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TITEL
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INDUSTRIE 4.0
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
D
igitalisierung und Industrie 4.0
sind die Schlagworte des Au-
genblicks. In der Fachpresse,
auf Konferenzen und Messen
dominieren Themen rund um die „Vierte
Industrielle Revolution“. Eine Bestands-
aufnahme zeichnet ein ambivalentes Bild
von deren Status Quo: Zwar ist noch vieles
fernes Rauschen einer noch nicht Reali-
tät gewordenen Zukunft 4.0. Gleichzei-
tig ist die Arbeits- und Lebenswelt aber
bereits in vielfacher Weise von der Digi-
talisierung durchdrungen: Das Navigati-
onssystem hat die Straßenkarte abgelöst,
Fensterläden folgen dem Sonnenstand,
„Picker“ bei Amazon greifen die Versand-
artikel, die Roboter ihnen darbieten.
Es bleiben Unwissenheit und Unsi-
cherheit, welche Vor- und Nachteile die
digitale Revolution wohl bringen mag.
So ist es etwa noch nicht geklärt, wel-
che Anforderungen die Digitalisierung
an die Arbeitnehmer stellt und welchen
Beitrag das Bildungswesen und die Per-
sonalentwicklung leisten müssen, damit
dieMenschen angstfrei undmotiviert die
neuen Herausforderungen annehmen.
Welche Prinzipien, Handlungsfelder
und Personalentwicklungsinstrumente
der Industrie, Arbeits- und Lebenswelt
4.0 (IAL 4.0) zugrunde liegen, soll dieser
Beitrag zeigen.
Begriffsklärung:
IAL 4.0 und Internet der Dinge
Beginnen wir mit einer Begriffsklärung:
Die Bezeichnung 4.0 leitet sich aus den
Entwicklungsstufen der Industriegesell-
Von
Manfred Becker
schaft ab, die mit Elektrifizierung (Stufe
1), Massenfertigung (Stufe 2), Softauto-
mation (Stufe 3) und nun mit Big Data
in die vierte Entwicklungsstufe eintritt.
Die IAL 4.0 wird als „Internet der Din-
ge“ beschrieben, was meint, dass Milliar-
den Geräte permanent beziehungsweise
latent miteinander verbunden sind bezie-
hungsweise verbunden werden könnten.
Das Internet gestaltet die Beziehungen
der miteinander verbundenen Welt der
Dinge, indem Kontakte hergestellt, ge-
halten, verändert, abgebrochen und neu
begonnen werden. Die Informationen
liefern die in die Geräte und Maschinen
inkorporierten Minicomputer. Sensoren
erfassen den Zustand der physischen
Objekte, der Beziehungen und der
menschlichen Handlungen. Das Inter-
net speichert die Aggregatzustände von
Personen, Beziehungen, Geräten und
Umgebungen. Neben dem Internet der
Dinge gehören auch Big Data und Cloud
Reality, also die Realität, die sich durch
die in der Cloud gespeicherten Daten er-
geben, zu den Schlagworten der IAL 4.0.
Die IAL 4.0 zeichnet sich dadurch aus,
dass die miteinander verbundenen Ob-
jekte selbstreferentiell organisiert sind,
das heißt: Sie haben sich gewissermaßen
selbst permanent im Blick, bieten Anfor-
derungen und Lösungen an, sorgen für
die Funktionsfähigkeit der physischen
Geräte, managen Schnittstellen zwi-
schen Menschen und Menschen, Men-
schen und Maschinen und Maschinen
und Maschinen. Verbesserungen wer-
den in der Cloud gespeichert und nicht
vergessen. Die Optimierungspotenz der
IAL 4.0 schließt die Effektivität und die
Auf dem Weg zur Industrie 4.0
ÜBERBLICK.
Alle reden über Digitalisierung und Industrie 4.0. Was steckt hinter den
Konzepten und wie wirken sie sich auf (HR-)Arbeit und Leben aus? Einige Thesen.
Effizienz der Lösungen ebenso ein wie
die erforderliche Befähigung der Ma-
schinen und der Menschen. Hier kommt
das HR-Management und speziell die
Personalentwicklung ins Spiel. Welche
Anforderungen sich durch die IAL 4.0 im
Einzelnen geben, werde ich im Laufe des
Textes genauer beschreiben.
Doch bevor ich die Frage beantworten
kann, was die Menschen in Zukunft ler-
nen sollten, möchte ich einige Thesen
zur Frage vorstellen, welche Aufgaben in
Zukunft überhaupt noch von Menschen
übernommen werden beziehungsweise
wie die künftige Aufgabenverteilung
zwischen Mensch und Maschine ausse-
hen wird: Wer wird Koch und wer Kell-
ner? Wird der Mensch sein Berufs- und
Privatleben eigenverantwortlich und
souverän gestalten können? Oder wird
der Mensch zum Sklaven der Maschi-
nensysteme degradiert werden?
Thesen: Sechs Prinzipien der IAL 4.0
Die einleitenden Fragen und Beispie-
le haben bereits einige Merkmale der
IAL 4.0 gezeigt: Sie ist durch Echtzeit-
Erleben, punktuelle Funktionalität, der
Integration von realer und virtueller
Welt, Komplexität, Dynamik und Unsi-
cherheit gekennzeichnet. Zusätzlich zu
diesen Gestaltungsaspekten bestimmen
weitere Prinzipien die IAL 4.0. Welche
Prinzipien es bei der humanen und
wirtschaftlichen Ausgestaltung der IAL
4.0 zu prüfen gilt und welche Aussagen
diese über die Zusammenarbeit von
Mensch und Maschine zulassen, werde
ich im Folgenden erläutern.
1. Substitution menschlicher Intelli-
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...84
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