wirtschaft und weiterbildung 1/2019 - page 54

messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
01_2019
Fähigkeiten erwerben. Unternehmen kön-
nen ihre Mitarbeiter auf die Arbeit mit Ro-
botern und Cobots vorbereiten, aber wer
die Weiterbildung völlig dem Manage-
ment überlässt, ist der Erste, der geht.
Wie können Mitarbeiter eigenständig
lernen, mit künstlicher Intelligenz
zusammenzuarbeiten?
Hart:
Bei der Arbeit mit Robotern brau-
chen Wissensarbeiter nicht unbedingt die
dahinterstehende Technologie zu verste-
hen. Sie müssen nur wissen, wie sie mit
ihr arbeiten sollen – etwa um Entschei-
dungen zu treffen. Ich finde es wichtiger,
effektiv mit Kollegen zu kooperieren. Un-
ternehmen sollten kollaboratives Lernen
am Arbeitsplatz unterstützen.
Müssen Mitarbeiter sich neue Lernme-
thoden aneignen?
Hart:
Künftig geht es nicht darum, sich
Fakten zu merken, sondern zu wissen,
wo man sie findet. Die Menschen müs-
sen die Rechercheergebnisse validieren
können und darin Muster erkennen. Ich
nenne es Professional Learning. Es gibt
bereits viele Professional Learner, aber
für andere ist eigenständiges Lernen
Neuland. Diese Menschen müssen wir
unterstützen. Es geht dabei nicht nur um
formale Bildung, also einen Onlinekurs
zu absolvieren oder ein Buch zu lesen,
es geht um regelmäßiges Lernen – und
das täglich.
Können Sie ein Beispiel geben, wie
tägliches Lernen aussehen sollte?
Hart:
Ich kann Ihnen ein sehr persönli-
ches Beispiel geben: Ich bin seit 2008 auf
Twitter unterwegs. Jeden Tag lese oder
höre ich etwas in meinem Netzwerk, das
mich im Bereich der Personalentwicklung
voranbringt. In den letzten zehn Jahren
habe ich Dinge gelernt, verlernt und neu
gelernt – obwohl ich mir dessen nicht
bewusst war. Ich weiß nur, dass es zu
einer großen Menge an Wissen geführt
hat, die ich sonst nicht erworben hätte.
Viele Menschen lernen bereits so wie ich.
Es geht darum, sich für die eigenen In-
teressensgebiete etwas Zeit zu nehmen.
Nur 20 Minuten am Tag reichen aus, um
etwas Neues zu lernen.
Sind die Unternehmen auf diese neue
Ära vorbereitet?
Hart:
Die Mehrheit bewegt sich noch
immer in der traditionellen Ära von Schu-
lung und Umschulung. In den meisten
Unternehmen herrscht eine Führungs-
kultur und Denkweise vor, bei der das
Management für alles verantwortlich sein
will. Anstatt die Trainingsaktivitäten ihrer
Mitarbeiter nachzuverfolgen, sollten sie
sie lieber in ihrer Entwicklung unterstüt-
zen. Erfolg sollte nicht am Gelernten ge-
messen werden, sondern an der Leistung.
Leider verfolgen die meisten Unterneh-
men lieber die Bewegungen ihrer Mitar-
beiter auf der Lernplattform.
Wie bewältigen Unternehmen den
Wandel vom Lernen zur Leistung?
Hart:
Es ist ein Bottom-up- und kein Top-
down-Ansatz erforderlich. Ich schlage
Wie würde ein perfektes Lernszenario
aussehen?
Jane Hart:
Das wäre ein Lernszenario,
bei dem jeder die Verantwortung für
seine Weiterentwicklung übernimmt, um
seine eigenen beruflichen Interessen zu
verfolgen. Ein Szenario, bei dem Mana-
ger verstehen, dass Lernen kontinuierlich
am Arbeitsplatz stattfindet und nicht nur
ab und zu im Schulungsraum. Eines, bei
dem Lernen als fortlaufender Prozess ver-
standen wird, der neue Ideen und Denk-
weisen hervorbringt. Einige Menschen
haben die Bedeutung des eigenständigen
Lernens noch nicht verstanden. Sie kön-
nen sich aber nicht mehr darauf verlas-
sen, dass ihr Unternehmen ihnen alles
bereitstellt. Wenn die Unternehmen es
trotzdem machen, hilft es ihnen bei der
Mitarbeiterbindung. Die einzigen Schu-
lungen, die zwingend vom Unternehmen
durchgeführt werden müssen, sind Com-
pliance-Schulungen und andere regulato-
rische und obligatorische Trainings. Das
persönliche und berufliche Lernen ist
Sache jedes Einzelnen.
Wie wird sich Lernen in Zeiten von
künstlicher Intelligenz verändern?
Hart:
Untersuchungen zeigen, dass künst-
liche Intelligenz die meisten Jobs nicht er-
setzt, sondern verändert. Jeder muss sich
weiterentwickeln wollen! Jeder Mitarbei-
ter sollte ständig neues Wissen und neue
Jane Hart fordert Bereitschaft
zum täglichen Lernen
INTERVIEW/LEARNTEC 2019.
Die Learntec wird in Zukunft von Jane Hart mitgestaltet.
Die weltweit anerkannte Expertin für Corporate Learning tritt dem Kongresskomitee
bei und wird ab 2019 für den englischsprachigen Vortragsteil zuständig sein. Hart ist
Gründerin des „Centre for Learning & Performance Technologies“ (C4LPT) und eine
ausgewiesene Expertin für das Thema „Modern Workplace Learning“.
„Twitter hat bei mir zu einer großen Menge an
Wissen geführt, die ich sonst nicht erworben hätte.“
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