wirtschaft und weiterbildung 7-8/2019 - page 36

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2019
sprechend früh können die Weichen ge-
stellt werden. Das Ziel der Qualifizierung
sollte sein: Der Nachfolger erwirbt alle
Kompetenzen, die er braucht, um den Be-
trieb zu führen. Das entsprechende theo-
retische Know-how allein genügt nicht –
eine gewisse praktische Erfahrung ist un-
abdingbar. Ob sich der Nachfolger diese
Kompetenzen am besten über eine Lehre,
mehrere Praktika und/oder ein Studium
aneignet, hängt unter anderem von der
Branche, dem Geschäftsfeld des Unter-
nehmens und dessen Größe ab.
Parallel zur Qualifizierung sollten alle
finanziellen, steuerlichen und erbrechtli-
chen Fragen geklärt werden. Vor allem:
Wie soll die Übertragung des Unterneh-
mens vonstattengehen? Zum Beispiel
durch eine schrittweise gesellschafts-
rechtliche Beteiligung des Nachfolgers?
Oder eine vorweggenommene Erbfolge
oder Schenkung? Diese Fragen zu klä-
ren, wird bei Familienbetrieben oft da-
durch erschwert, dass Privat- und Be-
triebsvermögen nicht klar getrennt sind.
Zuweilen muss das Unternehmen sogar
umgegründet werden, um die Interessen
aller Beteiligten zu wahren: zum Beispiel
die des Noch-Inhabers, der nach seinem
Ausscheiden finanziell abgesichert sein
möchte. Auch die Ansprüche von Ge-
schwistern sind oft zu berücksichtigen.
Aus dieser Gemengelage erwachsen oft
Interessenkonflikte, die, wenn sie nicht
früh erkannt und gelöst werden, die in-
nerfamiliären Beziehungen dauerhaft be-
lasten. Deshalb ist es in der Regel ratsam,
zum Klären dieser Fragen externe Berater
hinzuzuziehen. Neben dem Steuerberater
und einem Rechtsanwalt oder Notar sollte
ein Unternehmensberater den Übergabe-
prozess begleiten.
„Alles“ kennenzulernen,
dauert maximal zwei Jahre
Ist die Qualifizierung abgeschlossen und
die Übergabe rechtlich unter Dach und
Fach, kann die Bindungsphase begin-
nen. Sie dauert im Idealfall maximal zwei
Jahre. Während dieser Phase durchläuft
der Nachfolger alle wichtigen Positionen
im Betrieb bis auf die des Geschäftsfüh-
rers. So lernt er die Mitarbeiter und Ge-
schäftspartner kennen und macht sich
mit den betrieblichen Abläufen vertraut.
Zudem können alle Beteiligten noch ein-
mal prüfen, ob sie wirklich miteinander
harmonieren. Bei internen Nachfolgen
sollte in dieser Phase noch ein Ausstieg
möglich sein, wenn sich zum Beispiel
zeigt:
• Wider alle Erwartungen ist der Sohn
oder die Tochter für den Job „Unter-
nehmer“ doch ungeeignet.
• Die Übernahme des elterlichen Betriebs
entspricht doch nicht deren Lebensvor-
stellungen.
Für externe Nachfolgen gibt es derartige
Ausstiegsregelungen eher nicht. Schließ-
lich hängt in der Regel eine Finanzierung
an dem Prozess und der scheidende Un-
ternehmer gibt sukzessive die Entschei-
dungen in die Hand des Nachfolgers, der
das Unternehmen somit in dieser Periode
bereits nachhaltig verändert.
Auf die Bindungsphase folgt meist naht-
los die Übergabephase. Nun rückt der
Nachfolger mit in die Unternehmens-
spitze auf. Wenn möglich, sollten „Se-
nior“ und „Junior“ zunächst als Dop-
pelspitze agieren. Dies gelingt am bes-
ten, wenn sie sich die Aufgaben teilen.
Wichtig ist in dieser Phase, in der der
künftige Chef zwar bereits zur Unterneh-
mensspitze zählt, jedoch oft noch nicht
der Inhaber des Betriebs ist, dass er über
ausreichend Handlungs- und Entschei-
dungsspielräume verfügt. Denn wenn der
„Juniorchef“ für jede wichtige Entschei-
dung im Tagesgeschäft erst das „Okay“
der Eigentümer einholen muss, wird er
weder von den Kunden noch von den
Mitarbeitern wirklich ernst genommen.
Auch ihn selbst motiviert das nicht zu
Höchstleistungen.
Eine vorübergehende
Doppelspitze schadet eher
Die Zeit der Doppelspitze sollte im Vor-
feld begrenzt werden. Dauert sie zu lange
oder wird das geplante Ende immer wie-
der nach hinten verschoben, signalisiert
dies den Mitarbeitern und den Geschäfts-
partnern, dass der Nachfolger noch nicht
genügend kompetent ist („... und wird
es eventuell nie“) oder dass der „Senior“
nicht loslassen kann. Beides erzeugt
Misstrauen, schwächt die Position des
Nachfolgers und kann den Erfolg des Be-
triebs nachhaltig gefährden.
Stephan Jansen
R
Stephan Jansen
ist
geschäfts­
führender Gesell­
schafter der M&A-
und PMI-Beratung
„Beyond the Deal Deutschland“. Das
Beratungsunternehmen unterstützt
vorrangig Mittelständler beim Kauf
und Verkauf von Unternehmen sowie
beim Regeln der Unternehmensnach­
folge und -übergabe.
BTD Mittelstandsberatung
Ludwigstraße 8
61348 Bad Homburg v. d. H.
Tel. 06172 6889060
AUTOR
Foto: BTD
Aussprache.
Wie eine Firmenübergabe über die Bühne gehen soll, klären die
Betroffenen am besten in einem von einem Profi moderierten Workshop.
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