wirtschaft und weiterbildung 7-8/2019 - page 40

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2019
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spiel: Ein Coach ist möglicherweise selbst
schon einmal in seiner Berufsbiografie
von einer Führungskraft gemobbt wor-
den.
Das Thema „Mobbing“ fällt bei ihm wie
Samen auf einen beackerten Boden und
geht auf. Es trifft auf einen Resonanzbo-
den. Und diese Saat kann auch im Dun-
keln wachsen. Vielleicht ist dem Coach
nicht bewusst, wie sehr ihn die Bezie-
hung zum alten Chef noch schmerzt.
Vielleicht wird ihm erst durch das Thema
des Klienten bewusst, dass er sich wegen
solch eines Chefs in die Selbstständigkeit
begeben hat. Das Thema erzeugt Wider-
hall. Der Coach muss seine eigenen Emo-
tionen bearbeiten und gleichzeitig die des
Klienten. Und diese beiden Perspektiven
muss er dann auch noch trennen. Über-
tragungs- und Gegenübertragungspro-
zesse betreten die Bühne und erschweren
das Coachen. Das ist anstrengend und der
Coach muss seine Gedanken und Gefühle
bewältigen, um sich selbst nicht zu ge-
fährden.
Die Angst, der Rolle als Coach
nicht gerecht zu werden
Interessant ist auch, dass einige Studien
davon sprechen, dass Coachs eine läh-
mende Angst vor hochrangigen Mana-
gern haben. Diese Klienten haben nicht
nur Macht über ihre Mitarbeiter, sondern
auch indirekt über ihren Coach. Viele
Coachs sind nämlich auf die Zusammen-
arbeit mit großen Unternehmen finanziell
angewiesen. Sie sind Teil von Coaching-
Pools und werden dadurch regelmäßig
gebucht. Die E-Mail eines Bereichsleiters
kann schon ausreichen und der Coach
fliegt aus dem Pool. Eine andere Art von
Angst besteht darin, dass sich ein Coach
unsicher in seiner Rolle fühlen kann. Er
hat Angst, dieser Rolle nicht gerecht zu
werden und als Aufschneider beschimpft
zu werden. In qualitativen Studien wurde
dieser Effekt vor allem bei sehr jungen
Kollegen beobachtet.
Eine andere Art von negativer Nebenwir-
kung besteht darin, dass ein Coach das
Nähe- und Distanzverhältnis zu seinen
Klienten immerzu regulieren muss. Ein
Klient, der mehr umsorgt werden will,
als das im Coaching sinnvoll ist, wird
in der Regel als sehr anstrengend erlebt.
Fazit: Das psychische Wohlbefinden eines
Coachs kann durch Coaching-Sitzungen
negativ beeinflusst werden. Coachs füh-
len sich persönlich betroffen von einem
Coaching-Thema, haben Angst, der
Coach-Rolle nicht gerecht zu werden,
oder fühlen sich emotional erschöpft von
einem Coaching.
Das private Umfeld beklagt
„Kommunikationsmüdigkeit“
Zu den negativen Nebenwirkungen ge-
hört auch, dass Coachs Probleme mit
ihrem sozialen Umfeld bekommen.
„Also der Haupteffekt bei mir ist, da ich
den ganzen Tag aktiv zuhöre und rede,
habe ich dann keine Lust mehr, gleich
nach Feierabend mit Freunden oder Fa-
milie zu reden“, wird ein Coach zitiert.
Kommunikation ist das Hauptwerkzeug
eines Coachs. Sie brauchen Zeit, um den
Kommunikations-Akku wieder aufzula-
den. Der Coach nimmt seine Coach-Rolle
ein und wird in dieser angesprochen. Und
das schafft eine Trennlinie, die zwischen
Coach und Klient eine wichtige Voraus-
setzung ist, damit Coaching funktionie-
ren kann. Das Coaching ist für die Bedürf-
nisse des Klienten da und nicht für die
des Coachs. Der Coach ist letztlich emo-
tional einsam. Coachs haben in der Regel
keine Teammitglieder, die sie zufällig in
der Teeküche treffen und mit denen sie
über Fußball plaudern oder über einen
Kollegen lästern können. Sie können froh
sein, wenn sie in der Teeküche des Kun-
den eine Tasse Kaffee bekommen.
Nicht unterschlagen werden darf, dass
Coachs unangenehme Emotionen gegen-
über ihren Klienten entwickeln können.
Coachs empfinden häufig Langeweile ge-
genüber ihren Klienten. In der Coaching-
Sitzung gelangweilt zu sein oder Ärger
gegenüber den Klienten zu empfinden,
sind Emotionen, die nicht zur Coach-
Rolle passen und deswegen von den
Coachs als unangenehm erlebt werden.
Gefühle gehen aber nicht weg, nur weil
sie nicht in ein Rollenskript passen. Man-
che Coachs ärgern sich über die Werte
eines Klienten, andere darüber, dass der
Klient so wenig Fortschritte macht. Sie
sind ungehalten, dass der Klient nicht
vorankommt. Viele Coachs sagen in Um-
fragen, dass ihr Coaching-Verständnis es
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