wirtschaft und weiterbildung 2/2019 - page 16

menschen
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wirtschaft + weiterbildung
02_2019
Auf der einen Seite sind sie sehr visionär und unterstützend,
aber auf der anderen Seite, wenn jemand entgegen ihrer Über­
zeugung handelt, reagieren sie sehr abweisend und entlassen
diese Leute im Handumdrehen – schneller als in traditionellen
Organisationen.
Wie wichtig ist die Art und Weise, wie man seine Vision
kommuniziert?
Minnaar:
Die meisten können ihre Zukunftsvision sehr gut be­
schreiben und andere darin einbeziehen. Das ist wichtig für
sie, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Sie mögen ihren
eigenen Weg gehen, aber sie werden ihren Leuten erklären,
warum sie bestimmte Entscheidungen treffen. Außerdem ach­
ten sie laufend auf Feedback. Sie geben den Beteiligten viele
Freiheiten und kümmern sich nicht darum, wie das Ziel er­
reicht wird. Das beste Beispiel ist der Gründer von Patagonia,
Yvon Chouinard. Er wollte kein Geschäftsmann werden, son­
dern die Welt verändern, indem er Stoffe herstellt, die langlebig
und nachhaltig sind und die Umwelt nicht belasten. Er begann,
sich mit Leuten zu umgeben, die etwas davon verstehen. Er
war selbst eigentlich kein Kleidungshersteller.
Oftmals sind diese Führungspersönlichkeiten für ihre Mitar­
beiter eine Art Gott. Ich bin mir nicht sicher, ob das gesund
ist. Doch andererseits hat das eine entscheidende Funktion: In
einer hierarchischen oder bürokratischen Struktur braucht es
diese Sinngebung oder diesen Personenkult nicht so sehr, in
neuen Arbeitsumfeldern jedoch umso mehr. Denn die meisten
Entscheidungen werden dann nicht mehr an vorderster Front
getroffen. Ein Beispiel: Jos de Blok hat die ambulante Pflege
revolutioniert. Sein Unternehmen Buurtzorg hat in Holland
R
Acht Regeln für Rebellen im Business
Checkliste.
In uns allen steckt ein Rebell, meint Professor Francesca Gino von der Harvard Business
School. In ihrem Buch „Rebel Talent“ beschreibt sie acht Prinzipien für Rebellen:
1
Suche nach dem Neuen.
Die Neugier der Rebellen ist unersättlich.
Wenn Dich etwas interessiert, brauchst Du
keine Rechtfertigung dafür, denn es kann
Dich irgendwann zu einer großen Einsicht
führen.
2
Ermutige zu konstruktivem
Widerspruch.
Rege alle Teammitglieder dazu an, die Rolle
eines Skeptikers einzunehmen. Schließe
die formale Führungskraft auch mal von der
Diskussion aus, da sonst alle dazu neigen,
sich ihrer Meinung anzuschließen. Benenne
im Team offiziell jemand, der den Störer
spielt. Last but not least: Umgebe Dich mit
Leuten, die anderer Meinung sind.
3
Fange Gespräche an und beende
sie nicht.
Meinungsverschiedenheiten sind willkom-
men, aber nur, wenn sie von gemeinsamem
Respekt geprägt sind. Jeder sollte Beden-
ken äußern können, ohne etwas befürchten
zu müssen. Fange neue Gespräche – auch
schwierige – an und bleibe am Ball, auch
wenn es hart auf hart kommt.
4
Zeige, wer Du bist.
Rebellen verstehen, welche Kraft es hat,
sich selbst zu zeigen – und sich selbst zu
kennen. Sie verbergen nicht, wer sie sind.
Sie geben auch nicht vor, jemand zu sein,
der sie nicht sind. Sie finden ihre wahren
Talente und bringen so ihr Potenzial zur
Entfaltung. Und sie ermutigen andere, ihre
Stärken zu entdecken und auszudrücken.
5
Lerne alles – und dann vergesse
alles.
Rebellen kennen die Grenzen ihres Wis-
sens. Sie beherrschen die Grundlagen ihres
Metiers. Das hat nichts damit zu tun, skla-
visch Regeln zu befolgen. Manchmal muss
man zu den Ursprüngen eines Unterneh-
mens zurückkehren, um eine wirklich neue
und bessere Strategie zu finden. Wenn Du
innovativ sein willst, musst Du alles wissen
und dann alles wieder vergessen.
6
Finde Freiheit in der
Beschränkung.
Die Forschung zeigt: Wenn wir mit Ein-
schränkungen konfrontiert sind, entwickeln
wir oft eine größere mentale Energie. Das
führt dazu, dass wir ressourcenschonender
und beharrlicher handeln – und so Erwar-
tungen häufig übertreffen. Beschränkungen
können unseren Geist öffnen und die Kre-
ativität anregen. Manchmal können enge
Budgets, zeitliche Restriktionen oder enge
Standards zu kreativen Lösungen führen.
7
Führe aus dem Schützengraben.
Rebellen wissen, wo wirklich etwas pas-
siert – und da möchten auch sie sein. Sie
sitzen nicht in einem Elfenbeinturm. Die
angesehensten Führungskräfte sind dieje-
nigen, die sich am ehesten die Hände im
Alltagsgeschäft schmutzig machen. Andere
sind eher bereit, Dir zu folgen, wenn Du auf
Augenhöhe mit ihnen kämpfst. Sei Dir nicht
zu schade, Dich in die Position der Mitarbei-
ter zu begeben. Dort erlebst Du die wahren
Probleme und verstehst besser, worauf es
in der Organisation ankommt.
8
Fördere glückliche Unfälle.
Rebellen schätzen es, wenn etwas schief-
geht. Sie erkennen, dass ein Fehler oft den
Durchbruch für Innovationen bedeutet.
Das Zusammentreffen von Menschen mit
verschiedenen Perspektiven macht Orga-
nisationen kreativer. Fruchtbare Verbin-
dungen entstehen beispielsweise durch
eine diverse Zusammensetzung von Teams.
Bringe deshalb bewusst Leute mit verschie-
denen Talenten zusammen und lasse Raum
für Zufälle.
Die Verhaltensforscherin Francesca Gino
berichtet über ihre Forschungsarbeit aus-
führlich in ihrem Buch „Rebel Talent“ (Har-
per Collins Books, 2018).
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