wirtschaft und weiterbildung 2/2019 - page 44

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
02_2019
tieren kann. Da wird nicht sofort gemes-
sen, wie viel Geld die neue Idee bringt,
sondern wie viele Ideen ich getestet habe,
wie viel ich gelernt habe und wie viele
Ideen ein echtes Potenzial haben. Dazu
muss ich Beweise liefern. Dafür spreche
ich zum Beispiel mit hundert Kunden
über meine Idee. 50 haben dafür ein Bud-
get und 30 sind bereit, dafür zu zahlen.
Also brauche ich zwei getrennte
Organisationen?
Osterwalder:
Ja, aber es muss so etwas
wie eine durchlässige Membran geben.
Denn ein Großunternehmen hat viele
Ressourcen: die Marke, intellektuelles Ei-
gentum und die Kunden. Wenn ich die
beiden Systeme völlig trenne, fehlt mir als
Innovator der Zugang zu diesen wichti-
gen Ressourcen. Das klingt sehr banal, ist
es aber nicht. Wenn ich Key Account Ma-
nager bin, möchte ich nicht unbedingt,
dass da jemand kommt und mit meinen
Kunden über neue Produkte spricht.
Denn dann kaufen sie vielleicht meine
Produkte nicht mehr. Hier muss die Füh-
rung klare Zeichen setzen und zum Bei-
spiel vorgeben, dass 20 oder 30 Prozent
des Wachstums von neuen Produkten
kommen müssen.
Das klingt so, als seien Manager und
Innovatoren zwei ganz unterschiedliche
Typen.
Osterwalder:
Manager und Innovator
oder Entrepreneur sind zwei völlig un-
terschiedliche Berufe. Wenn ich Spaß am
Managen von existierenden Prozessen
habe, bin ich eher guter Manager. Wenn
ich gern viele neue Dinge anfange und
ausprobiere, habe ich wahrscheinlich
mehr Unternehmertum im Blut. Und nur
weil ich einen Fünf-Milliarden-Bereich
gut gemanagt habe, bin ich noch lange
kein guter Unternehmer.
Also ist es auch eine Sache der
Persönlichkeit?
Osterwalder:
Entrepreneure erkennt man
unter anderem daran, dass sie eine neue
Idee auch dann anreißen, wenn von vorn-
herein klar ist, dass sie zum Scheitern ver-
urteilt ist. Sie haben einfach Lust am Aus-
probieren und wenig Angst vor dem Schei-
tern. Und sie stehen viel schneller wieder
auf. Da braucht man schon ein dickes Fell,
muss viel einstecken und mit Unsicherheit
umgehen können. Ein Problem ist, dass
Innovation oft verherrlicht wird – gerade
von jungen Leuten. Die wollen Entrepre-
neure werden, ohne zu realisieren, dass
das ein knochenharter Job ist. Da müsste
man noch viel mehr in der Ausbildung
und an den Hochschulen tun. Dort sollte
jeder etwa durch Projektarbeit im risiko-
freien Umfeld erfahren können, was es
heißt, Unternehmer zu sein. Schließlich
ist das nicht für jeden das Richtige.
Aber man hat häufig den Eindruck, dass
heute jeder Mitarbeiter innovativ sein
muss.
Osterwalder:
Es gibt verschiedene Typen
von Innovationen. Einmal geht es darum,
Prozesse zu verbessern. Das ist auch
wichtig. Es muss immer auch Mitarbeiter
geben, die die Sachen des bestehenden
Geschäfts möglichst gut abarbeiten. Das
ist schließlich die Cash Cow. Und dann
gibt es die Wachstumsinnovation. Das ist
Unternehmen suchen händeringend
kreative Mitarbeiter und die behaupten,
Innovation sei für sie im Grunde nur ein
Karrierekiller. Warum?
Dr. Alexander Osterwalder:
Wenn man
etwas Neues macht, muss man experi-
mentieren und Dinge ausprobieren. Das
klappt nicht immer auf Anhieb. Aber es
gibt nichts Schlimmeres für die eigene
Karriere, als zu sagen, ich habe etwas
probiert und das hat nicht funktioniert.
Wenn man wirklich Innovation betrei-
ben will, muss man experimentieren und
dazu gehört es auch, öfter zu scheitern.
Doch diesen Prozess gibt es in den Unter-
nehmen bisher nicht. Also präsentieren
Mitarbeiter ihre Idee so, als wäre es be-
reits bewiesen, dass sie funktioniert. Sie
machen ihren Traum zur Wirklichkeit,
statt einzugestehen, dass es wahrscheinli-
cher ist, dass ihre Idee scheitert. Die Leis-
tungskennzahlen der meisten Unterneh-
men sind nach wie vor auf Management
und Ausführung ausgerichtet. Wenn ich
etwas Neues ausprobiere und scheiterte,
werde ich nicht dafür belohnt, sondern
bestraft und gefährde meine Karriere.
Aber Manager könne nicht anders. Sie
müssen ihre Kennzahlen erreichen und
stehen dabei gegenüber dem CEO und
den Aktionären in der Pflicht ...
Osterwalder:
Man muss im Prinzip zwei
Systeme mit unterschiedlichen Kulturen
aufbauen: Einmal den bestehenden Be-
reich. Da muss ich als Manager meine
Zahlen liefern. Wenn ich zwei Prozent
Wachstum voraussage, muss ich die auch
bringen. Gleichzeitig muss ich parallel
eine Kultur schaffen, wo man experimen-
Innovationen brauchen die
richtigen Prozesse
DRUCKER FORUM/INTERVIEW.
Fast alle Unternehmen wollen innovativ sein, doch
die Mitarbeiter spielen den Chefs nur „Innovationstheater“ vor. Es fehlen die richtigen
Prozesse, um aus Ideen Erfolgsprodukte zu machen. Alexander Osterwalder
r „Erfinder“ des „Business Model Canvas“ und Co-Autor des
Handbuchs „Business Model Generation“, erklärt, warum so viele Unternehmen scheitern.
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