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wirtschaft + weiterbildung
02_2019
INTERVIEW.
Personalentwickler und externe Berater, die
sich trauen, nennen sich modisch „Organisationsrebellen“.
Ihr Vorbild ist der Holländer Joost Minnaar, der mit einem
langjährigen Freund den Begriff „Corporate Rebels“ erfand.
Sein Ansatz, um die traditionelle Arbeitswelt zu verbessern:
„Corporate Rebels brechen alle Regeln, die keinen Sinn
mehr ergeben.“
Ihr Corporate-Rebels-Blog wird in mehr als 100 Ländern
gelesen und Sie sind unter den „Top 30 Emergent Manage-
ment Thinkers“ gelistet. Wie hat das alles angefangen?
Joost Minnaar:
Als ich für ein großes deutsches Unternehmen
in Barcelona arbeitete, passierten einige verrückte Dinge, die
nicht zu mir passten. Mein Team von 30 Ingenieuren und Wis
senschaftlern in der Entwicklungsabteilung erzielte wirklich
gute Ergebnisse und wir hatten große Kunden im Silicon Val
ley. Aber das Management aus Deutschland versuchte stän
dig, sich einzumischen. Damals las ich viel über neue Formen
der Zusammenarbeit. Ich war ziemlich skeptisch, ob das alles
wirklich wahr ist, was Firmen wie Google oder Spotify über
sich verbreiten oder einfach nur eine schöne Geschichte. Ich
war neugierig und fragte Pim de Morree, den ich kenne, seit
wir kleine Jungs sind, was er davon hält. Wir wollten mehr
darüber erfahren. Unser Unternehmen „Corporate Rebels“ ent
stand, indem wir zu vorbildlichen Organisationen gereist sind
und nachgefragt haben. Inzwischen ist ein kleines Ökosys
tem entstanden, mit Kontakten auf der ganzen Welt und einer
Slack-Community mit rund 2.000 Mitgliedern.
Sie haben eine Liste von mehr als 50 Corporate Rebels
zusammengestellt – neben Forschern hauptsächlich Unter-
nehmer und Führungskräfte. Was macht sie zu Rebellen?
Minnaar:
Unternehmensrebellen sind Menschen, die wirklich
Veränderungen in ihrer Organisation bewirken. Oft sind sie
Foto: Cherries / AdobeStock
So werden Sie
ein Organisations-
Rebell
sehr visionär, ziemlich hartnäckig und etwas eigensinnig. Ihre
Ideen sind fast immer mit einem besseren Erlebnis für die Kun
den verbunden. Als Intellektuelle umgeben sie sich mit Leuten,
die das in der Praxis tatsächlich möglich machen.
Was unterscheidet sie von „normalen“ Mitarbeitern?
Minnaar:
Viele Menschen akzeptieren am Arbeitsplatz be
stimmte Umstände, ohne sie zu hinterfragen. Unternehmens
rebellen hingegen versuchen ständig, den Status quo heraus
zufordern und sie stellen Fragen, warum wir bestimmte Dinge
tun und um welchen Preis. Man sieht das auch bei vielen
Künstlern. Gegen den Strom zu schwimmen, ist nicht einfach
– vor allem, wenn man noch nicht weiß, ob neue Ideen funk
tionieren. Deshalb brauchen Corporate Rebels viel Ausdauer
und Fantasie. Meistens ist ihre Geschäftsidee die Leidenschaft
ihres Lebens.
Inwieweit verändern Corporate Rebels ganze Organisationen –
könnten Sie ein Beispiel nennen?
Minnaar:
Im Moment bin ich viel in China und schreibe über
Haier, einen Hersteller von Waschmaschinen, Haushaltsgerä
ten und Fernsehern. Dieses Unternehmen wird zunehmend zu
einer Service-Plattform: Sie verschenken Hardware und verdie
nen ihr Geld an der damit verbundenen Software. Zum Beispiel
haben sie einen Gaming-Laptop, aber die Monetarisierung
läuft über das Streaming der Videospiele – ein Riesenmarkt in