personalmagazin 8/2015 - page 21

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08/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
N
ur noch 47 Prozent der Un-
ternehmen sagen, dass
Bachelor-Absolventen die Vo-
raussetzungen mitbringen,
um gut auf das Berufsleben vorbereitet
zu sein“, sagte Eric Schweitzer, Präsident
des Deutschen Industrie- und Handels-
kammertages (DIHK), am 31. Mai in der
ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Dabei be-
zog er sich auf die Ergebnisse einer DIHK-
Online-Befragung, an der sich 2.003
Unternehmen beteiligt hatten. Das Pro-
blem: Die Aussage entspricht nicht den
Ergebnissen der Studie. Denn die Frage
dort lautete: „Wurden Ihre Erwartungen
an Bachelor-Absolventen erfüllt?“ Dabei
antworteten 47 Prozent mit ja. Doch zwi-
schen Erwartungen und erfüllten Voraus-
setzungen ist ein Unterschied.
Großes Medienecho
Schon im April hatte die DIHK-Studie
für Wirbel gesorgt. In einem Interview
mit „Der Welt“ sagte der DIHK-Präsi-
dent: „Wir beobachten, dass viele Unter-
nehmen sich mit Bachelor-Absolventen
immer schwerer tun. Waren 2011 noch
63 Prozent zufrieden, sind es heute nur
noch 47 Prozent. Ein Unterschied von 16
Prozentpunkten! Das ist eine besorgnis-
erregende Entwicklung.“
Nachdem die Meldung auch über die
Nachrichtenagentur DPA lief, griffen alle
großen Medien das Thema begierig auf.
„Kritik anUni-Abschlüssenwächst, Wirt-
schaft klagt über Bachelor-Absolventen“,
schrieb das Managermagazin online. Bei
der „Zeit“ hieß es: „DIHK-Studie: Viele
Von
Bärbel Schwertfeger
Unternehmen mit Bachelor-Absolventen
unzufrieden.“ Allerdings hatte die Stu-
die damals noch keiner gesehen.
Studie hat methodische Mängel
Erst sechs Wochen später lag der 23-sei-
tige Bericht vor. Der zeigt: Gegenüber der
Umfrage von 2011 wurde die Einteilung
der Unternehmensgrößen verändert –
ein erheblicher methodischer Schnitzer.
„Die Bereinigung um mögliche Stichpro-
benverzerrungen ist damit leider nicht
vollständig möglich“, kritisiert Heiko
Weckmüller, Professor International Ma-
nagement an der FOM Hochschule für
Oekonomie und Management in Bonn.
Die Unternehmensgröße hat außerdem
einen erheblichen Einfluss auf die Zufrie-
denheit. „Größere Betriebe sind überwie-
gend zufriedener mit Bachelor-Absolven-
ten als kleinere“, schreibt der DIHK. Dass
ein Großteil der Befragten – nämlich 70
Prozent - weniger als 200 Mitarbeiter ha-
ben, verzerrt natürlich das Ergebnis.
Ähnliche methodische Unsauberkeiten
finden sich auch bei der Branchenauf-
teilung. Dabei hat auch die Branche
einen erheblichen Einfluss auf die Bewer-
tungen. Laut DIHK sind Unternehmen der
Tourismuswirtschaft besonders unzufrie-
den, dabei hat sich gerade in der Hotelle-
rie der Bachelor längst durchgesetzt. „80
Prozent unserer Bachelor-Absolventen
gehen in den Job“, beobachtet Professor
Peter Thuy. Der Rektor der Internationa-
len Hochschule Bad Honnef ärgert sich
vor allem, dass die Diskussion so ideolo-
gisiert ist. „Die Erwartungen an Bachelor
sind einfach überhöht“, so der Professor.
„Man muss einen Bachelor immer weiter
qualifizieren. Alles andere ist eine Illu-
sion.“ Dass die Erwartungen an Bache-
lor-Absolventen seltener als 2011 erfüllt
werden, führt Weckmüller auch auf die
höheren Erwartungen zurück. „Die Fra-
ge ist unglücklich, da hier ein mentaler
Abgleich mit einer Erwartungsbildung
notwendig ist, die vor vielen Jahren statt-
gefunden hat.“
Debatte ist ideologisiert
DIHK-Präsident Schweitzer will die Stu-
dienplätze verknappen, um der dualen
Ausbildung wieder einen höheren Stel-
lenwert zu verschaffen: „Es studieren
zu viele, die besser eine Ausbildung ma-
chen würden. Ich halte das unbegrenzte
politische Angebot für falsch, dass jeder,
der studieren will, auch studieren kön-
nen soll“, sagte er gegenüber der „Welt“.
Auf die Frage, ob die Umstellung auf
Bachelor- und Master-Abschlüsse dazu
beigetragen hat, dass sich zu viele jun-
ge Leute für ein Studium entscheiden,
antworteten nur 35 Prozent der Studi-
enteilnehmer mit Ja. Das heißt: Nur et-
was mehr als ein Drittel bestätigen die
Position des DIHK-Präsidenten. Und 33
Prozent stimmten ihm explizit nicht zu.
Fazit: Obwohl die Studie durchaus
auch Ansatzpunkte für Verbesserungen
enthält, fokussiert sich der DIHK auf die
zunehmende Unzufriedenheit, um seine
politischen Forderungen zu untermau-
ern. Doch das nützt weder den Unterneh-
men noch den Bachelor-Absolventen.
Politik statt Fakten
KOMMENTAR.
Laut einer DIHK-Studie sind Unternehmen unzufrieden mit dem Bachelor.
Doch ein Blick in die Ergebnisse zeigt, dass es vor allem um politische Forderungen geht.
BÄRBEL SCHWERTFEGER
arbeitet als freie
Journalistin in München.
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