personalmagazin 8/2015 - page 60

personalmagazin 08/15
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SPEZIAL
_GESUNDHEITSWESEN
zur Verfügung. Diese kümmern sich um
Details wie die Wohnungssuche, Behör-
dengänge oder unterstützen auch Ange-
hörige bei der Stellensuche.
Alternative Qualifizierung
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in
manchen Ländern Überkapazitäten an
arbeitssuchenden Pflegefachkräften. Hier
bietet die Dekra Akademie ein zweites
Qualifizierungsmodell für Träger, die den
Rekrutierungs- und Integrationsaufwand
bereits examinierter Pflegefachkräfte
selbst nicht leisten können. In Serbien
starteten im vergangenen November 100
Krankenschwestern und -pfleger in ein
Programm, das zwischen einem und ein-
einhalb Jahre dauert. Hierbei besuchen
sie einen Sprachkurs, der sie auf Niveau
Telc B2 bringt, und erwerben Fachwis-
sen, das für die Anerkennung noch fehlt.
Ein zweiwöchiger Intensivkurs an einer
Krankenpflegeschule in Deutschland be-
reitet die Fachkräfte auf die praktische
und mündliche Prüfung zur Berufsan-
erkennung vor. Dieses Programm ist in
weiteren europanahen Drittstaaten und
ausgewählten Ländern Asiens im Aufbau.
Alle Beteiligten gewinnen
Wie viele neue Mitarbeiter die Arbeit-
geber im Ausland qualifizieren lassen,
unterscheidet sich von Fall zu Fall. Die
meisten von ihnen haben das Ausbil-
dungs- und Qualifizierungsprogramm
jedoch fest in ihrer langfristigen Per-
sonalstrategie verankert, da es ihnen
Planungssicherheit bietet. Im Gegen-
satz zur klassischen Rekrutierung im
Ausland wissen sie nun genau, dass
sie zu einem festen Zeitpunkt mit einer
konkreten Anzahl neuer Pflegefachkräf-
te rechnen können, die anerkannt und
individuell auf die Arbeit in ihrem Haus
vorbereitet sind. Dies bedeutet Sicher-
heit, auch für die Bewerber.
Bei der Entwicklung der zwei unter-
schiedlichen Qualifizierungsansätze
stand der sogenannte Triple-Win-Ansatz
im Vordergrund: Nicht nur die Fachkraft
und der Arbeitgeber beziehungsweise der
deutsche Arbeitsmarkt sollen profitieren,
sondern auch das Herkunftsland. Durch
die Ausbildung und den Abschluss in der
Heimat können Teilnehmer später ohne
Probleme an den dortigen Arbeitsmarkt
zurückkehren und arbeiten. Gleichzeitig
fördert es den Transfer von Know-how
und vermeidet Braindrain in den betrof-
fenen Ländern.
personalmagazin:
Von der Architektur zur
Altenpflege, das ist kein naheliegender
Schritt. Warum haben Sie sich für die
Ausbildung im Bereich Altenpflege
entschieden?
Karolin Nagy:
Die Entscheidung war na-
türlich nicht leicht für mich. Aber als
Architektin habe ich in Ungarn keine
Stelle gefunden, also habe ich mich nach
Alternativen umgesehen. Bei der Stel-
lensuche im Internet bin ich auf diese
Ausbildung gestoßen. Die Möglichkeit,
einen Beruf zu erlernen und gleichzei-
tig eine Jobgarantie zu haben, hat mich
neugierig gemacht und dann überzeugt.
Und ja, Altenpflege ist etwas völlig ande-
res als Architektur. Aber meine Mutter
ist auch Pflegerin und so hatte ich schon
eine Vorstellung von dem Beruf und den
Anforderungen. Außerdem arbeite ich
neben der Ausbildung in einer Einrich-
tung für Kinder mit körperlichen und
geistigen Behinderungen.
personalmagazin:
Würden Sie die Ausbil-
dung noch einmal beginnen?
Nagy:
Ja. Aber ich freue mich auch, wenn
ich in zwei Jahren fertig bin. Vor allem
die ersten Monate waren anstrengend,
denn ich bin im Februar in einen Kurs
eingestiegen, der schon im Herbst 2013
begonnen hat. Ich bin froh, dass ich
diese Möglichkeit hatte, doch mit Inten-
siv-Nachholstunden die ersten Monate
aufzuarbeiten, war dann eben auch be-
sonders belastend. Zum Glück habe ich
schon in der Schule Deutsch gelernt, so-
dass die bisherigen Teile des Sprachkur-
ses eher eine Auffrischung waren. Mei-
ne Lehrer sind sehr motivierend und
Von Architektur zur Altenpflege
INTERVIEW
Die 25-jährige Karolin Nagy hat in Ungarn Architektur studiert. Da sie in ihrem Beruf
keine Stelle fand, begann sie eine Ausbildung im Bereich Altenpflege.
Das Interview führte
Ulla Laux.
mir gefällt, dass sie uns sehr unterstüt-
zen und auch offen für Probleme sind.
personalmagazin:
Was erwarten Sie von der
Arbeit in Deutschland?
Nagy:
Mit der Ausbildung kann ich voll in
das Berufsleben und vor allem in einen
erlernten Beruf einsteigen. Die Alterna-
tive in Ungarn wäre eine fachfremde Tä-
tigkeit gewesen. Ich war schon mehrmals
als Touristin in Deutschland. Natürlich
ist es etwas anderes, wenn man in einem
anderen Land lebt und arbeitet. Aber es
hilft mir, zumindest eine Vorstellung zu
haben, wohin ich gehe. Außerdem wer-
de ich nicht alleine sein, denn meine 29
Klassenkameraden gehen dann mit mir
zum gleichen Arbeitgeber.
KAROLIN NAGY
ist
seit Februar 2014
eine der Teilneh-
merinnen der
Altenpflege-Ausbil-
dung in Ungarn.
DIETMAR METZGER
ist Leiter Geschäfts-
entwicklung International, Dekra Akademie.
THOMAS BASTIAN
ist Leiter Gesundheits-
und Sozialwesen, Dekra Akademie.
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