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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2019
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Umstrukturierung an. Das Unternehmen
formulierte die Hypoport-Prinzipien, die
heute überall im Büro die Wände zieren
und den Rahmen für Selbstorganisation
abstecken. Aus dem Unternehmensleit-
bild „One“ wurde damals „One family“:
Die wachsende Gesamtorganisation – vor
15 Jahren waren knapp 100 Mitarbeiter
an Bord, Ende des Jahres könnten es
1.800 sein – teilte sich in kleinere Toch-
tergesellschaften unter einem Dach auf.
Heute gehören mehr als 15 Unternehmen
zur Hypoport-Gruppe.
„Ab einer magischen Grenze von etwa
200 Mitarbeitern kennt man die Men-
schen nicht mehr, die im eigenen Um-
feld arbeiten. Wenn wir Entscheidungen
treffen, geht es aber um Kommunikation:
Wir müssen reden“, weiß der Coach.
Deshalb spaltet Hypoport seine Gesell-
schaften auf, wenn sie zu groß werden,
oder gründet rechtzeitig neue. Erst rund
zwei Jahre später war die Zeit für Ho-
lakratie gekommen. Björn Schneider,
ab 2015 Leiter People & Organisation,
probierte den Ansatz in seinem Bereich
selbst aus. „Damit sind wir allerdings ge-
scheitert“, gesteht er. „Wir dachten, wir
kennen uns doch mit Entscheidungsfin-
dung aus. Also haben wir das holakrati-
sche System etwas verändert.“ Holakratie
sieht eigentlich zwei Arten von Meetings
vor: Ein operatives Meeting, in dem in-
haltliche Dinge zur Sprache kommen, das
sogenannte Tactical, und ein Meeting, in
dem die Arbeitsstrukturen im Mittelpunkt
stehen, genannt Governance. Dabei ver-
hindern feste Regeln, dass man sich ver-
filzt.
Der Ablauf der Meetings ist genau vor-
geschrieben. So muss im Tactical zum
Beispiel der Facilitator, eine Art Modera-
tor, an den richtigen Stellen jedes anste-
hende Projekt vorlesen und fragen: „Ir-
gendwelche Updates?“. Der Projektinha-
ber antwortet entweder „Keine Updates“
oder teilt mit, was sich seit dem letzten
Meeting geändert hat. Verständnisfragen
sind erlaubt, jedoch keine Diskussion.
Im Governance Meeting geht es ähnlich
streng zur Sache: Stellt jemand einen Vor-
schlag vor, sind Rückfragen gestattet, so-
lange sie die anderen nicht beeinflussen.
Einwände werden ohne Diskussion vor-
gebracht und nach einem einheitlichen
Vorgehen getestet. Das Ziel: Gegenargu-
mente integrieren und einen verbesserten
Vorschlag erreichen (integrative Entschei-
dungsfindung).
Das Regelwerk der Holakratie scheint in
seiner Strenge nicht recht zur Vorstellung
von Selbstorganisation zu passen. Müsste
das nicht freier sein? „Wir haben das
Foto: Довидович Михаил / AdobeStock