personalmagazin bAVspezial 4/2017 - page 25

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Lebensversicherer und Pensionseinrich-
tungen stoßen aber auch hier an regula-
torische Grenzen.
personalmagazin:
Für Unternehmen, die
nach dem HGB bilanzieren, spielt es
doch gar keine Rolle, ob die EZB eine
Zinswende einleiten wird, oder?
Schütze:
Richtig, der handelsrechtliche
Rechnungszins wird weiter fallen und
damit die Pensionsrückstellungen in die
Höhe treiben, selbst wenn die EZB den
Zins entgegen aller Erwartungen anhe-
ben würde. Schon bei einem konstant
niedrigen Marktzinsniveau von unter
vier Prozent, wird der HGB-Rechnungs-
zinssatz bis Ende 2021 auf unter 2,5
Prozent absinken. Die im vergangenen
Jahr vom Gesetzgeber beschlossene Ver-
längerung des Betrachtungszeitraumes
für die Zinsberechnung von sieben auf
zehn Jahre wird diesen Prozess stre-
cken, aber nicht aufhalten. Der somit
steigende Bewertungsaufwand wird
über die Gewinn- und Verlustrechnung
den Betriebsgewinn schmälern. Für vie-
le Unternehmen ist das ein schmerzhaf-
ter Prozess, der aber nicht die einzige
Herausforderung darstellt.
personalmagazin:
… nämlich welche noch?
Schütze:
In den nächsten Jahren werden
immer größere Teile der Belegschaften
MICHAEL SCHÜTZE
ist Managing Director
institutionelle Kun-
den, Allianz Global
Investors
in den Ruhestand wechseln. Für die be-
treffenden Unternehmen bedeutet das:
Aus Rückstellungen werden Cashflows,
nämlich Rentenzahlungen. Das erfor-
dert viel Liquidität. Dieser Umstand
wird oftmals unterschätzt. Zweifelsohne
gibt es viele Unternehmen, nicht nur
solche aus der ersten Reihe, bei denen
die Rentenzahlungen das operative Ge-
schäft nicht mehr beeinflussen, weil
die Pensionsverpflichtungen vor Jahren
ausgelagert wurden. Gerade im Mittel-
stand wird sich allerdings eine Reihe
von Betrieben diesen Herausforderun-
gen in der nächsten Zeit stellen müs-
sen. Bei einigen Unternehmen wird der
operative Ertrag aus dem Kerngeschäft
gerade einmal ausreichen, um die Ren-
tenzahlungen sicherzustellen.
personalmagazin:
Welche Vorgehensweise
empfehlen Sie hier insbesondere mittel-
ständischen Unternehmen?
Schütze:
Als erstes sollte die bestehen-
de Pensionslandschaft überprüft und
gegebenenfalls angepasst werden. Das
bedeutet vielfach, alte Pensionspläne zu
schließen und neue aufzusetzen, die für
den Arbeitgeber nicht so viele Risiken
beinhalten, den Arbeitnehmern aber
trotzdem eine vernünftige Betriebsren-
te ermöglichen. Zweitens gilt es, die
Pensionsverpflichtungen je nach wirt-
schaftlicher Lage, Liquidität und Aktiva
im Unternehmen auszufinanzieren oder
zumindest eine individuelle Funding-
Strategie zu entwickeln. Da gibt es kein
„one size fits all“, aber eine Lösung fin-
det sich immer.
personalmagazin:
Wie sieht eine solche
Lösung beispielsweise für Unternehmen
aus, die nach HGB bilanzieren und ihre
Pensionsverpflichtungen ausfinanzieren
wollen?
Schütze:
Das ist der deutsche Pensions-
fonds. Seit etwa einem Jahr können Be-
triebe ihre Altzusagen, genauer gesagt,
die bereits erdienten Anwartschaften,
auf diesem Weg komplett ausfinanzie-
ren und gleichzeitig ihre Bilanz um den
entsprechenden Kapitalbetrag verkür-
zen. Durch die so wegfallenden Zins-
kosten wird die Bilanz und Gewinn- und
Verlustrechnung oft erheblich entlastet.
Das kann gerade Unternehmen mit ge-
ringer Liquidität oder ungünstigen Bi-
lanzrelationen erleichtern.
Das Interview führte
Kay Schelauske.
deutsam bleiben. Die bAV-Experten se-
hen einen entscheidenden Vorteil: Sie
lässt sich als personalpolitisches Inst-
rument zur Gewinnung von Fachkräften
einsetzen.
Das neue Modell wird primär oder
ausschließlich – das muss der weitere
Gesetzgebungsprozess noch zeigen – auf
der Umsetzung einer „reinen Beitrags-
zusage“ basieren. Arbeitgeber können
sich so zwar ihrer Haftungsrisiken
entledigen. Im Gegenzug müssen die
Beschäftigten dann aber die Anlage-
risiken ihrer bAV tragen, da selbst die
eingezahlten Beiträge nicht garantiert
dem Treuhandvermögen saldiert wer-
den. Gradehandt bestätigt das, verweist
aber noch auf andere Vorteile: So lassen
sich erstens auch Sachwerte zur Finan-
zierung einbringen, und es muss keine
100-prozentige Deckung realisiert wer-
den. Gleichwohl entscheiden sich die
Mittelständler nach seinen Erfahrungen
in erster Linie für versicherungsförmige
Lösungen, wenn sie nicht bei der Innen-
finanzierung bleiben.
Direktzusagen bleiben attraktiv
Trotz des neuen „Sozialpartnermodells“
wird die klassische Direktzusage be-
KAY SCHELAUSKE
ist
Diplom-Volkswirt und arbeitet
als Wirtschaftsjournalist und
Buchautor.
wären. Kircheis bekräftigt: „Das wird das
größte Hindernis dafür sein, warum das
Betriebsrentenstärkungsgesetz nicht
den gewünschten Erfolg haben wird.“
Pensionszusagen bleiben weiterhin mit
Haftungsrisiken verbunden. Diese las-
sen sich aber aktiv begrenzen, vorausge-
setzt, die Verträge kommen jetzt auf den
betrieblichen Prüfstand.
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