17
12/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
munterung zu Innovation, Loyalität und
Leistungsbereitschaft, sind Elemente
der Führung in der IAL 4.0.
Ausbildung 4.0: aus der Cloud, nicht
aus der Mottenkiste
Zuguterletzt bedarf auch die duale Be-
rufsausbildung für die IAL 4.0 einer Ge-
neralüberholung. Die Ausbildungsinhalte
müssen überarbeitet werden in Hinblick
auf Methodenkompetenz, Denken in Zu-
sammenhängen, Lernen an cyber-physi-
schen Systemen. Auf der Agenda steht
ein Berufsschulunterricht aus der Cloud
statt aus der Mottenkiste. Die Berufsaus-
bildung muss modularisiert und mit der
Weiterbildung verzahnt werden.
All das gibt es natürlich nicht umsonst;
Die Länder als Träger der berufsbilden-
den Schulen stehen vor großen Investiti-
onen in das didaktische Equipment und
in die Qualifikation der Lehrer. Die Ar-
beitswelt 4.0 setzt auf Heterogenität, In-
dividualität und Situationsgerechtigkeit
der Aufgabenerledigung. Das Tempo der
Veränderungen, das Erfordernis situa-
tiver Flexibilität machen es erforderlich,
die Berufsausbildung umfassend zu re-
formieren.
IAL 4.0: Renaissance für die
Organisationsentwicklung
Die IAL 4.0 kann als Orchestrierung der
Informationen, Befähigungen und Be-
ziehungen beschrieben werden. Das ist
Aufgabe der Organisationsentwicklung,
die bei der Etablierung der IAL 4.0 in
Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung
ebenfalls gefordert ist. Es gilt zunächst,
die erforderlichen Strukturen, Prozesse
und Beziehungen neu zu bestimmen.
Das Prinzip der Kontinuierlichen Ver-
besserung und Innovation (KVP) ge-
winnt an Bedeutung. Das ganzheitliche
systemische Geflecht der Beziehungen
bringt es mit sich, dass Veränderungen
an einer Stelle des Systems stets Aus-
wirkungen auf andere Elemente des Sys-
tems und auf das Gesamtsystem haben.
Variabilität und Kontingenz der Struk-
turen, Prozesse, Personen, Beziehungen
nehmen zu. Wenn Wissen und Können
in der Arbeitswelt 4.0 stets situativ neu
zusammengefügt werden, dann sind sta-
bile soziale Beziehungen aufzubauen.
Die Organisationsentwicklung erfährt
so eine Renaissance in der IAL 4.0.
Ein Beispiel für eine zukunftswei-
sende Organisationseinheit sind die
sogenannten „Communities of Prac-
tice“ (CoP): Sie sind Lern- und Ar-
beitsgemeinschaften, die sich dadurch
auszeichnen, dass deren Mitglieder
miteinander arbeiten, füreinander ein-
stehen, gemeinsam lernen, emotional
und intellektuell miteinander verbun-
den sind, ihre Aktivitäten als Gemein-
schaft ausführen, gesamtschuldnerisch
verantworten und Erfolge als Gemein-
schaft erzielen.
Die Mitglieder von CoP finden sich
freiwillig zusammen, lernen und arbei-
ten zusammen, sie kommunizieren of-
fen, erkennen gegenseitig ihre Expertise
an, betonen Wissen und Können. CoP-
Mitglieder leben das „Management of
speed“, das die IAL 4.0 kennzeichnet.
Ausblick in die IAL 4.0
Das Beispiel der CoP zeigt, was die IAL
4.0 allgemein charakterisiert: Arbeits-
gruppen und Kooperationen entstehen
ad hoc über Abteilungs- und Organi-
sationsgrenzen hinaus. Sie dienen der
Integration der Leistung aus vielen
Quellen. Ist diese Zusammenarbeit erst
einmal eingeübt, nimmt in der IAL 4.0
die Möglichkeit, Unzulänglichkeiten
wie Fehlerrate, Terminverschiebungen,
Überstunden, Kundenreklamationen
und so weiter auf die Formalorganisa-
tion abzuschieben, drastisch ab. Gegen-
seitige Schuldzuweisungen, Hinweise
darauf, dass die Dinge in der Hierarchie
steckenbleiben, werden nicht mehr in
dem Maße zu hören sein, wie dies in
der Hierarchie der Massenindustrie
möglich gewesen ist.
Dabei spielt auch die Individualisierung
eine große Rolle: Jeder nimmt in der IAL
4.0 seine Aufgaben professionell wahr, ist
zur Zusammenarbeit bereit und gestaltet
die gemeinsame Nutzung von Systemen
und Informationen produktiv mit – auch,
wenn sie nicht formal der Organisation
angehören: Die „Smart-Worker, „Click-
Worker“ oder „Crowd-Sourcer”, die freibe-
ruflichen „Humanvermögenskapitalisten
(HUKA)“, füllen künftig die Systeme der
IAL 4.0 mit Wissen und entwickeln die
Systeme substanziell weiter. Die Weiter-
bildungsbereitschaft dieser „Ideenfarmer
der IAL 4.0“ entscheidet über deren Re-
allohnoptionen auf dem fluiden Arbeits-
markt der Zukunft.
PROF. MANFRED BECKER
ist Organisationsberater und
lehrt an der Martin-Luther-
Universität in Halle.
Die Auswirkungen der Digitalisierung werden kontrovers diskutiert – etwa die Frage,
ob sie mehr Jobs schafft, als sie überflüssig macht. Die Diskussion dreht sich um sechs
Prinzipien. Welche dies sind und was sie beschreiben.
Substitution: Welche Aufgaben werden durch Maschinenarbeit wahrgenommen?
Dequalifizierung: Welche Tätigkeiten verlieren attraktive Anteile an Maschinen?
Status-quo-Erwartung: Welche Tätigkeiten bleiben unverändert?
Höherqualifizierung: Welche Tätigkeiten gewinnen attraktive Anteile hinzu?
Subjektorientierung: Welche Beschäftigtengruppen erreichen mehr Autonomie, Gestal-
tungsfreiraum und Souveränität?
Objektorientierung: Welche Beschäftigtengruppen büßen Autonomie, Gestaltungsfrei-
raum und Souveränität ein?
Sechs Prinzipien der Arbeitswelt 4.0
AUSBLICK