wirtschaft und weiterbildung 7-8/2019 - page 23

wirtschaft + weiterbildung
07/08_2019
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Beispielloses Beispiel
Früher konnten sich die Unternehmen
noch Zeit lassen, ihre Schreibmaschinen
durch PCs zu ersetzen. Mit der Digita-
lisierung haben sich Schnelligkeit und
Tiefe solcher Veränderungen drastisch
verschärft. Der Chef der Softwarefirma
„Insiders Technologies“, Kaiserslautern,
hat dazu ein ausgesprochen informatives,
praxisnahes Buch geschrieben, das von
einem Wissenschaftler mit Hintergrund-
wissen ergänzt wurde.
Bislang gibt es noch kein Buch, das derart
ausführlich die Frage thematisiert, was es
für den Mittelstand bedeutet, wenn Ar-
beits-, Organisations- und Marktprozesse
auf modernen Kommunikationstechnolo-
gien basieren. Es überrascht nicht, dass
Scrum (zur schnellen Produktentwick-
lung) und Design Thinking (zur radikalen
Kundenorientierung) über den grünen
Klee gelobt werden. Neu dürfte für viele
aber sein, wie wichtig beim Thema „Di-
gitalisierung“ die Kultur des „positiven
Scheiterns“ ist („Fail early and fail often“)
und wie nützlich es sein kann, wenn die
Personalabteilung das „Stärken stärken“
zur zentralen PE-Strategie ausruft. Impli-
zites Wissen sorgfältig zu verschriftlichen
und auf einer Plattform im Intranet zu
speichern, ist ein weiterer Praktikertipp.
Veränderung der Trainerrolle
Dr. Jürgen Sammet, Diplom-Pädagoge
und seit 20 Jahren Berater und Trainer,
sagte noch vor acht Jahren, das digitale
Lernen werde immer eine Nische bleiben.
Jetzt fand er heraus, dass bei ihm der An-
teil an digitalen Formaten an seiner Trai-
nertätigkeit bei genau 50 Prozent liegt!
Reine Präsenztrainings werden eben von
den Unternehmen immer mehr ergänzt
oder gar abgelöst durch moderne Lern-
formen wie Blended Learning, Online-
Training, E-Learning und informelles Ler-
nen. Das vorliegende Buch zeigt, wie sich
das Berufsbild des Trainers gerade verän-
dert und welche Kompetenzen Trainer ab
sofort benötigen.
Der Trainer muss zum Beispiel ein Lern­
architekt werden und verschiedene Lern-
formate zu einem langfristigen (!) Lern-
prozess verbinden können. Im Präsenz-
training muss der Trainer (damit sich der
Zeitaufwand lohnt) permanent Übungen
durchführen und dazu knackiges Feed-
back geben. Er sollte auch noch Autor
von Online-Kursen werden, um mehr
Geld zu verdienen. Am schwierigsten
wird es Trainern wohl fallen, den Selbst-
lernprozess eines Lerners „nur“ vorberei-
ten, aber vom Start weg nicht mehr be-
einflussen zu können.
Nur nicht nachdenken
Nach der vergangenen Europawahl
konnte man erleben, wie sehr Phrasen
die öffentliche Diskussion beherrschten.
Die Top-Phrase der Sozialdemokratie, um
die Konsequenz des Wahlergebnisses hi-
nauszuzögern, lautete: „Wir dürfen jetzt
keine Schnellschüsse machen.“ Bei der
CDU sollte der Satz „Unser Land braucht
jetzt Stabilität“ den Machterhalt der eige-
nen Partei als Patriotismus tarnen.
Alexander Kissler ist Leiter des Kulturres-
sorts der Zeitschrift „Cicero“. Er hat 15 in
Deutschland sehr beliebte Phrasen aus-
einandergenommen und legt sich dabei
mit konservativen Phrasendreschern
(„Das ist alternativlos“, „Wir schaffen
das“ oder „Geschäft ist Geschäft“) ge-
nauso an wie mit den Linken („Unser
Reichtum ist die Armut der anderen“
oder „Heimat gibt es auch im Plural“).
Der Leser erfährt viel über die Bauart von
Phrasen und wie man sich wehrt. Eine
Phrase erweckt den Eindruck, sie sei be-
reits das Ergebnis langen Nachdenkens.
Sie will Zustimmung und die sollte man
ihr reflexartig verweigern – zur Not auch
dann, wenn es dadurch einsam um einen
herum wird. Für Kommunikationstrainer
sollte es eine Frage der Berufsehre sein,
über Phrasen aufzuklären.
Gordon Müller-Seitz, Werner Weiss:
„Strategien zur Umsetzung der digi-
talen Transformation: Einblicke in
die Erfolgsfaktoren eines Hidden
Champions“, Vahlen, München 2019,
139 Seiten, 24,90 Euro
Jürgen Sammet, Jacqueline Wolf:
„Vom Trainer zum agilen Lernbegleiter:
So funktioniert Lehren und Lernen in
digitalen Zeiten“, Springer Verlag, Ber-
lin 2019, 130 Seiten, 34,99 Euro
Alexander Kissler:
„Widerworte: Warum mit Phrasen
Schluss sein muss“, Gütersloher Ver-
lagshaus, Gütersloh 2019, 208 Seiten,
18,00 Euro
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