personalmagazin 8/2015 - page 30

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TITEL
_AUSBILDUNG
personalmagazin 08/15
Standorte vorgesehen. Nachdem es im
Wintersemester 2014 am Campus Han-
nover an den Start ging, soll der Campus
Schwerin 2016 nachziehen.
Wie interessiert Betriebe auf das Stu-
dienangebot reagieren, skizziert Nadine
Grün, verantwortlich für Hochschulkon-
takte bei der Handwerkskammer der
niedersächsischen Landeshauptstadt.
„Eltern von Studienkandidaten sagen
frei heraus, dass sie gern selbst so ein
Studium absolviert hätten, um ihre Be-
triebe zu gründen oder aufzubauen.“
Sie hätten sofort den Vorteil des Trialen
Studiums erkannt, dass die Teilnehmer
ihren Beruf von der Pike auf erlernen
und so den insbesondere im Handwerk
geforderten „Stallgeruch“ mitbringen
würden. Rückten sie erst in leitende Po-
sitionen auf, so Grün, „wird ihnen hohe
Wertschätzung zuteil“.
Alternative für Studienabbrecher
Neben dem in Familienbetrieben für
höhere Aufgaben vorgesehenen Nach-
wuchs will man für das Studienangebot
als weitere Zielgruppe auch Studien­
abbrecher gewinnen, die eine stärkere
Praxisorientierung der Theorie vorzie-
hen wollen. Auch in der Dachdecker-
firma von Jost Presuhn absolviert ein
Studienabbrecher nun seine Lehre. „Im
Unterschied zu anderen Lehrlingen weiß
er als 22-Jähriger schon, wie das Leben
spielt“, sagt der Handwerksmeister.
Der Betrieb in Wunstorf bei Hannover
wird heute in der fünften Generation
geführt. Doch gegen die Verwerfungen
am Arbeitsmarkt kann Tradition we-
nig ausrichten: Wie Schwamborn klagt
auch Presuhn, der zwölf Mitarbeiter
beschäftigt, über drastisch sinkende
Bewerberzahlen. „Heute will doch nie-
mand mehr auf den Bau“, beklagt sich
der Dachdeckermeister über den herben
Imageverlust des Handwerks. Dass er
durch Vermittlung der Handwerkskam-
mer einen Studenten als Azubi an Bord
lotsen konnte, verknüpft er deshalb mit
hohen Erwartungen. Nicht nur sein be-
triebswirtschaftliches Wissen könne
dem Betrieb helfen. „Ich verspreche mir
während der Ausbildung, dass wir von
ihm auch als Mensch profitieren.“
Vom potenziellen Führungsnach-
wuchs zeigen sich auch andere Firmen
im Bauhandwerk angetan. Wie Grün
berichtet, habe ein junger Mann, der
eine Maurerausbildung mit dem Tri-
alen Studium kombinieren möchte, um
später Bauleiter zu werden, bereits drei
Zusagen von Bauunternehmen erhal-
ten. Insgesamt hätten sich schon 30 Be-
triebe als Ausbilder für Triale Studenten
ins Gespräch gebracht. „Inserieren sie
Ausbildungsangebote in unserer Lehr-
stellenbörse, teilen sie darin gleich mit,
dass auch Interessenten für ein Triales
Studium willkommen sind“, so Grün.
Diese Dynamik in der Nachfrage er-
hoffen sich auch die Verantwortlichen,
die gemeinsam mit der Hochschule Nie-
derrhein das neue Triale Studium auf
den Weg gebracht haben. Frank Mund,
Vorstand der KFZ-Innung Mönchen-
gladbach und einer der Drahtzieher des
neuen Studienangebots, weist darauf
hin, dass in der Region demnächst 9.000
Betriebe altersbedingt übergeben wer-
den müssen. Nicht nur für die Nachfolge
böten sich Absolventen des Trialen Stu-
diums perspektivisch an, auch für an-
dere Führungspositionen. Abiturienten,
„die nicht intelligenter sind als vor 20
Jahren“, sagt Mund, sollten das Hand-
werk wieder als spannendes Berufsfeld
entdecken und sich darin zu Führungs-
kräften entwickeln, die der Wirtschafts-
zweig so dringend benötige. Denn: „Es
ist unglaublich schwer, qualifizierte Fili-
alleiter, Verkaufsleiter oder Serviceleiter
zu finden. Sie müssen ein gutes Zahlen-
verständnis mitbringen, technisches Ver-
ständnis zeigen und sich führungsstark
erweisen. Das erwarten Kunden und Mit-
arbeiter von ihnen.“ In diese Lücke sollen
die Absolventen des Trialen Studiums
stoßen. Wer sich für das anspruchsvolle
Programm entscheidet, sagt Mund, „der
brennt und hat Biss“.
Wahrscheinlich würden Absolventen
den erlernten Handwerksberuf gar
nicht mehr ausüben, sondern als Füh-
rungskraft tätig sein, erwartet Mund.
„Während des Studiums erhoffe ich mir
von den Studenten, dass sie ihre Studi-
enarbeiten betriebsbezogen schreiben
und so Ideen in die Betriebe einbringen,
die wir sonst auf dem Markt einkaufen
müssten.“ Derzeit liefen Gespräche zwi-
schen der Innung und der Hochschule
Niederrhein, damit im folgenden Stu-
dienjahr 2016 auch Anwärter für KFZ-
Berufe nachziehen können.
Antwort auf einen wichtigen Wunsch
Halten wir fest: Das Triale Studium als
Weiterentwicklung der ausbildungsinteg-
rierten Dualen Studiengänge scheint den
Nerv des Handwerks zu treffen. Forsche-
rin Krone begrüßt dies auch, mahnt aber
zu Vorsicht. Untersuchungen zu Dualen
Studiengängen hätten gezeigt, dass die
Verknüpfung von Berufsausbildung und
Hochschulausbildung nicht immer gut
funktioniere. Zudem müssten Studieren-
de desselben Studiengangs in ihren je-
weiligen Betrieben mit sehr unterschied-
lichen Bedingungen zurechtkommen.
„Deshalb plädieren wir für die Entwick-
lung von einheitlichen Standards, an
die sich alle Beteiligten halten müssen“,
sagt Krone. Denkbar wäre, der Gesetzge-
ber würde sie ins Berufsbildungsgesetz
schreiben.
WINFRIED GERTZ
ist freier Journalist in
München.
VIDEO
In der Personalmagazin-App finden Sie
ein Video der Handwerkskammer, in der
das Triale Studium in Hannover erläutert
wird. Außerdem finden Sie dort Videos
mit O-Tönen von Trial-Studierenden und
Ausbildern.
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