personalmagazin 8/2015 - page 52

52
ORGANISATION
_AUSLANDSENTSENDUNG
personalmagazin 08/15
entsendende Unternehmen als gut oder
sehr gut. Insbesondere zeigt sich, dass
gerade die Maßnahmen, die Unterneh-
men am häufigsten zur Unterstützung
ihrer Expats nutzen, bei Weitem nicht
die effektivsten sind oder auch nachläs-
sig gewährt werden. Im Einzelnen:
• Interkulturelle Trainings: Vorbereiten-
de Maßnahmen wie interkulturelle Trai-
nings oder Sprachunterricht halten zwar
71 Prozent der Angehörigen für wichtig.
Ganze 85 Prozent der Befragten erachten
diese jedoch nur dann als sinnvoll, wenn
sie nicht nur zur Vorbereitung, sondern
auch während des Auslandsaufenthalts
stattfinden. Eine kontinuierliche Beglei-
tung ist bis dato jedoch eher die große
Ausnahme als eine gängige Praxis.
• Finanzielle Hilfe zur Weiterentwick-
lung oder zur Tätigkeit des Partners:
Was ihre berufliche Weiterentwicklung
angeht, empfinden 76 Prozent der mit-
reisenden Partner eine Unterstützung
durch das Unternehmen grundsätzlich
als wünschenswert. Überraschend ist
jedoch, dass davon nur knapp die Hälfte
eine finanzielle Hilfe für das Aufnehmen
einer bezahlten oder ehrenamtlichen Tä-
tigkeit favorisiert. Dies scheint – obwohl
es zu den Standardangeboten vieler Fir-
men zählt - für die Zufriedenheit der Fa-
milien im Gastland nur eine untergeord-
nete Rolle zu spielen.
• Ganzheitliche Coaching- oder Mento-
renprogramme: 90 Prozent der Befrag-
ten meinen, ein ganzheitliches Coa-
ching- oder Mentorenprogramm könnte
einen nicht unwesentlichen Einfluss
auf die erfolgreiche Eingewöhnung der
Familie im Ausland haben. Betrachtet
man jedoch die gängigen Unterstüt-
zungsmaßnahmen, taucht gerade das
in der derzeitigen Unternehmenspraxis
kaum auf. Stattdessen werden in vielen
Mobility Centern einzelne Leistungen
von verschiedenen Anbietern scheinbar
wahllos miteinander kombiniert.
McNultys Studie beweist, dass ein
kontinuierliches, ganzheitliches und
nachhaltiges Unterstützungskonzept zur
langfristigen Zufriedenheit im Gastland
beiträgt. Und je zufriedener die Ange-
hörigen, desto fokussierter, engagierter
und produktiver die Mitarbeiter. Das be-
stätigt auch Kai Probst, ehemaliger Spre-
cher der Geschäftsführung des Tüv Süd:
„Die Zufriedenheit der mitreisenden
Angehörigen im Ausland ist nicht nur
für den entsandten Mitarbeiter, sondern
auch für das Unternehmen erfolgsrele-
vant. Die Firma, die hier nicht Acht gibt,
spart an der falschen Stelle - im „worst
case“ ist das Projekt gescheitert und der
Mitarbeiter wechselt zum Wettbewerb.“
Coaching- und Trainingsprogramme
müssen passen
Dennoch entscheiden sich noch immer
viele entsendende Unternehmen für
scheinbar bewährte Maßnahmen wie
Sprachkurse und interkulturelle Vorbe-
reitungsseminare. Die helfen den Expats
zwar, sich in ihrem Gastland besser ver-
ständigen zu können und geben zumin-
dest einen ersten Einblick in die Gast-
kultur. Sind die Betroffenen dann aber
vor Ort, stellen sich gerade vorberei-
tende Seminare und Workshops häufig
als nur begrenzt nützlich heraus. Denn
die gelernten Inhalte sind zum Zeit-
punkt der Maßnahme für die meisten
Auslandsreisenden noch nicht relevant.
Kommt es dann später im Gastland zu
kulturell bedingten Stresssituationen,
sind die Informationen nicht abrufbar –
der Praxistransfer fehlt, die Maßnahme
verliert ihre Wirkung.
Einige Unternehmen tragen mittler-
weile zumindest den veränderten Fami-
lienmodellen Rechnung. Sie bieten den
mitreisenden Partnern auf Wunsch ein
gezieltes Karrierecoaching an oder fi-
nanzieren eine Weiterbildung während
GYÖNGYI VARGA
ist trans-
kultureller Coach und arbeitet
als Beraterin und Trainerin für
interkulturelle Kommunikati-
on und Kompetenz unter anderem bei der
Haufe Akademie.
der Auslandszeit, die helfen soll, sich
beruflich weiterzuentwickeln oder sich
später wieder nahtlos in den Berufsall-
tag zu integrieren. Ob und wie wirk-
sam diese Maßnahmen jedoch auf die
Dauer tatsächlich sind, hängt von vie-
len Faktoren ab. McNultys Studie lässt
zumindest daran zweifeln, dass sie den
Betroffenen in ihrer aktuellen Lebenssi-
tuation weiterhilft.
Kontinuität, Nachhaltigkeit und ein
ganzheitlicher Ansatz sind in der heu-
tigen Unternehmenspraxis jedoch im-
mer noch die Ausnahme. Da sich aber
gerade durch eine Auslandsentsendung
alle Lebensbereiche verändern und der
Alltag der Familie manchmal völlig auf
den Kopf gestellt wird, sollten gerade
das Anforderungen an eine moderne und
bedarfsgerechte Betreuung der entsende-
ten Mitarbeiter und deren Familien sein.
Wer als HR-Verantwortlicher die best-
möglichen Voraussetzungen für gelun-
gene Auslandsprojekte schaffen möchte,
sollte unbedingt die Bedürfnisse der
mitreisenden Angehörigen einbeziehen
– und dann einen kritischen Blick auf
sein aktuelles Unterstützungsangebot
werfen. Stellt sich dabei heraus, dass
interkulturelles Tagestraining und pri-
vater Sprachunterricht nicht ganz die
Erwartungen der entsandten Familien
treffen, könnte ein ganzheitliches virtu-
elles Coachingprogramm für mitreisen-
de Angehörige eine lohnenswerte und
nachhaltige Alternative sein.
ADD-ON
Einen Einblick in das Online-Coaching
und einen kostenlosen Testzugang für
unsere Leser finden Sie in unserer App.
CONSTANCE GRUNEWALD-
PETSCHKE,
Geschäftsführerin
der Entsendungsberatung
Abroad in Düsseldorf, ist zer-
tifizierte interkulturelle Trainerin und Coach
und selbst mitreisende Partnerin in Istanbul.
1...,42,43,44,45,46,47,48,49,50,51 53,54,55,56,57,58,59,60,61,62,...84
Powered by FlippingBook