wirtschaft und weiterbildung 7-8/2019 - page 26

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2019
mentsystem auf einem umfassenden Re-
gelwerk, einer „Verfassung“. Kreise und
Unterkreise, die zentrale Themen der Or-
ganisation regeln, treten an die Stelle der
klassischen Unternehmenspyramide. Klar
verteilte Rollen statt Funktionen sollen
sicherstellen, dass Entscheidungen dort
fallen, wo die Menschen handeln. Außer-
dem sieht die holakratische Meetingstruk-
tur ein festes Procedere vor. Alle Mitglie-
der eines Kreises stimmen hierarchiefrei
über anstehende Themen ab – sowohl
über operative Fragen als auch über die
Weiterentwicklung der Unternehmens-
struktur. Jeder Beschäftigte kann so die
Organisation mit verändern.
Der Onlinehändler Zappos gilt bisher
als größtes Unternehmen, das mit Hola-
kratie arbeitet. Bald könnte hierzulande
die Hypoport-Gruppe nachziehen: Dort
organisieren sich bereits gut die Hälfte
der rund 1.600 Mitarbeiter holakratisch
– unter anderem bei drei der mitarbeiter-
stärksten Töchter, dem Finanzvertrieb Dr.
Klein Privatkunden, dem webbasierten
Finanzmarktplatz Europace und bei der
Versicherungsplattform Smart InsurTech.
Ein weiteres Viertel der Belegschaft ist auf
dem Weg zur Holakratie.
Wie alles anfing
„Ich kenne aktuell kein anderes System,
das Selbstorganisation skaliert. Scrum,
Agile, Kanban – das haben wir alles schon
gemacht, aber das geht nur in kleinen
Unternehmenseinheiten“, meint Björn
Schneider. Als er Ende 2014 nach einer
Holakratie-Fortbildung voller Begeiste-
rung zurück ins Unternehmen kam, stieß
er bereits auf offene Ohren im Vorstand.
Damals stand jedoch gerade eine andere
„Die Mitarbeiter, die nah am Kunden sind
und sich mit den Produkten auskennen,
sollen auch die Entscheidungen treffen.
Deshalb haben wir schon vor Jahren mit
Selbstorganisation angefangen“, erklärt
Björn Schneider. Der studierte Elektro-
techniker und Agile Coach arbeitet seit
2014 im Personalbereich bei Hypoport.
Er steht in einem Besprechungszimmer
des Finanzdienstleisters in der Kloster-
straße in Berlin Mitte. Hinter dem Fenster
prangt der Fernsehturm, auf der Scheibe
ein aus roten Post-its geklebtes Herz. Wir
sprechen über Holakratie (altgriechisch:
„Herrschaft für alle“).
Der Begründer der Methode, der Informa-
tiker Brian Robertson aus Philadelphia,
umschreibt Holakratie als „das neue
Betriebssystem für Organisationen“. Mit
Herzlichkeit hat das erst einmal wenig
zu tun. Vielmehr basiert das Manage-
Holakratie bei
Hypoport:
In Kreisen wachsen
ORGANISATION.
Die Hypoport AG in Berlin ist die
Muttergesellschaft eines Netzwerks von Technologie-
unternehmen für die Kredit-, Immobilien- und
Versicherungswirtschaft. Für das Unternehmen ist
Holakratie die Organisationsform der Zukunft. Trotz einiger
Rückschläge gilt der Holakratie-Ansatz bislang als Erfolg.
Holakratie.
Die Hierarchie wird
abgeschafft und die Macht auf
alle Mitarbeiter verteilt. Die
organisieren sich je nach Auf-
gabengebiet in „Kreisen“.
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