
also auch die Fähigkeit zum „Prinzipien-
transfer“ in neue Tätigkeiten vermitteln.
Diese Befähigung kann man als „Good
Educational Slack“, als Umstellungsre-
serve, bezeichnen. Es ist die Befähigung,
Wissen und Können in andere und neue
Tätigkeiten zu transformieren.
Die Personalentwicklung gewinnt da-
mit in der IAL 4.0 an Bedeutung – doch
sie muss sich inhaltlich verändern, um
den veränderten Ansprüchen der neuen
Arbeits- und Lebenswelt gerecht zu wer-
den: Personalentwickler werden künftig
als Facilitatoren, als Lern- und Entwick-
lungsberater vor Ort, als Kulturagenten,
als Unterstützer der sozio-technischen
Systemgestaltung arbeiten. Kernkom-
petenz der IAL 4.0 wird die Fähigkeit
sein, das Tempo und die Präzision der
Beschaffung, Nutzung und Veränderung
von Informationen dem jeweils situa-
tiven Bedarf anzupassen.
Tätigkeits- und Anforderungsanalyse
als Voraussetzung
Ausgangspunkt der Personalentwick-
lung 4.0 ist die Analyse der Tätigkeiten
und der Anforderungen: Was bleibt un-
verändert, was kommt hinzu, welche Tä-
tigkeiten werden nicht mehr benötigt?
Die Analyse der Anforderungen erhebt
die fachlichen Anforderungen, die ins-
besondere Daten-, Netzwerk-, Cloud- und
Prozessbefähigung umfassen. Die per-
sönlichen Anforderungen werden sich
auf Kooperationsfähigkeit, Netzwerkbe-
fähigung, Denken in Zusammenhängen
und Ambiguitätstoleranz konzentrieren.
Die Tätigkeiten und Anforderungen sind
in Stellenbündeln zusammenzufassen.
Als weitere Befähigungen kommen die
Fähigkeit im Umgang mit Komplexität,
Dynamik und Unsicherheit hinzu.
Um diese zu erreichen, müssen Per-
sonalentwickler die Weiterbildung
künftig verstärkt arbeitsplatznah, ar-
beitsintegriert und kurzzyklisch organi-
sieren. Arbeitsintegriertes Lernen (AIL)
wird an Bedeutung gewinnen, weil die
Transferstrecke zwischen Lernen und
Anwenden verkürzt wird. „Brown-Bag-
Training-Units“, informelle Trainings am
Arbeitsplatz, dienen der Echtzeit-Einwei-
sung in die Arbeit. Die Weiterbildung
muss Cloud-Befähigung aufbauen und
anforderungsgerecht verändern.
Auch und speziell der Führungskräf-
teentwicklung wird in der IAL 4.0 eine
wichtige Aufgabe zukommen – denn die
Führung wird sich in der IAL 4.0 stark
verändern, man kann sogar sagen, sie
wird sich revolutionieren: Führung wan-
delt sich zum „Führen mit der Binde vor
den Augen“, was meint, dass die Füh-
rungskräfte Spezialisten führen müs-
sen, deren fachliche Expertise sie nicht
verstehen. Die Rolle der Führungskräf-
te reduziert beziehungsweise verlagert
sich dadurch auf das Facilitating des
Arbeitssystems. Klimaarbeit und die Er-
Die Gewinner der IAL
4.0 sind die, die der Re-
volution den Odem ein-
hauchen: Informatiker,
Techniker, Logistiker
– aber auch Mitarbeiter
neuer Unternehmen.
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