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Unternehmen erfahren die Analysemethoden
des Bilanz-Ratings meist durch ihre Banken als
Rating-Objekt. Kreditgeber versuchen hiermit
die Kreditausfallwahrscheinlichkeit zu messen.
Das Pricing, somit der Zins und weitere Kondi-
tionen, hängen vom Ergebnis des Bilanz-Ra-
tings ab.
Moderne Bilanz-Rating-Systeme
arbeiten so zuverlässig und sind so kom-
fortabel zu bedienen, dass sie Einzug in
das Risikomanagement des Unternehmens
erhalten
. Nachfolgend werden praktische Fälle
besprochen, bei denen das Bilanz-Rating vom
Unternehmen selbst zum Nutzen des Betriebes
eingesetzt wird.
Vorreiter dieser Entwicklung sind die deut-
schen Automobilkonzerne. Die Daimler AG
kontrolliert ihre Zulieferer bereits seit dem
Jahre 2006 mit einem Bilanz-Rating-System.
Lieferanten mit einer einjährigen Ausfallwahr-
scheinlichkeit von 1% droht die Auslistung
oder zumindest die „Sanierungsbetreuung“.
Die BMW-Bank beurteilt Kunden für das Flot-
ten-Leasing und andere größere Kreditenga-
gements mit Bilanz-Rating und einem Set von
traditionellen Kennzahlen. Die BMW-Bank er-
achtet den Einsatz des Bilanz- und Branchen-
ratingverfahrens als
eine signifikante Ver-
besserung der operativen Risikosteue-
rung
, das sich auch in der Wirtschaftskrise
2009 bewährt hat. Da die Bilanz-Rating-
Systeme auch bei Bilanzen von Unternehmen
in Europa und weltweit bei IFRS-Bilanzen
funktionieren, hat das Lieferantenmanage-
ment bei BMW seit 2013 bei inländischen und
ausländischen Lieferanten ein Selbstaus-
kunftsverfahren eingeführt, bei dessen Aus-
wertung Bilanz-Rating zum Einsatz kommt.
Risikoinventur zur Bewertung
und Aggregation
Die Frage, wie kommen wir denn zeitnah an die
Bilanzen, stellt sich heute nicht mehr in dem
Maße wie früher. Der Bundesanzeiger in
Deutschland setzt die Offenlegung der Jahres-
abschlussberichte konsequent durch. Was oh-
nehin offengelegt wird, kann dann auch Ge-
schäftspartnern zur Verfügung gestellt werden.
So ist es möglich, Jahresabschlüsse bereits
zeitnah nach deren gesetzlicher Aufstellungs-
frist 31. März bzw. 30. Juni des Folgejahres zu
erhalten. Templates, mit denen die Daten elek-
tronisch an die Geschäftspartner übermittelt
werden, halten Einzug bei der Erfassung der
Jahresabschlussdaten. In den Bilanz-Rating-
Systemen kommt es laufend zur Optimierung
der Prozesse und zum Einsatz von Daten-
Schnittstellen.
Die Intensivierung des Einsatzes von Risikoma-
nagement in den Unternehmen wurde gefördert
durch die Einführung des Gesetzes zur Kontrol-
le und Transparenz im Unternehmensbereich
(KonTraG). Es ist am 1. Mai 1998 in Kraft getre-
ten. Es fordert die Einführung eines adäquaten
Risikomanagements von börsennotierten Akti-
engesellschaften. Der Vorstand hat geeignete
Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Über-
wachungssystem einzurichten, damit „den
Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Ent-
wicklungen früh erkannt werden“ (§ 91 Abs. 2
AktG). Obwohl in das GmbH-Gesetz keine ent-
sprechende Regelung aufgenommen wurde,
gilt für die GmbH je nach Größe und Komplexi-
tät das Gleiche. Kapitalgesellschaften haben im
Lagebericht auf die Risiken der künftigen Ent-
wicklung einzugehen (§ 289 Abs. 1 HGB). In
diesem sog. Risikobericht sind Gefahrenpoten-
ziale ausdrücklich zu benennen, soweit sie
spürbar die Vermögens-, Finanz- und Ertragsla-
ge nachteilig beeinflussen bzw. den Bestand
des Unternehmens beeinträchtigen können. Die
Ausstrahlungswirkung des KonTraG machte
auch vor mittelständischen Unternehmen nicht
halt. Das Gesetz hat somit Anstöße zu einem
erhöhten Risikobewusstsein gegeben.
Eine grundlegende Aufgabe des Risikomanage-
ments ist es,
die Risikoinventur aufzustel-
len
, jedoch auch
die Risiken zu bewerten
und schließlich
zu aggregieren
. Hier kommt in
fortgeschrittenen Systemen die Monte-Carlo-
Analyse zum Einsatz. Risiken, die mit Bilanz-
Rating-Systemen messbar sind, sollen m. E.
auch mit diesen bewährten Instrumenten be-
wertet und quantifiziert werden. Die ermittelte
Ausfallwahrscheinlichkeit in Prozent des Kredits
bzw. des Risikovolumens lässt dies zu. Die bei
den jeweiligen Disziplinen eingesetzten Sys-
teme und Methoden sind in der Regel komple-
mentär zueinander. So wird vermieden, das
Rad zweimal erfinden zu müssen.
Wo sollte Bilanz-Rating im Unternehmen ein-
gesetzt werden? Wer trägt die Verantwortung
für die Umsetzung und das Reporting der so
erkannten Risiken?
Wo existenzielle Risiken drohen, lohnt es sich
genauer hinzusehen. Der Bonitätsindex einer
Auskunftei gibt nur einen ersten Eindruck zu
dem Zahlungsverhalten. Ein qualifiziertes Bi-
lanz-Rating mit Einsicht in den Jahresab-
schlussbericht kann er nicht ersetzen. Verant-
wortliche für das Risikomanagement und das
Controlling entscheiden, wo es existenzielle
Risiken zu beobachten gilt.
Bereiche für den Einsatz des Bilanz-Ratings
sind:
Bilanz-Rating – ein Instrument für das
Risikomanagement im Unternehmen?
von Dieter Pape
Bilanz-Rating