wirtschaft + weiterbildung
07/08_2019
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werde und jeder genauso Wertvolles zu
sagen habe wie jeder andere), dann trete
in einer Diskussion kein Argument in den
Vordergrund. Das müsse aber sein, denn
irgendwann müsse eine Entscheidung
getroffen werden und dann sei plötzlich
allen klar, dass es in der gerade stattge-
fundenen Diskussion wichtigere und
unwichtigere Argumente gegeben habe.
Deshalb sei die New-Work-Forderung
nach der viel beschworenen, sogenann-
ten „Symmetrie“ (= alle Personen und
Argumente sind gleich wichtig) das ge-
naue Gegenteil dessen, was funktionsfä-
hige Organisationen bräuchten. In New-
Work-Organisationen sagen laut Konfe-
renzteilnehmern die guten Mitarbeiter
oft: „Jetzt reden alle mit, aber keiner hat
was zu sagen und alles bleibt liegen.“
Kompetente Menschen würden dann
versuchen, verdeckt wie in alten Zeiten
ganz alleine zu entscheiden und griffen
zum Nachteil der Organisation auf uralte,
streng autoritäre Stressbewältigungsmus-
ter zurück.
4 Zeit zur Reflexion bringt
den Erfolg
Auf der Tagung kam auch Dr. Karl Schat-
tenhofer, ein renommierter Trainer für
Gruppendynamik in der Deutschen Ge-
sellschaft für Gruppendynamik und Or-
ganisationsdynamik (DGGO), zu Wort. Er
wies darauf hin, dass selbst wenn eine
Gruppe die klassischen Phasen „Stor-
ming“, „Norming“ und „Performing“
durchlaufen habe, sie sich trotzdem nicht
für immer in der Phase des „Performing“
aufhalte. Eine Gruppe sei nichts, was
stabil vorliege, sondern etwas, was sich
laufend ereigne. Durch unterschiedlichste
Ereignisse könne es passieren, dass in
einem Team Konflikte ausbrächen, die
erst geklärt werden müssten, bevor eine
gewisse Leistungsfähigkeit wieder gege-
ben sei und alle Beteiligten wieder in das
Team integriert seien. Dabei gelte: Ein
Team könne sich nur weiterentwickeln,
wenn es wirklich genug Zeit habe, seine
Konflikte zu klären. Teams brauchten in
dieser Phase eine Begleitung durch einen
externen Trainer (!), da sich eine Ausei-
nandersetzung für die Gruppenmitglie-
der meist unangenehm und schmerzhaft
anfühle. Wenn zum Beispiel ein Team-
mitglied aus heiterem Himmel sage, es
wolle kein Feedback mehr bekommen
und auch keines mehr geben, dann sei
das eine empfindliche Störung, über die
der Teamleiter nicht hinweggehen dürfe.
Auch wenn für Reflexion im Arbeitsalltag
wenig Zeit sei, so müsse doch regelmäßig
das „Was“ (Sachebene) und das „Wie“
(Beziehungsebene) der Zusammenarbeit
reflektiert werden.
5 Kritik am Holacracy-Ansatz
nach Brian J. Robertson
Julia Culen, Mitgesellschafterin bei der
OE-Beratung Culen Mayhofer Partner
GmbH in Wien, warnte Unternehmen
davor, „fertige New-Work-Lösungen“ auf
dem Markt zu suchen und von Beratern
implementieren zu lassen. Frei nach dem
Motto „Du führst kein System, du bist
das System“ sollten sich Führungskräfte
auf den Weg machen und ihren eigenen
New-Work-Ansatz insbesondere unter
Beachtung der bestehenden Beziehungs-
netzwerke entwickeln.
Zur Warnung berichtete Culen, sie habe
früher bei einem Unternehmen gearbei-
tet, das „Holacracy“ eingeführt habe. Die
gesamte Hierarchie sei durch ein System
von Kreisen ersetzt worden, was zu einer
„unglaublichen Bürokratisierung“ aller
Tätigkeiten geführt habe. Soziale Pro-
zesse seien wie Algorithmen als „seelen-
lose Prozesse“ designt worden. Die „tech-
nologische Fantasie“, wenn die Prozesse
sauber definiert seien, brauche es keine
Führung mehr, sei aber reines Wunsch-
denken. Zum Schluss seien wichtige Ent-
scheidungen nicht mehr in den „Kreisen“
gefallen, sondern mittels privater E-Mails
zwischen den informellen Entscheidern
getroffen worden.
Martin Pichler
Foto: Pichler
Torsten Groth.
Der
Cheftrainer von Simon,
Weber & Friends über-
rascht immer wieder
als Veranstalter aktuel-
ler Fachkonferenzen.