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SPEZIAL
_GESUNDHEITSWESEN
Tempel in ihrem Buch „Arbeitsfähigkeit
2010“. Aktuelle Untersuchungen zeigen
jedoch, dass die Arbeitsfähigkeit in der
Pflegebranche insbesondere bei älteren
Beschäftigten verhältnismäßig niedrig
ist. Das Passungsverhältnis zwischen
Anforderungen und Leistungsfähigkeit
sollte angesichts steigender Belastungen
für die Pflegekräfte im Fokus des Ma-
nagements liegen.
Wie oben beschrieben, ist das dritte
wichtige Handlungsfeld für die Mitar-
beiterbindung die Kompetenzentwick-
lung. Auf lange Sicht kommt es dabei
auch auf Kompetenzen der Pflegekräfte
in nichtfachlichen Bereichen an. Es gilt,
diese besser zu erfassen und gezielter zu
fördern. Damit steigt ihre Zufriedenheit,
wenn sie das Gefühl haben, dass sie ihre
verschiedenen Kompetenzen erfolgreich
zumEinsatz bringen können. Umso mehr
kommt es in der Pflege in Zukunft auf ei-
ne gezielte Laufbahnentwicklung an.
HR-Management neu ausrichten
Wie lassen sich diese Handlungsfelder
also in das Personalmanagement von
(kleinen) Pflegeunternehmen aufneh-
men? Die Übertragung des Grundgedan-
kens des Total-Quality-Managements
(TQM), den Mitarbeiter als Kunden des
Personalmanagements anzusehen, bie-
tet sich auch dafür an (siehe Grafik).
Selbst kleine Betriebe haben entspre-
chend den gesetzlichen Vorschriften
bereits ein Qualitätsmanagement etab­
liert oder sind zumindest mit dessen
Regularien in der Organisation vertraut.
Entscheidend für das Gelingen ist al-
lerdings das Qualitätsverständnis in
der Organisation: Steht die Qualitätssi-
cherung im Vordergrund, dann liegt es
nahe, dass sich eine Kultur der Kont-
rolle und Fehlervermeidung herausge-
bildet hat, in der die Verantwortlichen
dazu neigen, Gestaltungsspielräume
von Mitarbeitern entweder von vornehe-
rein zu begrenzen oder zu ignorieren.
Besteht dagegen bereits ein gelebter, auf
allen Organisationsebenen aktiv unter-
stützter Kreislauf des „Plan, Do, Check,
Act“ im Sinne einer Qualitätsentwick-
lung (siehe Grafik), dann bietet sich da-
mit eine gute Ausgangslage, diesen um
mitarbeiterbezogene Kriterien zu erwei-
tern und auf die Personalentwicklung
zu übertragen. Das bestätigt unter ande­
rem Beatrice Piechotta in ihrem Buch
„Qualitätsmanagement für psychothera-
peutische Praxen“.
Den systematischen Dialog fördern
Wichtig ist also, einen systematischen
Dialog zwischen Mitarbeitern und Füh-
rungskräften zu fördern. Die Themen
Arbeitsbewältigung und Kompetenzen
sollten Bestandteil dieses Dialogs sein
und in verschiedenen Gesprächssitua-
tionen wie zum Beispiel in Mitarbeiter-
gesprächen aufgegriffen werden. Damit
auch Führungskräfte der unteren Orga-
nisationsebene Verantwortung für einen
solchen systematischen Dialog über-
nehmen können, müssen sie auf diese
Aufgabe vorbereitet werden: durch infor-
mative und sensibilisierende Trainings
auch zu arbeitspsychologischen Themen
und in enger Abstimmung mit den Pfle-
gedienstleitungen.
Zudem muss auch Führungskräften in
der Pflegebranche der Zugang zu Super-
vision und Coaching geöffnet werden,
damit sie ihre Führungsrolle ausfüllen
und eine Vorbildfunktion einnehmen
können. Investitionen in diesem Be-
reich zahlen sich aus, denn sie tragen
langfristig dazu bei, dass Pflegekräfte
länger leistungsfähig bleiben und wenn
sie zufriedener mit den Führungskräf-
ten sind, auch länger im Unternehmen
bleiben. Kosten durch Fluktuation und
hoher Krankenstand lassen sich so deut-
lich reduzieren.
Veränderungen – Schritt für Schritt
Angesichts der Vielzahl der in eine sol-
che Dialogstruktur eingebundenen Ins-
trumente dürfte in Pflegeunternehmen
schnell das Gefühl der Überforderung
eintreten. Mit einer gut überlegten,
schrittweise eingeführten Strategie kann
dieses jedoch klein gehalten werden. Mit
Sicherheit sind im Unternehmen bereits
Instrumente in Benutzung beziehungs-
weise Erfahrungen dazu gesammelt wor-
den. Hier kann angeknüpft werden.
Konkrete Maßnahmen getestet
In dem Forschungsprojekt „Integriertes
Qualitäts- und Personalmanagement in
der Pflege (QPM-Pflege)“ wurden von
Oktober 2012 bis Dezember 2014 in
Kooperation mit zwei Berliner Pflegeun-
ternehmen Bedingungen für die Integ­
ration des Qualitäts- und Personalma-
nagements analysiert und Ansätze für
eine nachhaltige und demografietaugli-
che Steuerung entwickelt.
Dazu wurden zunächst die Funkti-
onsbeschreibungen der Führungskräfte
betrachtet, wobei die Analyse der an sie
gestelltenAnforderungen imMittelpunkt
stand. Diese wurde dann durch eine
Selbsteinschätzung der Führungskräfte
ergänzt. Angesichts eines bisher zu un-
klaren Führungsauftrags erfolgte eine
Neuabgrenzung der Zuständigkeiten
zwischen der zentralen Pflegedienstlei-
tung und der mittleren Führungsebene,
die in den entsprechenden Funktionsbe-
schreibungen festgehalten wurde.
Überprüft wurde in den am Projekt be-
teiligten Unternehmen auch, wie regel-
mäßig Mitarbeitergespräche geführt und
wie sie ausgewertet wurden. Es erfolgte
eine Überarbeitung des Gesprächsleitfa-
dens. Im ambulanten Pflegebetrieb soll
die mittlere Führungsebene (Bereichs-
leitungen, die mehrere Pflegeteams un-
ter sich haben) gestärkt und zunächst
intensiver auf die erweiterte Führungs-
verantwortung vorbereitet werden. Dazu
gehören die Nutzung aktualisierter Ge-
sprächsleitfäden und die Berücksichti-
gung eines wertschätzenden Umgangs.
Ziel ist zudem die stärkere Einbindung
der Mitarbeiter in die Lösung im Pflege-
alltag auftretender Probleme.
Im ambulanten Pflegeunternehmen
wurde die Kommunikation und Infor-
mationsvermittlung zwischen der Ein-
satzzentrale und den Pflegeteams auf
den Prüfstand gestellt. Dazu wurden in
1...,52,53,54,55,56,57,58,59,60,61 63,64,65,66,67,68,69,70,71,72,...84
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