wirtschaft und weiterbildung 2/2019 - page 51

wirtschaft + weiterbildung
02_2019
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ten und Vorwürfe“ sollte sich jede Füh-
rungskraft folgende fünf Fragen stellen:
1.
Reagieren Sie auf den Fehler eines
Mitarbeiters anders, wenn es sich um
einen subjektiven Fehler handelt? Oder
ist Ihre Reaktion auf subjektive und ob-
jektive Fehler identisch?
2.
Fällt es Ihnen schwer, anzuerkennen,
dass ein Fehler eines Mitarbeiters ein
subjektiver Fehler ist? Wie gehen Sie
damit um, wenn Sie bemerken, dass
die Lösung oder das Vorgehen Ihres
Mitarbeiters eine ebenso zutreffende
Einschätzung ist wie Ihre?
3.
Machen Sie subjektive Fehler, wenn
Sie diese als solche erkennen, für Ihre
Mitarbeiter transparent? – Immer? Nur
in manchen Fällen? In welchen Fällen
nicht?
4.
In Ihrer Vergangenheit (seit Ihrer Kind-
heit) sind einige vermeintlich objektive
Fehler tatsächlich subjektive Fehler ge-
wesen. Wie viel Kritik hätten Sie selbst
nicht erhalten, wenn diese beiden Feh-
lertypen allen Personen Ihrer Vergan-
genheit bekannt gewesen wären: allen
Personen Ihrer Kindheit, allen Perso-
nen Ihrer Jugend, allen Personen Ihrer
Ausbildungszeit oder Studienzeit, allen
Personen am Arbeitsplatz?
5.
Wird die Unterscheidung zwischen
objektiven und subjektiven Fehlern Ihr
Verhalten in der Zukunft in irgendeiner
Weise verändern? Warum beziehungs-
weise warum nicht?
Sie als Führungskraft sollten nie ihr un-
beabsichtigtes Führungsverhalten über-
sehen. Sie lösen durch Ihr Führungsver-
halten Emotionen bei Ihren Mitarbeitern
aus. In der Vorgesetztenrolle sind Sie die
Person, die Leistungen von Mitarbeitern
bewertet. Jeder Mitarbeiter ist – selbst
wenn er Sie unsympathisch finden sollte
– daran interessiert, wie Sie seine Leis-
tung einschätzen.
Ihr nonverbaler, emotionaler Ausdruck
dient dem Mitarbeiter dabei als zusätz-
licher Informationskanal. Hier, wie in
anderen Feldern Ihrer Führungskommu-
nikation, kann es zu Fehldeutungen kom-
men. Insbesondere dann, wenn Erklärun-
gen ausgespart werden und nicht ausrei-
chend kommuniziert wird. Schon kommt
etwas als Vorwurf an, das von Ihnen gar
nicht so gemeint war. Und ein Konflikt ist
geboren.
Ein Beispiel aus dem Arbeitsleben gefäl-
lig? Eine Führungskraft und ein Mitarbei-
ter sind seit zwei Jahren im Konflikt. Der
Mitarbeiter ignoriert den Vorgesetzten
bei Besprechungen weitgehend. Wie sich
bei der späteren Konfliktmoderation her-
ausstellte, begann der Konflikt mit einem
Missverständnis in einer Besprechungssit-
zung. Der Vorgesetzte hatte damals die
Sitzung moderiert.
Ein anschauliches Beispiel aus
der Arbeitswelt
Schauen wir zurück: Volles Haus. Alle
Mitarbeiter am langen Tisch. Es kommt
der Tagesordnungspunkt an die Reihe,
bei dem der Mitarbeiter von seinem Pro-
jekt berichten soll. Der Vorgesetzte lässt
es nicht dazu kommen. „Dafür haben
wir jetzt keine Zeit.“ In der Sitzung fällt
auch noch ein anderer Tagesordnungs-
punkt unter den Tisch. Der eine Satz des
Vorgesetzten war der Auslöser für den
Konflikt? Was denken Sie? Warum ist es
dadurch zum Konflikt gekommen? Wie
hat der Mitarbeiter die damalige Situation
erlebt? Der Mitarbeiter hatte die Aussa-
gen des Vorgesetzten in der Besprechung
als Vorwurf erlebt. Die sachliche Aussage
„Es bleibt keine Zeit für diesen Tagesord-
nungspunkt“ kam beim Mitarbeiter als
heftige Kritik an. „Für Deine Anliegen
haben wir keine Zeit. Deine Arbeit ist
nicht wichtig. Du bist nicht wichtig.“ Ein
paar Sätze hätten gereicht, um den Kon-
flikt gar nicht erst entstehen zu lassen.
Wenn die Führungskraft dem Mitarbeiter
das Motiv hinter ihrem Verhalten erklärt
hätte, wäre es nicht zum Konflikt gekom-
men.
„Dafür haben wir keine Zeit. Denn aktu-
ell liegt die Priorität beim Projekt Y. Sie
sind der Experte, Sie wissen, dass Ihr
Projekt sehr viel Vorwissen braucht, um
sich hineinzudenken. Daher möchte ich
lieber in einer kleinen Runde von Exper-
ten mit Ihnen darüber sprechen. Dann ist
die Beratung dazu effektiver und auch
effizienter.“ Machen Sie das Zitat des be-
kannten Kommunikationsforschers Paul
Watzlawick zu Ihrem Leitgedanken: „Ich
weiß nicht, was ich gesagt habe, bevor
ich die Antwort meines Gegenübers ge-
hört habe.“
Timo Müller
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