wirtschaft + weiterbildung
02_2019
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China. Zhang Ruimin, der CEO von Haier, treibt diese Transfor
mation voran. Das ist ein völlig neues Geschäftsmodell – eine
Verlagerung von der Massenproduktion zur massenhaften Kun
denorientierung. Kunden können mit ihrem eigenen Wunsch
kommen und Haier setzt das um. Das ist faszinierend – auch
in Bezug auf die Organisation der 70.000 Mitarbeiter. Das Un
ternehmen besteht aus kleinen Firmen und Start-ups, die frei
agieren und nur über eine Online-Plattform verbunden sind.
Sie haben 10.000 Beschäftigte aus dem mittleren Management
gefeuert, weil sie für eine solche Organisation überflüssig sind.
In Deutschland oder zumindest in Holland bisher undenkbar!
Aber Haier ist auch in China ein Sonderfall. Die meisten der
dort ansässigen Unternehmen sind noch sehr traditionell.
Was treibt diese rebellischen Führer an, solche radikalen
Veränderungen zu fördern?
Minnaar:
Es gibt hauptsächlich zwei Backgrounds. Die einen
Organisationsrebellen werden scheinbar schon immer von
der Vorstellung angetrieben, dass Menschen gut sind und
dass man sie auch am Arbeitsplatz entsprechend behandelt.
Sie fangen oft an, in einem traditionellen Betrieb zu arbeiten,
aber nach spätestens ein bis zwei Jahren gründen sie ihr eige
nes Unternehmen. Sie passen einfach nicht in die klassische
Arbeitswelt. Die anderen 50 Prozent pflegen zunächst einen
sehr traditionellen Führungsstil und dann passiert ihnen etwas
Dramatisches – beispielsweise, dass in ihrem Umfeld jemand
stirbt, sie einen Burn-out haben oder sie die vielen Entschei
dungen und die ganze Verantwortung extrem stresst. Diese ent
scheidende Erfahrung, ein Schock oder traumatisches Erlebnis,
ist eine Art Weckruf für sie.
Könnten Sie auch hier mal ein Beispiel für einen Corporate
Rebel nennen, der oder die so eine einschneidende Erfahrung
gemacht hat?
Minnaar:
Ein Beispiel ist Kees Pater, der eine Keksfabrik in Hol
land betreibt. Zu Beginn, als er die Fabrik übernahm, hatte
er eine hierarchische Führungsstruktur und trieb seine Mitar
beiter ständig zu mehr Effizienz an. Er war sehr erfolgreich.
Die Fabrik wuchs und er hatte immer mehr Mitarbeiter. Aber
er bekam ein Suchtproblem. Irgendwann intervenierte seine
Familie und brachte ihn für einen Monat in die Reha. Damals
dachte er, dass die Fabrik ohne ihn und seine Entscheidungen
zugrunde gehen würde. Als er wieder zurückkam, fand er die
Firma jedoch keineswegs im Chaos vor. Vielmehr hatte sie
ohne ihn den bisher besten Monat. Dieser Aha-Effekt bewirkte,
dass er seinen Führungsstil änderte, weniger Anweisungen gab
und sehr viel mehr unterstützend agierte.
Organisationsrebellen sind also Weltverbesserer?
Minnaar:
In gewisser Weise, ja. Aber sie sind nicht einfach.
Sie sagen, entweder du folgst mir oder du kannst mir gestoh
len bleiben. Es ist alles oder nichts. Sie haben ein Paradoxon:
R
Gegen den Strom.
Business-
Rebellen sollten sich darauf
vorbereiten, gegen den
Mainstream zu schwimmen.