wirtschaft + weiterbildung
01_2019
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Ein schmerzhaftes Scheitern zu verarbeiten, braucht Zeit
Bert Overlack erbte einen Zulieferer der Möbelindustrie
und leitete ihn 13 Jahre lang erfolgreich. In der Finanzkrise
des Jahres 2009 brachen die Umsätze radikal ein und die
Banken „zogen den Stecker“. Heute ist Overlack ein Bera
ter, der sich auf das Thema „Scheitern“, „Sanierung“ und
„Neuanfang“ spezialisiert hat. Er berichtet in seinem Buch
„Fuckup“ von seinem Kampf, die Insolvenz zu vermeiden
und von seiner Verzweiflung, als letztlich doch alle Anstren
gungen umsonst waren. Die Attraktivität des Buchs liegt
darin, dass Overlack es sich versagt, aus seinen Erfahrun
gen allgemeingültige Beraterweisheiten abzuleiten. Er ver
gleicht seine ehrlich und authentisch erzählte Geschichte
konsequent mit dem, was die Wissenschaft zum Thema
„Lernen aus Krisen“ zu sagen hat. So entstand einerseits
ein kurzweilig-emotionales und andererseits ein sehr klu
ges Buch, das einem aufgeschlossenen Leser Sicherheit
im Umgang mit Krisen vermittelt.
Zeit nehmen zum Reden
Wenn es um den größeren Kontext geht, stützt sich Over
lack auf den Amerikaner Dean Shepherd („Learning from
Entrepreneurial Failure“) und dessen deutschen Kollegen
Prof. Dr. Holger Patzelt von der Technischen Universität
München. Ihnen verdanken wir eine wissenschaftliche For
schung, die herausgefunden hat, dass ein gewisser zeitli
cher Abstand zum Scheitern dabei hilft, einen Absturz zu
verarbeiten. Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern Zeit
geben, ihr Scheitern zu verarbeiten. Der Lerneffekt ist dann
nämlich am größten. Auch können negative Emotionen bes
ser abgebaut werden, wenn man sich dafür Zeit lässt. Letz
teres ist auch deshalb wichtig, weil andauernde negative
Gefühle, die zum Beispiel von einem gescheiterten Projekt
herrühren, die Bindung der Mitarbeiter an ihr Unterneh
men nachweislich schwächen. Führungskräfte sollten sich
zum Beispiel Zeit nehmen, um mit den Beteiligten eines
gescheiterten Projekts verständnisvoll zu sprechen. Over
lack: „Eine Kultur des Vertrauens fördert das Lernen und
schützt vor Versagensgefühlen.“
Fehler nicht plump als Chance schönreden
Der Autor macht aber auch deutlich: Es geht ihm nicht um
eine Glorifizierung des Scheiterns als Basis für spätere
Erleuchtungen. „Es ist nicht Sinn eines Unternehmens,
Buchtipp.
Gerade ist bei Wiley ein Buch erschienen, in dem ein zuerst sehr erfolgreicher und dann
gescheiterter Unternehmer seine persönlichen Erfahrungen schildert und sie gleichzeitig in einen
größeren (wissenschaftlichen) Kontext stellt. Scheitern tut weh, aber es führt letztlich auch zu
Wendepunkten – aber nur, wenn das Scheitern rational wie emotional angemessen verarbeitet wird.
Bert Overlack.
Er ist Autor des Buchs: Fuckup. Das
Scheitern von heute sind die Erfolge von morgen, Wiley,
München 2018, 256 Seiten, 19,99 Euro.
Fehler zu produzieren. Jeder Fehler hat einen Preis, den
man nicht mit dem Wort Lernerfahrung schönreden darf“,
schreibt Overlack. Ihm geht es darum, aus Pannen und Plei
ten, die in der VUCA-Welt weniger denn je ausgeschlossen
werden können, auch wirklich etwas zu lernen. Außerdem
möchte der Autor mit seinem Buch erklären, warum Schei
tern in Deutschland ein Tabuthema ist: „Für den Umgang
mit Scheitern und der vorherrschenden Fehlerkultur in
Deutschland gibt es historische Gründe. Aber nur, weil die
Historie die Kultur geprägt hat, heißt das nicht, dass wir
alles so beibehalten müssen.“ Das „Fuckup“-Buch will auf
rütteln: Mit einem offenen Umgang mit Fehlern können alle
nur gewinnen.
Eine Vertrauenskultur hilft
Dass „Fuckup“ ein modernes Buch ist, merkt man auch
daran, dass der Autor am Ende eines Kapitels keine Merk
sätze formuliert, sondern Fragen stellt, die zum Denken
anregen. Das Kapitel „Vertrauenskultur“ endet zum Bei
spiel mit folgenden Fragen (Auszug):
· Wie offen gehen Führungskräfte mit eigenen Fehlern um?
· Wie lernen Mitarbeiter aus den Fehlern anderer?
· Was würde sich ändern, wenn eine echte Vertrauenskultur
gelebt würde?
· Anhand welcher Kriterien könnte man die Erfolge einer
Vertrauenskultur messen?
Martin Pichler
Foto: Wiley