training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
02_2019
aufgewachsen ist. Danach sollte jeder
eingestimmt sein und wissen, wie die
unterschiedlichen Generationen „ticken“.
Die (etwa 16) mutigsten Mitarbeiter dür-
fen dann frei wählen, welcher Generation
sie sich zuordnen wollen. Sie schlüpfen
nicht nur in die Rolle des entsprechenden
Generationenvertreters, sondern auch
in ein farbiges T-Shirt, das sie eindeutig
als Vertreter der Generation Babyboomer
(pink), Generation X (blau), Generation Y
(gelb) oder Generation Z (grün) ausweist.
So kann es passieren, dass ein Auszubil-
dender der Generation Z plötzlich in die
Rolle eines Babyboomers schlüpft oder
umgekehrt.
Und schließlich heißt es: Vorhang auf!
Die Bühne wird in drei Teile aufgeteilt.
Der eine Teil ist ein Besprechungsraum,
wo es geschäftsmäßig kommunikativ zu-
gehen soll. Der andere Teil zeigt einen Ar-
beitsplatz, wo Mann und Frau produktiv
sind, und der dritte Teil ist die Teeküche,
in der es auch mal konspirativ zugeht.
Die Generationenvertreter werden von
der Trainerin an ihren Platz auf der Bühne
gebracht und dann wird ihnen eine Anek-
dote aus dem Berufsalltag vorgetragen.
Die Rollenspieler haben die Aufgabe, sich
in ihre jeweilige (Generationen-)Rolle ein-
zufühlen und spontan auf die Situation
zu reagieren, indem sie etwas Konstruk-
tives sagen, die Augen verdrehen oder
anfangen, über Problemlösungen nach-
zudenken. Wenn ein Jugendlicher der
„Generation Z“ sich weigert, an bestimm-
ten Tagen vor 10.00 Uhr zur Arbeit zu
kommen, weil er als Sportler regelmäßig
zur Massage muss, dann steht bestimmt
das Lästern der pflichtbewussten Alten in
der Teeküche im Vordergrund.
Manchmal fällt den Spielern auf der
Bühne spontan nichts ein. Auf solche
„Ladehemmungen“ muss die Trainerin
schon bei der Konzeption achten. Weßels
definiert zum Beispiel einige Zuschauer
vorher als Helfer, die unfreiwillige Pausen
mit passenden Zurufen „beleben“ dürfen.
Die Trainerin selbst, die sich permanent
auf der Bühne befindet, ist auch darauf
vorbereitet, mittels Moderationskarten
Schauspielern Anweisungen zuzuste-
cken. Nach einer kurzen Aufwärmphase
spielen die Mitarbeiter auf der Bühne in
der Regel ihre Rolle leidenschaftlich über-
zeugend und mit viel Spaß. Sie tauchen
in ihre Rolle ein und vergessen den Rest.
Extra Reflexion für die Chefs
Direkt im Anschluss an das Theaterspiel
erfolgt ein Austausch, damit das Erlebte
nachhaltig in Erinnerung bleibt. Die Füh-
rungskräfte klären in einem separaten
Workshop à la Open Space, was das für
ihre zukünftige Führungsarbeit bedeutet
und was sie ändern können. Diskutiert
werden oft folgende Fragen: Was bedeu-
tet das Ganze für die Führungsarbeit in
der Zukunft? Was kann und muss Füh-
rung ändern, damit altersgemischte
Teams ihre Chancen erkennen und agi-
ler werden? Die DVCT-Jury zeigte sich
beeindruckt: „Das Generationentheater
ist ein Format, das in nur sechs Stunden
große und heterogene Gruppen erreicht.
Es sorgt dafür, dass sich die Beteiligten
zukünftig wertschätzend begegnen und
das ungeachtet ihrer Andersartigkeit und
Hierarchien. Das positive gemeinsame Er-
lebnis leitet einen Kulturwandel ein, von
dem alle profitieren.“
Weßels fasst den Erfolg ihrer Arbeit so
zusammen: „Das Generationentheater
teilt die Zeit in ein „Davor“ und ein „Da-
nach“. Die Teilnehmer, die am Generati-
onentheater teilgenommen haben, begeg-
nen sich auch auf Augenhöhe, wenn der
(Bühnen-)Vorhang längst gefallen ist. Sie
haben gemeinsam etwas erlebt, haben
gemeinsam Spaß gehabt und gemeinsam
gelernt, dass ihr Gegenüber auch nur ein
Kind seiner Generation ist und dass jede
Generation ihre Stärken hat.“ Als Lern-
ziele des Generationentheaters nennt
Weßels:
• Die Teilnehmer werden offener für die
(Generationen-)Diversität, weil sie ver-
stehen, wie die einzelnen Generationen
sozialisiert sind.
• Die Teilnehmer erkennen, dass jede Ge-
neration ihre Stärken hat.
• Die Teilnehmer erfahren, dass der Weg
zum Erfolg in einer toleranten Begeg-
nung liegt.
• Die Teilnehmer erarbeiten auf Augen-
höhe generationen- und hierarchie-
übergreifend, wie ein erfolgreiches Mit
einander gelingt.
Das Generationentheater zeigt auch:
Das gute alte Rollenspiel hat längst nicht
ausgedient, weil es – richtig inszeniert –
Ängste aufweicht, Masken fallen lässt,
schonungslos die Dinge beim Namen
nennt und dabei den Teilnehmern die
Möglichkeit gibt, unangreifbar zu sein.
Martin Pichler
R
Siegerlaune.
Stefa-
nie Weßels (Mitte)
bekommt in Ham-
burg den DVCT-
Award überreicht.
Stefanie Weßels.
Sie präsentierte ein
Modell der in drei Teile geteilten Bühne.
Fotos: Pichler