wirtschaft + weiterbildung
02_2019
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gen an Selbstorganisation und Selbst-
steuerung, maximal flexible und liquide
Strukturen, um change-robust zu werden.
„New Work“ verlangt nach „New Lea-
dership“. Und das in allen Unternehmen.
Führung wird nicht mehr, wie bisher viel-
fach, als „notwendiges Übel“ verstanden
werden können, mit dem man sich als
Unternehmen und als karriereorientierter
Manager leider befassen muss. Führung
wird auch in der Ausbildung an den
Hochschulen nicht mehr nach Strategie,
Bilanzierung, Marketing und Sales am
Ende der Rangreihe im Ausbildungska-
non stehen und im Rahmen von „Per-
sonal“ abgehandelt werden können.
Führung wird der zentrale Hebel der Un-
ternehmensentwicklung werden: Leader-
ship matters!
Ein Führungsmodell für das 21. Jahrhun-
dert muss Führung von der Unterneh-
menserfolgsseite her denken und ange-
hen. Unternehmenserfolg ist das Ergebnis
der von den verschiedenen Bereichen im
Unternehmen erbrachten akkumulierten
Leistungen. Aktuelle wissenschaftliche
Untersuchungen zeigen, dass der Un-
ternehmenserfolg ohne Zweifel mit dem
Systemklima zusammenhängt (siehe
Abbildung 1). Ein Systemklima, in dem
Vertrauen herrscht, in dem Zusammen-
arbeit gefördert wird und in dem sich
die Mitarbeiter persönlich weiterentwi-
ckeln können, wirkt sich positiv auf die
Produktivität und entsprechend messbar
auf den Unternehmenserfolg aus. Das
Systemklima wird von den Führungskräf-
ten geprägt und umfasst zum Beispiel die
Rahmenbedingungen, die gefühlte Ar-
beitsatmosphäre und den untereinander
gepflegten Umgangs- und Beziehungs-
stil. Neun verschiedene Klimadimensi-
onen lassen sich drei übergeordneten
Klimafaktoren zuordnen (siehe Abbil-
dung 2), auf Teamebene messen und zu
einem Gesamtsystemklima verdichten.
Die Summe aller Leistungen der klei-
neren systemischen Einheiten, also die
Gesamtunternehmensleistung, korreliert
positiv mit dem auf Unternehmensebene
herrschenden Systemklima. Das führt zu
einer ebenso einfachen wie einleuchten-
den Gleichung: Je besser der gemessene
Wert für das Systemklima, desto höher
die gleichfalls messbare Unternehmens-
leistung. Natürlich spielen auch Umfeld-
bedingungen (siehe Abbildung 1) mit hi-
nein und können die erbrachte Leistung
verstärken oder schmälern (gegebenen-
falls auch deutlich). An der Korrelation
ändert das nichts!
Führungsaufgabe:
Systemklima gestalten
Das Systemklima nicht nur zu beeinflus-
sen, sondern aktiv zu gestalten, liegt im
unmittelbaren und direkten Einflussbe-
reich des Unternehmens. Diese Tatsache
ist auch vielen Führungskräften geläu-
fig. Trotzdem gehört die Gestaltung des
Systemklimas – ähnlich wie Mitarbeiter-
gespräche – aus bekannten und nach-
vollziehbaren Gründen bislang nicht zu
ihrem bevorzugten Betätigungsfeld. Hier
rächt sich, dass in den meisten Unterneh-
men noch immer derjenige zur Führungs-
kraft gemacht wird, der sich in seiner
Abteilung als der fachlich Beste erwiesen
hat. Er setzt die Übernahme einer Füh-
rungsposition mit einem Karriereschritt
und einer Gehaltsverbesserung gleich –
statt mit der Übernahme von Verantwor-
tung für Menschen.
Die Gestaltung des Systemklimas proak-
tiv zu übernehmen, setzt voraus, dass
Führungskräfte über ein individuelles
Führungsstil-Portfolio (siehe Abbildung
3) verfügen, das sie situationsangemes-
sen einsetzen können. Bei diesem Port-
folio handelt es sich genau genommen
um ein Kontinuum. Es reicht von den
aufgabenorientierten, transaktionalen
Führungsstilen, die durch den Austausch
von Leistung und Gegenleistung charak-
terisiert sind, bis hin zu den entwick-
lungsorientierten, transformationalen
Führungsstilen, die Vielfalt integrieren,
persönliches Wachstum fördern, in
spirieren – und damit Followership er-
zeugen. Das ist für alle Firmen, die sich
„New Work“ auf die Fahnen geschrieben
haben, von größter Bedeutung. Erst die
aktive Verfügbarkeit einer zeitgemäß er-
weiterten Bandbreite an Führungsstilen
versetzt Führungskräfte in die Lage, sich
als Gestalter des Systemklimas zu betäti-
gen. Das gilt sowohl für Organisationen,
die eher traditionell strukturiert sind, wie
auch für Unternehmen mit agilen Struk-
turen. Wie dies in der Praxis umgesetzt
werden kann, wird an folgenden realen
Beispielen für Interventionen auf drei sys-
temischen Ebenen skizziert:
1.
Intervention auf Unternehmens
ebene (Cultural Transformation)
Ein mittelständischer, global agieren-
der Hidden Champion hatte in den letz-
ten Jahren eine erstaunliche Erfolgsge-
schichte zu vermelden. Mit dem geradezu
explosiven Wachstum waren jedoch die
damit oft einhergehenden Wachstums-
schmerzen verbunden. Sie manifestierten
sich vor allem im Bereich Führung. Die
Führungskräfte fokussierten sich – dem
weiteren Wachstum verpflichtet – vor
allem auf das operative Business. Für die
gezielte Führungsarbeit mit einer schnell
wachsenden Mannschaft blieb deutlich
zu wenig Zeit. Dies führte trotz einer viel-
versprechenden Geschäftsentwicklung zu
schlechter Stimmung in der Mannschaft
und zu einer mit Blick auf den Arbeits-
markt geradezu selbstzerstörerischen
Fluktuation.
Um die Führungskräfte für die notwen-
dige Fokusverschiebung auf Leadership
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Kontinuum der Führungsstile
Abbildung 3.
Jede Führungskraft sollte situativ auf sechs unterschied-
liche Führungsstile zurückgreifen können.
direktiv
partizipativ integrativ
coachiv
inspirativ
normativ
Führungsstile