wirtschaft und weiterbildung 2/2018 - page 31

wirtschaft + weiterbildung
02_2018
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Unternehmen ein System für die Abwick-
lung von grundlegenden Funktionen des
Geldtransfers und des bargeldlosen Zah-
lungsverkehrs über Mobiltelefone. Das
System erlaubt den Nutzern Ein- und
Auszahlungen und die Aufnahme von
Kleinkrediten. Betroffen seien mehr als
40.000 M-Pesa-Händlern, meist kleine
Läden, Tankstellen oder Cafés. Inzwi-
schen gebe es 28 Millionen registrierte
Nutzer und vor allem kleinen Händlern
sichere M-Pesa oft das wirtschaftliche
Überleben. „Wir übernehmen Verantwor-
tung“, sagte Ogutu.
Kenia habe eine Arbeitslosenquote von
29 Prozent, bei den 15- bis 35-Jährigen
sind es sogar 55 Prozent. „Das ist eine
enorme Herausforderung für Unterneh-
men und die Politik“, so der Kenianer. Sa-
faricom veranstaltet daher zum Beispiel
einen Youth Summit für Jugendliche, bei
dem sie mit erfolgreichen Start-ups zu-
sammenkommen. Und die Ingenieure der
Firma gehen als Mentoren in die Schulen,
um Frauen Technologiewissen beizubrin-
gen. „Wir müssen auf die Schnittstellen
von Technologie und Kultur schauen“,
forderte Rahaf Harfoush, Digital-Anthro-
pologin aus Frankreich. So gehe der ame-
rikanische Traum davon aus, dass jeder,
der hart genug arbeite, alles erreichen
könne. Und wenn es nicht klappe, habe
man eben nicht hart genug gearbeitet.
„Das ist gefährlich“, so Harfoush. Denn
ökonomisches Scheitern führe dann zu
Scham und Ärger. „Unser Glaubenssys-
tem basiert noch immer auf dem indus-
triellen Zeitalter“, so die bekannte Zu-
kunftsforscherin.
Die disruptiven Veränderungen stellen
auch die Manager vor neue Herausforde-
rungen. „Nur innovative Leader stellen
die richtigen Fragen“, sagte Hal Gerger-
sen. Der Executive Director des MIT Lea-
dership Centers hat erforscht, was inno-
vative Leader anders machen und dabei
fünf Fähigkeiten gefunden. Sie stellen die
richtigen Fragen, beobachten die Welt
wie ein Anthropologe, schaffen assozia-
tive Verbindungen, bauen Netzwerke auf
und experimentieren mit neuen Dingen.
„Selbst gewählte Isolation ist
ein Feind der Innovation“
„Bringen Sie sich selbst in Situationen,
wo sie gezwungen sind, die richtigen Fra-
gen zu stellen“, riet Gregersen. Doch die
finde man nicht, wenn man nur in seinem
Büro sitzt. „Ihr Platz ist dort, wo das reale
Leben ist.“ Isolation sei der größte Feind
der Innovation. Innovative Leader setzten
sich dabei unberechenbaren Situationen
aus, wo sie mit ihren Einschätzungen
auch mal völlig falsch lägen und die un-
angenehm für sie seien. Sie fragten sich
täglich, was sie falsch gemacht haben.
Und sie könnten das Schweigen ertragen,
bis der andere auf ihre Frage antwortet.
Doch die meisten könnten nicht warten,
antworteten selbst und bestätigten damit
nur ihre eigene Sichtweise. Vor jeder Art
von unfruchtbarer Polarisierung warnte
Roger Martin, bis 2013 Dean der Rotman
School of Management in Toronto: „Jeder
ist überzeugt, dass er recht hat und sieht
seine Herausforderung darin, andere Mei-
nungen niederzumachen.“ Wir müssten
erkennen, dass eben jeder sein Modell
von der Welt habe, sagte Martin, der bei
„Thinkers 50“, einer weltweiten Liste der
führenden Vordenker im Management,
gerade auf Platz 1 gewählt wurde. Doch
jedes Modell sei unvollständig. Der Ma-
nagementexperte plädierte daher für
„Integrative Thinking“. Die Aufgabe für
jeden Einzelnen laute: Das Modell der
anderen Seite möglichst gut kennenler-
nen und dann aus beiden Modellen ein
Besseres entwickeln. Mit einem eindring-
lichen Appell an die Teilnehmer beendete
Charles Handy die Konferenz. „Die Un-
ternehmen müssen auf die Menschlich-
keit achten“, so der Sozialphilosoph. Die
Frage sei, wer die Revolution anführe.
Gebraucht werde jemand wie Martin
Luther, dem es als einzelnem Menschen
gelungen sei, die Grundfeste der katholi-
schen Kirche zu erschüttern. „Doch wer
ist unser Luther?“ fragte Handy. „Wenn
nicht wir, wer dann und wann?“
Bärbel Schwertfeger
Global Drucker Forum 2017.
Rund 500
Teilnehmer kamen, um prominenten
Rednern wie Charles Handy zuzuhören.
Foto: Gerry Rohrmoser
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