PM spezial bAV 04/2016 - page 12

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SPEZIAL BAV
_TITELTHEMA
spezial bAV 04/16
Das Orakel aus Würzburg
MEINUNG.
Mit Spannung wird das Gutachten über die Möglichkeiten der Stärkung der
bAV erwartet. Doch der Nahles-Rente wird es nicht unbedingt den Weg ebnen.
Von
Paulgerd Kolvenbach
D
er Bundesarbeitsministerin
kommt das Verdienst zu, Be-
wegung in die Diskussion um
die bAV gebracht zu haben.
Ihre „Machbarkeitsstudie zur Verbrei-
tung der bAV in kleinen und mittel-
ständischen Unternehmen“ kam 2014
zu dem Ergebnis „Wer nicht fragt, be-
kommt auch nichts, und wer nicht muss,
der gibt auch nichts“. 2015 stellte ihr
Ministerium das „Sozialpartnermodell
Betriebsrente“ vor. Gewerkschaften wie
Arbeitgeberverbände, vor allem Interes-
senverbände wie aba und GDV, nutzten
die Gelegenheit für eigene Vorschläge
beziehungsweise die Wiederholung be-
stehender Forderungen.
Allerdings stockt das Sozialpartnermo-
dell seitdem. Denn zusätzliche Anreize
oder Förderung erfordern die Zustim-
mung des Bundesfinanzministers. Die-
ser hat umgehend wissenschaftliche
Schützenhilfe in Form eines Gutachtens
gesucht, um das er Prof. Kiesewetter von
der Universität Würzburg gebeten hat.
Der Titel wurde mit „Optimierungsmög-
lichkeiten bei den bestehenden steu-
er- und sozialversicherungsrechtlichen
Förderregelungen der bAV“ festgelegt.
Optimierung also, vorsichtiges Drehen
an vorhandenen Schräubchen – nach
mutigem Neuanfang hört sich das nicht
an. Jetzt warten alle Beteiligten auf den
mehrfach verschobenen Spruch des
„Orakels aus Würzburg“. Die Zeit zwi-
schen Gutachtenveröffentlichung und
Ende der Legislaturperiode wird knapp.
Es wäre bitter, wenn die groß angekün-
digte bAV-Reform an mangelnder Umset-
zungszeit scheiterte.
Ein Gutachten für mehr Klarheit beim
Sozialpartnermodell?
Für die Umsetzung des Sozialpartner-
modells hätte es des BMF-Gutachtens
nicht bedurft. Die Knackpunkte des Mo-
dells liegen nicht in der steuerlichen Be-
handlung. Die Rahmenbedingungen für
eine steuerliche Förderung betrieblicher
Altersversorgung bei KMU oder bei Ge-
ringverdienern sind bereits heute vielge-
staltig und – bezogen auf die in diesem
Bereich meist knappen zur Verfügung
stehenden Mittel – finanziell weitgehend.
Anders verhielte es sich mit Ideen für ein
direktes finanzielles Staatsgeschenk à la
Riester, wie es die aba vorschlägt.
Eher revolutionär an dem Sozialpart-
nermodell ist das Setzen auf die Kraft
der kollektiven Durchführung im Rah-
men sogenannter gemeinsamer Einrich-
tungen der Tarifparteien, verbunden mit
einem Angebot an die Arbeitgeber, dass
zukünftig die Einrichtungen die gesetz-
lich vorgesehene Mindestgarantie aus
den Zusagen zu tragen hätten.
Entgegen seiner Ankündigung hat das BMF das Gutachten zur Stärkung der bAV nicht
mehr im Februar veröffentlicht. Einen ersten Einblick in die Ergebnisse gab jedoch
Gutachter Prof. Dr. Dirk Kiesewetter beim Zukunftsmarkt Altersvorsorge in Berlin.
Vor allem drei Ursachen, so Prof. Dr. Dirk
Kiesewetter von der Universität Würzburg,
sind für die unzureichende Verbreitung
einer bAV im Mittelstand verantwortlich:
die Annahmen, dass die bAV einen hohen
Verwaltungsaufwand verursache, weder
Vorteile bringe noch im Interesse der
Mitarbeiter sei sowie hohe Wissensdefizi-
te. So seien 70 Prozent der Unternehmen
ohne bAV nicht über deren staatlichen
Förderungen informiert. Diese nicht-
repräsentativen Ergebnisse stellte der
Wissenschaftler im Rahmen seines Gut-
achtens „zur Optimierung der steuerlichen
Förderung der bAV“ beim Zukunftsmarkt
Mehr Anreize, bessere Information
ERGEBNISSE
Altersvorsorge vor. Gefragt wurde für das
Gutachten nach dem Vorsorge-Interesse
der Arbeitnehmer- wie der Arbeitgeber-
seite. Für letztere Gruppe wurden vor
allem Steuerberater interviewt, weil in
den Betrieben der Wissensstand zu gering
sei, so Kiesewetter. Ihre Zurückhaltung
bei der Altersvorsorge begründeten
die Beschäftigten mit ihrem geringen
Kenntnisstand, einem fehlenden finanziel-
len Spielraum und bereits bestehenden
Absicherungen. 78 Prozent der Befragten
gaben an, dass sie bisher kein bAV-An-
gebot ihres Arbeitgebers erhalten haben;
dem Großteil war zudem ihr Anspruch
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