wirtschaft und weiterbildung 7-8/2019 - page 43

wirtschaft + weiterbildung
07/08_2019
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ihnen verbietet, Gefühle zu haben („emo-
tionale Quarantäne“). Elaine Cox und Ta-
tiana Bachkirova von der Oxford Brookes
University untersuchten laut Schermuly
in einer qualitativen Studie den Umgang
von Coachs mit schwierigen emotionalen
Situationen in Coachings. Sie identifi-
zierten drei verschiedene Bewältigungs-
strategien: Einige reflektierten über ihre
Emotionen oder trugen diese in die Su-
pervision. Das hilft bei der Klärung der
Affekte und bei der Identifizierung von
Übertragungs- und Gegenübertragungs-
prozessen. Schermuly selbst hält eine
begleitende Supervision für eine zentrale
Maßnahme, mit der Coachs professionel-
ler werden können.
Andere thematisieren die Emotionen
direkt mit den Klienten und nutzen sie
aktiv für den Coaching-Prozess („Ich
habe das Gefühl, wir machen in den
letzten Wochen keine Fortschritte mehr
…“). Andere beendeten das Coaching,
wenn die negativen Gefühle zu inten-
siv wurden. Schermuly kommentiert:
„Ich glaube, jede Strategie, die von den
Coachs angewendet wurde, kann in einer
spezifischen Situation ihre Berechtigung
haben. Ich bin aber überzeugt, dass das
plumpe Ablehnen von Gefühlen aus the-
oretischen Gründen der Herausforderung
in einem Coaching nicht gerecht wird.“
Coachs sollten die Langzeitwir-
kung ihrer Arbeit sehen dürfen
In mehreren Studien war jeweils fast die
Hälfte der Coachs enttäuscht, dass sie die
Langzeitwirkungen ihrer Coachings nicht
beobachten konnte. Ein Coach sagt: „Ich
persönlich finde es teilweise belastend,
dass der Coach seine Arbeit nicht wirk-
lich sieht, also die Langzeitwirkung der
Arbeit. Natürlich gibt es bei jedem Coa-
ching ein Abschlussgespräch und eine
Evaluation, aber das zeigt mir nicht die
unmittelbare Langzeitwirkung.“ Follow-
up-Sitzungen sind in doppelter Hinsicht
sinnvoll: Sie helfen Coachs, ihre Arbeit
als ganzheitlich zu erleben, und sie hel-
fen den Klienten beim Transfer. Follow-
up-Sitzungen ermöglichen also eine echte
Win-win-Situation für alle am Coaching
beteiligten Seiten.
Nicht selten sind Coachs auch sehr ent-
täuscht, dass die Probleme ihres Klien-
ten nicht gelöst werden konnten. Man
hat Angst, von der Organisation nicht
wieder gebucht zu werden und hält sich
selbst (in dunklen Stunden) für nur ein-
geschränkt kompetent. Schermuly rät:
„Umso wichtiger ist es, dass Coachs ihre
Dienstleistungen von den Klienten be-
werten lassen. Falls er schlechte Noten
bekommt, sollte sich der Coach klar ma-
chen, dass er nicht verantwortlich dafür
ist, dass die Probleme des Klienten gelöst
werden. Und mancher Klient möchte
seine Probleme auch behalten!“
Martin Pichler
Buchtipp.
Carsten C. Schermuly:
„Erfolgreiches Business-Coa-
ching“, Betz Verlag, Weinheim
2019, 240 Seiten, 39,95 Euro
Carsten C. Schermuly.
Der Arbeits- und Organisations­
psychologe lehrt an der SRH Hochschule Berlin.
Foto: SRH Hochschule Berlin
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