wirtschaft und weiterbildung 1/2019 - page 44

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
01_2019
Deshalb hat sich für die Auswahl der Rei-
seteilnehmer folgendes Konzept bewährt,
das es den Entscheidern und potenziellen
Teilnehmern ermöglicht, ihren Blick dafür
zu schärfen, wer wo auf seiner ganz per-
sönlichen Reise steht. Zielführend ist es
zum Beispiel, mit einem offenen „Agile
Awareness Workshop“ für Interessierte
zu starten. Dieser Workshop dient dazu,
ein Grundverständnis dafür zu schaf-
fen, was agile Transformation überhaupt
bedeutet, welche Dimensionen dieser
(Change-)Prozess berührt und vor allem,
was die Aufgaben und Rollen unter an-
derem eines agilen Coachs im Unterneh-
mensalltag sind. Dabei lautet ein, wenn
nicht gar das zentrale Ziel: Bei den poten-
ziellen Ausbildungsteilnehmern soll ein
klares Bild entstehen, ob sie sich über-
haupt auf die Reise in die Welt der agilen
Coachs begeben möchten.
Lautet die Antwort ja und ist ihr Interesse
geweckt, sollte ein strukturierter und
transparenter Weg aufgezeigt werden,
wie und unter welchen Bedingungen sie
für sich entscheiden können, ob sie an
dieser Reise teilnehmen möchten, und
wie die Auswahl der Kandidaten für eine
Agile-Coach-Ausbildung erfolgt. Ein sol-
cher Workshop schafft zudem ein erstes
gemeinsamen Agilitäts-Verständnis im
Unternehmen.
Wie geht es nun weiter für die Interessier-
ten? Sie erhalten gegen Ende des Work-
shops zum Beispiel eine Hausaufgabe,
um die eigene Motivation für die Ausbil-
dung zu zeigen. Diese Aufgabe kann bei-
spielsweise lauten, sich intensiv mit einer
Selbstreflexionsaufgabe zu befassen.
Außerdem werden sie gebeten, ein psy-
chologisches Persönlichkeitsinventar aus-
zufüllen, das beispielsweise auf dem Big-
Five-Modell der Persönlichkeit basiert.
Anschließend werden die Kandidaten zu
einem „Agile Attitude Development Day“
eingeladen.
Nachhaltig zur Selbstreflexion
anregen
An diesem Tag wird unter anderem re-
flektiert, wie die Teilnehmer die Haus-
aufgabe angingen und lösten und von
welchen Einstellungen sie sich hierbei
leiten ließen. Dies dient als Einstieg in
ein Gespräch mit ihnen darüber, was sie
dazu motiviert, agile Coachs zu werden,
und mit welcher Haltung sie sich dem
Thema Agilität nähern. Dabei werden sie
in gemeinsamen Übungen auch spiele-
risch mit den agilen Prinzipien vertraut
gemacht und setzen sich in verschiede-
nen Lern- und Reflexionssettings sowohl
mit den Aufgaben als auch mit sich selbst
auseinander. Dr. Kraus & Partner nutzt
dafür unter anderem ein eigens hierfür
entwickeltes Kartenspiel, das für eine
tiefe Reflexion sorgt und als Tool dazu
dient, die individuelle Haltung besprech-
bar zu machen.
Gegen Ende des Workshops sollten alle
Teilnehmer ein ausführliches individu-
elles Feedback und die Auswertung des
vorab ausgefüllten Persönlichkeitsinven-
tars erhalten, um für sich fundiert ent-
scheiden zu können:
• „Ja, ich will ein agiler Coach werden“
oder
• „Ich kann in einer anderen Funktion
mehr zum Steigern der Agilität unserer
Organisation beitragen“.
Selbstverständlich liegt es auch im Inte-
resse des Unternehmens zu schauen, an
welchem Startpunkt der (agilen) Reise
ihre Mitarbeiter stehen – unter anderem,
um die Entwicklung aller Ausbildungsteil-
nehmer individuell und bedarfsorientiert
zu planen. Faktisch beginnt deren Ent-
wicklung bereits an dem „Agile Attitude
Development Day“ – zumindest, wenn
ihnen in dem Workshop auch konkrete,
individuelle Entwicklungsempfehlungen
gegeben werden.
Der Vorteil eines solchen mehrdimen-
sionalen Verfahrens ist: Es ist und wirkt
nicht künstlich, da sich die Teilnehmer
bereits intensiv mit dem für Agilität nö-
tigen Mindset auseinandersetzen. Zudem
wird von Anfang an deutlich, wie wich-
tig eine wechselseitige Wertschätzung,
eine hohe Transparenz und eine Kom-
munikation auf Augenhöhe sind, damit
Menschen ihre Einstellungen und ihr
gewohntes Agieren reflektieren und zu
einer Änderung ihrer Haltung und ihres
Verhaltens bereit sind. Denn nicht nur für
agile Coachs gilt bezogen auf das Thema
Agilität: „20 Prozent sind Technik und
Methodik und weitere 80 Prozent sind
Haltung“. Dies gilt auch für wirklich alle
Personen, die in einem Veränderungspro-
zess begleitet werden.
Die Ausbildung zum agilen Coach sollte
modular aufgebaut sein und sich über
einen längeren Zeitraum, zum Beispiel
sechs oder neun Monate, erstrecken,
damit bei den künftigen agilen Coachs
die für ihre Arbeit nötige Einstellung und
Haltung reifen können. Zudem sollte in
der Ausbildung neben der Methodenver-
mittlung stets auch das Thema Selbst-
reflexion und Reflexion der gemachten
Erfahrungen eine wichtige Rolle spielen.
Denn nur so entwickeln sich die Coachs
bezogen auf ihre Funktion weiter, und es
entsteht bei ihnen allmählich die Haltung
und damit auch Verhaltenssicherheit, die
sie in ihrem Arbeitsalltag in einem sich
verändernden Umfeld brauchen.
Katja von Bergen, Lars-O. Böckmann
R
Katja von Bergen
arbeitet als Unter-
nehmens-
und
Managementberate-
rin für die internati-
onal agierende Unternehmensberatung
Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, die unter
anderem agile Coachs ausbildet. Die
Betriebswirtin ist auf die Themenfelder
agile Transformation sowie Unterneh-
mensentwicklung spezialisiert.
AUTOREN
Lars-O. Böckmann
studierte BWL sowie
Arbeits- und Organi-
sationspsychologie.
Er arbeitet als Unter-
nehmens- und Managementberater für
die Unternehmensberatung Dr. Kraus &
Partner. Als HR-Experte mit langjähriger
Führungserfahrung (Konzern und Mit-
telstand) liegt sein Fokus vor allem im
Bereich HR und HR-Development.
Dr. Georg Kraus Unternehmensberatung e. K., Werner-von-Siemens-Straße 2-6,
76646 Bruchsal, Tel. +49(0)7251 989034,
1...,34,35,36,37,38,39,40,41,42,43 45,46,47,48,49,50,51,52,53,54,...68
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