personalmagazin 08/15
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TITEL
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AUSBILDUNG
A
lle Jahre wieder kurz vor Be
ginn des Ausbildungsjahrs
rüttelt die Bundesregierung
mit ihrem Berufsbildungs
bericht Deutschlands Ausbilder wach.
Darin wird das endende Ausbildungs
jahr in Zahlen zusammengefasst. In
den vergangenen drei Jahren warteten
die Politiker jedes Mal mit Nachrichten
auf, die wie ein schlechtes Omen fürs
kommende Ausbildungsjahr anmuteten:
Jeder vierte Azubi bricht seine Lehre ab,
war dort etwa 2013 zu lesen; im vergan
genen Jahr wurde ein Zuwachs an un
besetzten Lehrstellen und zunehmende
Schwierigkeiten, Bewerber und Betriebe
zusammenzubringen, vermeldet. Dieses
Jahr gab es gar ein Rekordhoch an unbe
setzten Lehrstellen zu beklagen: Rund
37.100 Stellen blieben ohne passenden
Azubi, zehn Prozent mehr als im Vor
jahr. Die Zahl der neu abgeschlossenen
Von
Andrea Sattler
(Red.)
Ausbildungsverträge ging um 1,4 Pro
zent auf rund 522.200 zurück.
Den Betrieben fehlen Bewerber – gute
umso mehr. Denn immer weniger Jugend
liche wollen eine Lehre machen. Die meis
ten Schulabgänger zieht es mittlerweile in
den Uni-Hörsaal: Im Jahr 2009 haben die
Studenten die Azubis zahlenmäßig über
holt, 2012 kamen auf vier Azubis schon
fünf Studenten, wie Zahlen des Statisti
schen Bundesamts belegen.
Die Folgen dieser Entwicklung könnten
Prognosen zufolge dramatisch werden:
Laut einer gemeinsamen Projektion des
Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB)
und des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung (IAB) könnte die Zahl
der Arbeitnehmer mit Berufsausbildung
bis zum Jahr 2030 um rund drei Millionen
zurückgehen – was vor allem zu Engpäs
sen in Gesundheits- und Sozialberufen so
wie den be-, verarbeitenden und instand
setzenden Berufen führen werde, sagen
die Forscher voraus.
Neben der zunehmenden Attraktivi
tät der akademischen Ausbildung spielt
auch ein Imageproblemmancher Ausbil
dungsberufe eine Rolle dabei, dass die
Ausbildungsbetriebe in einem immer
kleiner werdenden Bewerberpool fi
schen müssen. Dass diese Imageproble
me nicht (nur) auf Vorurteilen beruhen,
belegt der Ausbildungsreport 2014 des
Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB):
Dort attestieren die befragten Azubis je
nen Berufen, die als unattraktiv gelten,
auch eine mangelhafte Ausbildungsqua
lität. Schlechte Noten erhalten darin vor
allem Berufe aus dem Gastronomiebe
reich wie Lebensmittelfachverkäufer,
Hotelfachmann und Koch. Daneben kom
men auch die Berufe Maler/Lackierer
und zahnmedizinischer Fachangestellter
in der Azubibewertung schlecht weg.
Wohl auch infolgedessen haben Aus
bilder in diesen Branchen unterdurch
schnittliche Übernahmequoten zu
vermelden. Während die Ausbildung
über alle Branchen hinweg in zwei von
drei Fällen mit einem Happy End aus
geht, wird in der Gastronomie noch nicht
einmal aus der Hälfte der Azubiverträ
ge ein regulärer Arbeitsvertrag. Auch
sind in diesen Branchen die unbesetz
ten Lehrstellen besonders zahlreich. Zu
Beginn des Ausbildungsjahrs 2015 sind
Informationen des Deutschen Industrie-
und Handelskammertags (DIHK) zufolge
in Gastronomie und Handel noch 30 Pro
zent der Ausbildungsstellen unbesetzt.
Als Gründe für die Unzufriedenheit
mit ihrem Ausbildungsberuf nennen
die vom DGB befragten Azubis vor allem
Überstunden, ausbildungsfremde Tätig
keiten und schlechte Bezahlung.
Aber auch an anderer Stelle ließe sich
noch feilen – etwa an Ausbildungsformen
und -inhalten. So beklagt etwa Arnold Pi
cot, Professor für Betriebswirtschaftsleh
re an der Ludwig-Maximilians-Universität
München, im Interview mit haufe.de/
personal unzeitgemäße Ausbildungsin
halte. Die Ausbildung bereite etwa noch
zu wenig auf die Digitalisierung vor, die
Curricula seien zudem noch zu stark auf
die Anforderungen des 19. und 20. Jahr
hunderts ausgerichtet.
Daneben scheint es in den Curricula
an der richtigen Balance zwischen „zu
viel“ und „zu wenig“ zu hapern: In einer
Mehr als olle Kamellen
ÜBERBLICK.
Mehr denn je brauchen Ausbildungsbetriebe ein überzeugendes Gesamt
paket, um künftig mehr Schulabgänger als bisher für eine Lehre zu begeistern.
Um Azubis zu ködern,
setzen viele lieber auf
Goodies wie Prämien
und Smartphones statt
auf sinnvolle Motivato
ren wie die Möglichkeit
zur Teilzeitausbildung.