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SPEZIAL BAV
_INFORMATIONSPFLICHTEN
spezial bAV 04/16
Die Qual der Vorsorgewahl
UNTERSTÜTZUNG.
Wer die Entscheidungsträgheit seiner Mitarbeiter durch die
Möglichkeit automatischer Teilnahme ausgleichen will, muss einiges beachten.
Von
Henriette Meissner
D
ie Möglichkeit, wählen zu
können, ist ein echtes Privileg
und stellt zu Recht ein Stück
Freiheit dar. Wer aber wäh-
len kann, muss sich auch entscheiden.
Und dies ist, je nach Anzahl der mögli-
chen Alternativen, nicht immer leicht.
In der betrieblichen Altersversorgung,
wie überhaupt in der Altersversorgung,
zeigen Untersuchungen, dass es leichter
ist, sich nicht zu entscheiden, als sich zu
entscheiden. Das führt dazu, dass häu-
fig die Altersversorgung zwar als wichtig
empfunden wird, aber der entscheiden-
de Handlungsimpuls ausbleibt. Das ma-
chen sich sogenannte Opting-Out- oder
besser Auto-Enrolment-Modelle für die
betriebliche Altersversorgung zunutze.
Wahlmöglichkeiten für Arbeitnehmer
gibt es häufig auch bei der Auswahl
des Vorsorgemodells: Klassische Tarife
versus Tarife mit Fondsanteilen oder
Partizipationsmöglichkeiten an den Fi-
nanzmärkten. Doch auch hier bringt die
Wahlmöglichkeit zusätzliche Pflichten
mit sich.
Auto-Enrolment: Trägheit verpflichtet
Die Grundidee ist schnell erklärt. Der
Arbeitnehmer nimmt in Form der Ent-
geltumwandlung, ohne dass er hierfür
tätig werden muss, automatisch am Ver-
sorgungssystem des Arbeitgebers teil,
es sei denn, er widerspricht ausdrück-
lich. Hier wird also die menschliche
Schwäche der Entscheidungsträgheit
zum Vorteil für den Arbeitnehmer ge-
nutzt. Denn dass dieser etwas für seine
Zeit im Rentenalter tun muss, ist mitt-
lerweile bekannt. Dass dies immer noch
zu selten passiert, auch. Doch was muss
ein Arbeitgeber beachten, der ein Auto-
Enrolment installieren will?
Die erste Entscheidung ist schon sehr
früh zu treffen. Sollen nur neu eintre-
tende Arbeitnehmer mittels einer Klau-
sel im Einzelarbeitsvertrag eingebunden
werden, oder soll auch die Stammbeleg-
schaft durch eine Betriebsvereinbarung
partizipieren? Hinter dieser Frage steht
ein juristisch noch nicht zu Ende ausge-
fochtener Streit, ob ein Auto-Enrolment
auch durch eine Betriebsvereinbarung
eingeführt werden kann. Hier befindet
man sich ganz klar in einer Grauzone.
Die Argumente beider Seiten lassen sich
hören. Was fehlt, ist eine höchstrichter-
liche Entscheidung oder, noch besser,
ein entsprechendes Gesetz. Zurzeit gibt
es immer wieder Signale aus der Politik,
dass hier durch eine entsprechende Än-
derung des BetrAVG für Rechtssicherheit
gesorgt werden soll. Dazu könnte auch
das Opting-Out/Auto-Enrolment gehö-
ren, was der Startschuss für viele Unter-
nehmen sein könnte, die bisher zögern.
Eindeutiger ist die Situation, wenn „nur“
Neueintritte mittels einer automatischen
Entgeltumwandlung versorgt werden
sollen. Denn die Zulässigkeit einer ein-
zelvertraglichen Lösung bestreitet heute
ernsthaft niemand (mehr). Aber auch
hier sind gewisse Spielregeln zu beach-
ten, will man am Ende das gewünschte
Ergebnis erzielen.
Der Arbeitgeber muss informieren
Eine entscheidende Frage ist, wie denn
der Arbeitnehmer beim Auto-Enrolment
zu informieren ist. Immerhin bedeutet
sein Nichtstun eine Zustimmung zur
Teilnahme am Versorgungssystem und
zu einer anderen Lohnverwendung. Hier
greift vor allem das AGB-Recht (§ 308 Nr.
5 BGB): Dem Arbeitnehmer muss eine
angemessene Frist zum Widerspruch
eingeräumt werden und er muss auf
die Folgen seines Verhaltens besonders
hingewiesen werden. Und natürlich darf
er nicht durch eine solche arbeitsver-
tragliche Klausel „überrascht“ werden
(§ 305c Abs. 2 BGB). Er darf zumBeispiel
nicht erst mit seiner Lohnabrechnung
davon erfahren, dass er Teile seiner Ver-
gütung für die Altersversorgung nutzt.
Daher ist es zwingend, dass eine Klau-
sel im Arbeitsvertrag regelt,
• dass der Arbeitnehmer am Versor-
gungswerk des Arbeitgebers teil-
nimmt, wenn er nicht bis zu einem
ausreichend bemessenen Zeitraum
widerspricht und
Klauseln, die den Arbeit-
nehmer über sein Wider-
spruchsrecht informie-
ren, platzieren Sie am
besten neben der Rege-
lung des Gehalts. Denn
dieser Teil wird gelesen.
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