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wirtschaft + weiterbildung
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keit, Vergebung, Fairness und Ehrlichkeit.
Des Weiteren wird kritisch über Martin
Seligmans Forschung im Auftrag einer
Versicherung berichtet. Bereits in den
1980ern hatte dieser einem amerikani-
schen Unternehmen geholfen, Bewer-
ber für eine Anstellung als Vertreter für
Lebensversicherungen auszuwählen
(siehe: Seligman, M. E. & Schulman, P.
(1986): „Explanatory style as a predictor
of productivity and quitting among life
insurance sales agents.” Journal of Perso-
nality and Social Psychology, 50(4), 832-
838). Konkret wurde eine Gruppe nach
dem unternehmensüblichen Verfahren
ausgewählt, während eine andere Gruppe
zusätzlich einen Test absolvierte, welcher
Optimismus messen kann, allerdings
nicht als Persönlichkeitseigenschaft, son-
dern als Attributionsstil.
Es zeigte sich, dass Menschen mit opti-
mistischem Attributionsstil mehr Versi-
cherungen verkaufen. Dies ist schnell
erklärt: Im Rahmen des Tests machen
Probanden Angaben dazu, wie sie mit
Rückschlägen umgehen. Wer sich diese
nicht zu Herzen nimmt, sondern zum
Beispiel auf eine schlechte Tagesform
schiebt (statt einem Mangel an Fähigkei-
ten), der wird als optimistisch definiert.
Es ist unmittelbar erkennbar, warum
diese Haltung für Menschen, die mit
einem hohen Maß an Zurückweisung
umgehen müssen, nützlich ist. Seligman
hat folglich ein Merkmal identifiziert, was
es Versicherungen ermöglicht, passendere
Bewerber auszuwählen – so wie einige
Unternehmen Intelligenztests nutzen,
weil in anderen Kontexten eben hohe In-
telligenz erfolgsförderlich ist. Es ist nicht
nachvollziehbar, was daran kritikwürdig
sein soll.
Vorwurf 6:
Aussagen zu meiner Person
Es ist zutreffend, dass ich darauf hin-
weise, dass Menschen das, was ihnen
als „die Nachrichten“ präsentiert wird,
kritisch hinterfragen sollten. Meine Aus-
sagen stützen sich auf einen vielfach
zitierten Überblicksartikel von Roy Bau-
meister, welcher nachweist, dass nega-
tive Informationen (sprich: beängstigend,
bedrohlich) unsere Informationsverar-
beitung stärker beeinflussen als positive
(siehe: Baumeister, R. F., Bratslavsky, E.,
Finkenauer, C. & Vohs, K. D. (2001): Bad
is stronger than good. Review of General
Psychology, 5(4), 323-370). Im Zusam-
menhang mit seit Jahrzehnten bekannten
Ergebnissen aus der Nachrichtenwert-
forschung, wonach Ereignisse mit nega-
tiver Valenz überproportional häufig als
nachrichtenwürdig ausgewählt werden,
versuche ich Menschen dafür zu sensi-
bilisieren, dass „die Nachrichten“ eine
negativ verzerrte Auswahl aller real exis-
tierenden Ereignisse darstellen. Diese vor-
gefilterte Nachrichtenauswahl erfahren
wir durch einen Wahrnehmungsapparat,
der bedrohliche und gefahrvolle Reize
bevorzugt verarbeitet. In diesem Sinne
empfehle ich Menschen einen bewussten
Umgang mit ihrer Mediendiät. Es geht
mir dabei um Ausgewogenheit, nicht Ver-
drängung.
Es trifft ebenfalls zu, dass ich in meinen
Vorträgen das wissenschaftlich veran-
kerte Konzept der „relationalen Energie“
(siehe: Owens, B. P., Baker, W. E., Sump-
ter, D. M. & Cameron, K. S. (2016): Relati-
onal energy at work: Implications for job
engagement and job performance. Jour-
nal of Applied Psychology, 101(1), 35-49)
vorstelle und dessen Relevanz verdeutli-
che. Im Kern geht es darum, dass – ver-
einfacht – Motivation durch gelungene In-
teraktionen zwischen Menschen gestärkt,
durch misslungene Interaktionen jedoch
auch geschwächt werden kann. Es gibt
Fragebögen, welche die Qualität solcher
Interaktionen messen können. In diesem
Sinne rufe ich selbstverständlich nicht zu
Mobbing auf, sondern helfe Menschen,
dessen Vorstufen zu identifizieren – um
sich wirksam dagegen schützen zu kön-
nen. Ich möchte anmerken, dass ich
diesen Vorwurf als besonders betrüblich
erachte, zumal ich die radikal negativen
Folgen von Mobbing auf die psychische
und physische Gesundheit in meiner Ju-
gend während eines Auslandsjahrs in den
USA über fast ein Jahr am eigenen Leib
zu spüren bekam.
Schließlich wird mir in den zu Anfang ge-
nannten Texten vorgeworfen, ich würde
eine übertrieben-protestantische Arbeits-
moral vertreten. Dazu ist zu sagen: Ich ar-
beite gerne, weil ich das Glück habe, viel
Zeit mit Tätigkeiten verbringen zu kön-
nen, die mir ausgesprochen viel Freude
bereiten, sinnstiftend erscheinen und nah
an meinen Stärken liegen. Ebenso sehr
schätze ich allerdings meine Freizeit. Ich
bin verheiratet, habe zwei kleine Kinder
sowie zwei Katzen und mache in meiner
Freizeit nichts lieber, als zu spielen und
zu kuscheln.
Auf Seiten der Forschung sei stellvertre-
tend für viele weitere Protagonisten Sa-
bine Sonnentag (Universität Mannheim)
erwähnt. Ihr Forschungsinteresse gilt im
Schwerpunkt der Relevanz von Erho-
lungsphasen für die Leistung während
der Arbeit. Dessen ungeachtet gibt es
Studien, welche nahelegen, dass manche
Menschen im Mittel während ihrer Ar-
beitszeit zufriedener sind als in der Frei-
zeit. Eine Arbeit dreier Professoren der
Universität Hamburg zeigt auf Basis von
Daten des sozioökonomischen Panels,
dass vor allem hoch qualifizierte Arbeit-
nehmer am Wochenende weniger zufrie-
den sind als werktags (siehe: Maennig,
W., Steenbeck, M. & Wilhelm, M. (2014):
Rhythms and cycles in Positive Psycho-
logie. Applied Economics, 46(1), 70-78).
Dies liegt an bestimmten Eigenschaften
von hoch qualifizierter Arbeit (klare Ziele
und Feedback, Flow-Erleben, Sinnstif-
tung), welche bei vielen Freizeitaktivitä-
ten, vor allem passivem Medienkonsum,
nicht gegeben sind.
3 Fazit: Die Bedeutung der
Positiven Psychologie
Fazit:
Die Positive Psychologie wird sich
in Zukunft für den einzelnen Menschen
wie auch für Systeme (zum Beispiel Bil-
dungseinrichtungen und Unternehmen)
als ausnehmend nützlich erweisen, ge-
rade weil sie wissenschaftlich gut ver-
ankert ist – ein Umstand, welche sie von
vielen anderen Schulen und Verände-
rungsmethoden positiv abhebt.
Dr. Nico Rose
„Die Positive Psychologie wird sich als nützlich
erweisen, weil sie wissenschaftlich gut verankert ist.“
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