personalmagazin 8/2015 - page 68

personalmagazin 08/15
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RECHT
_URTEILSDIENST
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
BVerfG: Blutspendedienst muss Mitbestimmung zulassen
Es verstößt nicht gegen die Verfassung,
wenn das oberste deutsche Arbeitsge-
richt einen Blutspendedienst nicht als
karitativen Tendenzbetrieb anerkennt.
Zwar sei die Organisation als gemein-
gericht (BAG) bereits 2012. Das Bundes-
verfassungsgericht hat nun die Verfas-
sungsbeschwerde gegen das BAG-Urteil
bereits im Vorfeld abgelehnt und nicht
zur Entscheidung angenommen.
nützig registriert und genießt steuer-
rechtliche Vorzüge, arbeitsrechtlich kön-
ne sich die Gesellschaft jedoch nicht auf
eine Sonderstellung als Tendenzbetrieb
berufen, entschied das Bundesarbeits-
URTEIL DES MONATS
In der BAG-Entscheidung ging es darum, einen Wirtschaftsausschuss
im Unternehmen zu bilden. Für Tendenzbetriebe finden die Vor-
schriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zum Wirtschafts-
ausschuss jedoch keine Anwendung. Auf den Tendenzschutz können
sich nur die Arbeitgeber berufen, die die Voraussetzungen des §
118 BetrVG erfüllen. Das BAG hatte in seiner Entscheidung den in
der Vorschrift enthaltenen Begriff „karitativ“ eng ausgelegt. Ein Un-
ternehmen diene nur dann unmittelbar karitativen Bestimmungen,
wenn der Tendenzzweck in dem Unternehmen selbst verwirklicht
wird. Der Dienst der Organisation müsse danach den leidenden
Menschen direkt zugutekommen.
Diese enge Auslegung verstoße nicht gegen die Verfassung,
entschied nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). So könne
sich der Blutspendedienst nicht auf Artikel 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG
berufen. Zwar werde das Unternehmen von einer übergreifend
karitativ-humanitären Bestimmung geleitet. Eine religiöse oder
weltanschauliche Dimension sei jedoch kein bestimmendes Element
der Tätigkeit, begründeten die Verfassungsrichter ihre Entscheidung.
Das BAG-Urteil beruhe auch nicht auf sachfremden und damit
willkürlichen Erwägungen. Vielmehr folge das BAG anerkannten
Grundsätzen. Nicht zuletzt schränke das BAG-Urteil auch nicht die
BAG FRAGT EUGH
ZUSAMMENFASSUNG
Mit den Auswirkungen einer sogenannten
dynamischen Bezugnahmeklausel beim Betriebsübergang hatte sich
das BAG zu beschäftigen. Ob dessen Auslegung – die Richter sehen
den Erwerber eines Betriebsteils an eine solche Klausel gebunden,
als habe er diese selbst mit dem Arbeitnehmer getroffen – mit EU-
Recht vereinbar ist, muss nun vorab der EuGH klären.
RELEVANZ
Spannend ist die Wirkung der dynamischen Bezugnahme-
klausel – grob gesagt, des arbeitsvertraglichen Verweises auf einen
Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung – bei einem Betriebs-
übergang, wenn für den Erwerber andere Tarifwerke gelten. Die
BAG-Rechtsprechung geriet in Konflikt mit der „Alemo-Herron“-Ent-
scheidung des EuGH. Dieser kann nun seine Auslegung präzisieren.
BVERFG ZUM MINDESTLOHN
ZUSAMMENFASSUNG
Mit zwei anderen Verfassungsbeschwerden
gegen das Mindestlohngesetz wies das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) auch jene von 14 ausländischen Transportunternehmen
als unzulässig ab. Die Betriebe wehrten sich gegen die Pflicht, den
– auch nur kurzfristig – im Inland beschäftigten Arbeitnehmern den
Mindestlohn zu zahlen und Meldungen nachzukommen.
RELEVANZ
Die Aufmerksamkeit war der Transportbranche sicher, als
die Mindestlohnpflicht im Transitverkehr sogar auf europäischer Ebe-
ne diskutiert wurde. Das BVerfG äußerte sich nun nicht inhaltlich zu
der Beschwerde, da die Fachgerichte vorrangig zuständig sind. Das
BVerfG gab aber schon wichtige Fragen vor, die sich die Fachgerichte
stellen müssen – bevor zuletzt doch wieder das BVerfG entscheidet.
Berufsfreiheit (Art. 12 GG) in unzumutbarer Weise ein. Dem Verfas-
sungsgericht fehlten letztlich auch Anhaltspunkte dafür, dass die
Tätigkeit des Blutspendediensts durch die Bildung eines Wirtschafts-
ausschusses in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde..
Blut abnehmen: Ein entsprechender Dienst ist kein Tendenzbetrieb.
Quelle
BVerfG, Beschluss vom 30.4.2015, Az. 1 BvR 2274/1
Quelle
BVerfG, Beschluss vom 25.6.2015, Az. 1 BvR 555/15
Quelle
BAG, Besschluss vom 17.5.2015, Az. 4 AZR 61/14 (A)
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