personalmagazin 8/2015 - page 72

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RECHT
_BETRIEBSRAT
personalmagazin 08/15
Das bedeutet: Ohne Zustimmung des
Arbeitgebers darf der Betriebsrat sei­
nen Anwalt außergerichtlich nicht man­
datieren. Er muss nach der Konzeption
des Gesetzes hingegen ein Verfahren
vor den Arbeitsgerichten führen, in dem
die Verpflichtung des Arbeitgebers zur
Zustimmung zu der Mandatierung des
externen Anwalts erreicht werden soll.
Nach dem Gesetz sollen die Kosten von
Sachverständigen gering gehalten und
dem Arbeitgeber die Möglichkeit ein­
geräumt werden, eigene Erkenntnis­
quellen (Mitarbeiter oder vorliegende
Memoranda eines Anwalts) zu nutzen.
Der Betriebsrat kann dem nicht das Ar­
gument der „Befangenheit“ entgegnen.
Ausschließlich in Fällen der Betriebs­
änderung in Betrieben mit mehr als 300
Arbeitnehmern kann der Betriebsrat auch
ohne Zustimmung des Arbeitgebers exter­
ne Berater hinzuziehen. Auch dann ist er
jedoch an die Grenzen der Erforderlich­
keit im Sinne des § 40 BetrVG gebunden.
Konsequenz: Haftet der Betriebsrat?
Werden die geschilderten Grenzen bei
der Mandatierung vom Betriebsrat nicht
eingehalten, ist es wie sonst im Leben
auch: Wer Grenzen überschreitet, haftet
dafür. Tatsächlich haftet das handeln­
de Betriebsratsmitglied dem externen
Sachverständigen gegenüber für das Ho­
norar, ohne dass damit ein Freistellungs­
anspruch gegen den Arbeitgeber ver­
bunden wäre. Nach Auffassung von BAG
und BGH ist dies der Preis einer freien
Gesellschaft – wer handelt, muss auch
die Konsequenzen tragen. Dies ist kein
Verstoß gegen den Grundsatz, wonach
das Betriebsratsamt nicht mit finanziel­
len Nachteilen oder Vorteilen verbunden
sein darf. Denn dies gewährt keine Nar­
renfreiheit oder Generalfreistellung.
Allerdings kommt die Haftung fast nie
zum Tragen. Zum einen wird der Anwalt
denjenigen, der regelmäßig Mandate
bringt, nicht in Haftung nehmen. Zum
anderen kann sich der Betriebsrat ge­
genüber dem externen Anwalt darauf
berufen, dass für diesen die Unzulässig­
keit der Mandatierung erkennbar war.
Weiche Faktoren sind Teil des Streits
Abschließend sei darauf hingewiesen,
dass häufig auch weiche Faktoren den
Streit über das Honorar des Betriebs­
ratsanwalts bestimmen. So ist der Ar­
beitgeber meist strengen Vorgaben für
die Auftragsvergabe unterworfen. Die
eigenen Anwälte müssen sich also in
„Beauty Contests“ und Vergabeverfah­
ren bewähren. Betriebsratsgremien
entscheiden hingegen freihändig. Die
Unternehmensrichtlinien sind freilich
nicht anwendbar. Die Mandatsentschei­
dung des Betriebsrats ist oft schon des­
halb für den Arbeitgeber ein rotes Tuch.
Hinzu kommt die Geheimniskrämerei,
die manche Betriebsratsanwälte um ihre
Tätigkeit machen. Oft weigern sie sich,
die Honoraransprüche so zu belegen,
wie dies nach der BGH-Rechtsprechung
erforderlich ist. Unter Hinweis auf die
anwaltliche Verschwiegenheitspflicht
werden Angaben zu zeitlichem Umfang
und Inhalt der Beratung selbst bei Stun­
densatzvereinbarungen verweigert. Dies
führt jedoch nur dazu, dass Arbeitgeber
die Rechnung mangels unzureichender
Substanziierung nicht zu zahlen haben.
Letztlich dürfte ein Stundenhonorar
der Betriebsratsanwälte in der Regel
nicht erforderlich sein. Nach RVG gibt es
wiederum viel Raum für Streit. Insofern
wäre eine einheitliche Linie der Gerichte
oder die Aufgabe der gesetzgeberischen
Zurückhaltung angebracht. Ein leidiges
Streitthema würde so beseitigt.
BERND WELLER
ist Fach-
anwalt für Arbeitsrecht und
Partner der Sozietät Heuking
Kühn Lüer Wojtek.
Die Vereinbarung von Stundensätzen ist in der Praxis zwar üblich, steht aber rechtlich
auf tönernen Füßen. Zumal die vorgebrachten Argumente nicht überzeugen.
In der Praxis werden Stundensätze für Betriebsratsanwälte bisweilen von Arbeitsgerich-
ten mit den folgenden Argumenten gutgeheißen:
Ein Stundensatz in der konkreten Höhe (200 bis 300 Euro) sei üblich,
auch der Arbeitgeber zahle seinem anwaltlichen Berater ein Stundenhonorar und
auf dem Markt sei kein Betriebsratsanwalt bereit, ein Mandat anzunehmen, das nicht
auf Stundenbasis vergütet werde.
Das erste Argument ist bei näherer Betrachtung kein Argument, sondern ein Tatsachen-
befund. Er hat allerdings keinerlei Aussagekraft. Dass eine bestimmte Honorarabrede
mit Zustimmung des Arbeitgebers in der Praxis häufig getroffen wird, sagt nichts darü-
ber aus, welche Vergütung das Betriebsratsgremium gegen den Willen des Arbeitgebers
auf dessen Kosten beschließen darf. Das Argument der Waffengleichheit ist sozialro-
mantisch, aber dem BetrVG nicht zu entnehmen. Die Behauptung, es sei doch kein
(guter) Anwalt ohne Stundenhonorar zu finden, wird mantraartig wiederholt; eine Be-
weisaufnahme dazu findet jedoch nie statt. Die Praxis belegt sehr wohl, dass zahlreiche
Betriebsratsanwälte auch auf Basis des RVG tätig werden. Da die Erforderlichkeit nach
§ 40 BetrVG auch größtmögliche Kostenschonung des Arbeitgebers vorsieht, ist eine
Stundenhonorarvereinbarung nur in Ausnahmen ohne dessen Zustimmung wirksam.
Ist das Stundenhonorar erforderlich?
BETRIEBSRATSANWALT
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