wirtschaft und weiterbildung 2/2019 - page 24

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wirtschaft + weiterbildung
02_2019
titelthema
den Weg des geringsten Widerstandes
gehen.“ Viele Unternehmen haben Be-
denken, dass sie nicht als vertrauenswür-
dig gelten, wenn sie bestimmte Grund-
werte nicht in ihren Kanon aufnehmen.
Steffen Kramer:
Die deutsche Wirtschaft
basiert sehr stark auf Produktion, Effizi-
enz, Qualität und Termintreue – also die
Tugenden, die Deutschland gemeinhin
zugesprochen werden. Seit ein paar Jah-
ren sehen wir häufig den Zusatz der Agili-
tät, eines „Out-of-the-Box“-Denkens, das
sich Unternehmen gern auf die Fahnen
schreiben. Aber wenn man als Organi-
sation schon Jahrzehnte auf dem Buckel
hat, ist das nicht so einfach. Unterneh-
men können ihre Denkweisen nicht von
heute auf morgen verändern.
Hentschel:
Viele erfolgreiche Unterneh-
men, zum Beispiel aus dem Silicon Valley,
Was unterscheidet Ihr Digitalisierungs-
konzept von der schon vorhandenen
Ratgeberliteratur zum Thema?
Ulf Bosch:
Wir legen großen Wert auf
die Unternehmenswerte und haben die
Werte fast aller Dax-Unternehmen analy-
siert und festgestellt, dass diese nahezu
identisch sind. Viele Unternehmen spre-
chen von Respekt, Vertrauen, Integrität,
leistungsbezogenen Zielen oder dem
Wunsch, Innovationen zu entwickeln.
Das sind allzu oft Bezeichnungen, die
noch keine wirkliche Orientierung bie-
ten. Erfolgreiche digitale Player hingegen
haben Unternehmenswerte, die sie von
anderen unterscheiden. Sie trauen sich
etwas zu und gehen Risiken ein. Ihre
Werte sind nicht immer mainstreamtaug-
lich. Ein bekanntes Unternehmen ver-
pflichtet zum Beispiel alle Mitarbeiter
dazu, zu widersprechen, wenn sie es für
angemessen halten – egal in welcher Hie-
rarchiestufe sie stehen.
Stefan Hentschel:
Wir haben basierend
auf dieser zunehmenden Ähnlichkeit von
Unternehmenskulturen die Analogie zu
einer Fahrt auf dem Highway hergestellt:
Viele Unternehmen fahren auf der Auto-
bahn Stoßstange an Stoßstange, anstatt
auf das freie Gelände und in die Natur
abzubiegen und sich neu zu erfinden.
Das zu versuchen, ist unser Appell mit
„Digital Offroad“. Wir legen in dem Buch
viele Praxisbeispiele unterhaltsam dar
und geben Umsetzungsimpulse für eine
authentische und originäre Unterneh-
menskultur.
Wie erklärt sich diese Gleichmacherei?
Bosch:
Entweder hat man voneinander
abgeschrieben oder gesagt „Wir wollen
„Der Verzicht auf Krawatten
reicht einfach nicht aus“
INTERVIEW.
Viele Unternehmen folgen in Sachen Digitalisierung viel zu bereitwillig der
breiten Masse, meinen Ulf Bosch, Stefan Hentschel und Steffen Kramer in ihrem
aktuellen Buch „Digital Offroad“. Stefanie Hornung sprach mit den Autoren über die Wege,
die abseits der breiten Straßen zum Digitalisierungserfolg führen.
Foto: Enver Hirsch
Steffen Kramer.
Er
arbeitet bei Google
Germany an den
Themen „Digital
Change“ und
„Innovationskultur“.
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