wirtschaft und weiterbildung 1/2019 - page 57

wirtschaft + weiterbildung
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Global Drucker Forum 2018.
Zum zehnjährigen Jubiläum wechselte die Veranstaltung in
die Wiener Hofburg. Hier gab es viel Platz für großartige Redner, aber auch Raum für
zahlreiche Podiumsdiskussionen – überwiegend zur Humanisierung der Arbeitswelt.
wie man in einem Konzern die Pyramide
auf den Kopf stellt, lieferte Zhang Rui-
min, CEO der chinesischen Haier Group.
Sein Rendanheyl-Modell basiert darauf,
dass die Mitarbeiter zusammen mit den
Kunden Mehrwert schaffen. Angestellte
sind autonome Personen, die selbst kri-
tische Entscheidungen treffen und auch
Mitarbeiter einstellen können. Jeder sei
sein eigener CEO und die Welt sei seine
HR-Abteilung. Die sich selbst steuernden
Einheiten sind für Gewinn und Verlust
verantwortlich und funktionieren ähnlich
wie ein Inkubator. Wer eine gute Idee hat,
kann schnell aufsteigen. „Management
bedeutet, jeden dabei zu unterstützen,
Entrepreneur zu werden“, so Ruimin, der
radikal mehrere Zehntausend Positionen
im mittleren Management gestrichen hat.
„Die Manager mussten Entrepreneure
werden oder die Firma verlassen“, erklärt
der CEO. Empowerment by Autokratie in
China.
Auch über die Rolle des Staates wurde
diskutiert. „Der Staat ist die wichtigste in-
stitutionelle Innovation“, postulierte Mar-
tin Wolf, Redakteur der Financial Times.
Er biete intellektuelle und persönliche
Sicherheit, stelle ein Währungssystem be-
reit, schütze die Grenzen, finanziere In-
novationen, reguliere die Wirtschaft und
schütze die Umwelt. „Ich weiß nicht, wie
die Welt aussehen würde, wenn das alles
verschwinden würde“, so Wolf. „Wenn
der Staat nicht funktioniert, wird uns all
die tolle Technologie zerstören.“
Der Wert des Staates sei es, Moralität zu
schaffen, betonte der Unternehmer An-
drew Keen. Dafür gebe es drei Modelle:
das chinesische Modell der totalen Über-
wachung und Autokratie, bei dem alles
dem Staat obliegt und es keine Moralität
gibt. Das Gegenteil sei das amerikanische
Modell, wo sich der Staat zum Großteil
zurückgezogen habe und was nicht funk-
tioniere. Und schließlich das europäische
Modell als eine Mischung aus beiden.
„Wir müssen an einem vierten Modell
arbeiten“, so der Direktor des Innovation-
Salon Futurecast im Silicon Valley. „Wie
können wir wieder Vertrauen und Auto-
rität in den Staat schaffen?“, fragte Keen
und nannte Estland als Vorzeigebeispiel.
Die Jugend will nicht in „toxi-
schen“ Unternehmen arbeiten
„Ist es an der Zeit, sich wieder mit den
Geisteswissenschaften zu beschäftigen?“
lautete der Titel eines Panels. Manage-
ment sei zu technokratisch geworden,
die Welt zu komplex für die Naturwissen-
schaften, erklärte die Moderatorin und
Forscherin am Londoner King‘s College
Alice Sherwood. Viele Manager den-
ken, die digitale Transformation sei das
wichtigste Problem und vergessen dabei,
für wen sie das alles tun“, mahnte Julia
Culen, Geschäftsführerin der Wiener Be-
ratung Culen Mayrhofer Partner. Schon
der Begriff Human Resources zeige,
dass wir uns selbst als Ressource sehen,
aus der man möglichst viel herausho-
len müsse. „Im alten Paradigma geht es
immer um Optimierung und Profiterhö-
hung“, so Culen und fragte: „Doch ist
mehr Innovation und Technologie wirk-
lich wohltuend für uns als Menschen?“
Inzwischen gebe es ein neues Bewusst-
sein. Die Millenials wollten nicht mehr in
„toxischen Unternehmen“ arbeiten. Statt
dem Tun müsse das Sein wieder mehr
in den Vordergrund rücken. „Wir sollten
mehr auf uns selbst schauen, und nicht
nur darauf, wie wir andere führen“, so
die Beraterin.
Santiago Iñiguez de Onzoño, Executive
President der spanischen IE University,
sieht sogar einen Zusammenhang zwi-
schen dem Studium der Geisteswissen-
schaften, also etwa Geschichte, Kunst
und Literatur (in den USA als Liberal Arts
bezeichnet) und dem Unternehmertum.
So bringe das MBA-Studium, das die spa-
nische Business School gemeinsam mit
der amerikanischen Brown University
anbietet, mehr Unternehmer hervor. Der
Schwerpunkt der Eliteuniversität liegt bei
den „Liberal Arts“. Und wenn man sich
Start-ups anschaue, habe ein Großteil der
Gründer im College „Liberal Arts“ belegt,
so der IE-Präsident. „Jedes Buch von
Shakespeare bringt mehr als ein Selbsthil-
febuch“, so Iñiguez.
Kluge Analysen, neue Erkenntnisse und
meinungsstarke Statements – auch das
zehnte Globale Drucker Forum brachte
anregende und motivierende Ansätze,
sich für eine bessere Welt zu engagie-
ren. Ob daraus wirklich – wie von den
Veranstaltern erhofft – eine einflussrei-
che Bewegung wird, bleibt abzuwarten.
Paul Polman, CEO von Unilever, brachte
es treffend auf den Punkt: „Solange wir
unserer Gier folgen, stecken wir in der
Scheiße.“ Das nächste Global Drucker
Forum
ndet
am 21. und 22. November in der Wie-
ner Hofburg statt. Thema: The Power of
Ecosystems: Managing in a Networked
World.
Bärbel Schwertfeger
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