personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
02_2018
Dreiergruppe über eine ihrer fundamenta-
len Herausforderungen austauschen, für
die sie keine Lösung haben. Das zwingt
sie, sich verletzbar zu machen, weil sie
eben keine Antwort haben. Danach ge-
nerieren sie Fragen zu ihrem Problem. Da
kommen in vier Minuten etwa 20 Fragen
zusammen. Dann passieren meist drei
Dinge: 80 Prozent fühlen sich emotional
besser mit ihrer Herausforderung. 80 Pro-
zent reframen ihre Herausforderung und
80 Prozent haben zumindest eine Idee,
wie sie ihr Problem lösen könnten. Im
nächsten Schritt bitten wir sie, ein oder
zwei Fragen zu finden, auf die sie Ant-
worten suchen und schicken sie raus. Sie
müssen zum Beispiel Kunden beobachten
und herausfinden, was deren Bedürfnisse
sind. Warum geht jemand in einen Apple
Store? Weil er ein neues I-Phone kaufen
will oder weil er sich als Teil der Apple-
Community fühlen will?
Führungskräfte sollten also ihre Kunden
besser kennen?
Gregersen:
Wir müssen viel stärker auf
den Kunden schauen. Kennen wir ihn
wirklich so gut, dass wir wissen, egal
was wir tun, es ist auch gut für ihn? Diese
Überlegung fehlt leider sehr oft. Warum
ist ein Unternehmen so erpicht darauf,
die besten Talente anzuziehen? Warum
will es eine Plattform bauen? Was bringt
das dem Kunden? Viele machen es nur,
weil die Mitbewerber es eben auch ma-
chen. Aber wenn die Antwort ist, dass es
dem Kunden nichts bringt, dann lösen sie
vielleicht das falsche Problem. Vom Kun-
den her zu denken, ist ein guter Weg, die
richtigen Probleme zu finden.
Sie bieten am MIT auch einen Kurs
„Leadership and the Lens“ an, bei dem
es ums Fotografieren geht. Was steckt
dahinter?
Gregersen:
Wir nutzen das Fotografie-
ren, um zu lernen, wie man die richtigen
Fragen stellt. Der bekannte Fotograf Sam
Abell, der Jahrzehnte lang für Natio
nal Geographic fotografiert hat, bringt
den Teilnehmern einige Grundlagen des
Fotografierens bei, etwa wie man einen
Rahmen erstellt und auf den richtigen
Moment wartet. Dann schicken wir sie
raus zum Fotografieren, schauen uns die
Bilder an und besprechen, was das für sie
als Leader bedeutet.
Aber was hat das mit Fragen zu tun?
Gregersen:
Um bessere Fragen zu stel-
len, muss man seine Gewohnheiten und
Glaubenssätze überprüfen, die man im
Laufe seines Berufslebens gewonnen hat.
Zum Beispiel, dass man immer schnell
sein muss und die anderen zum Handeln
antreiben muss. Aber das Erkennen von
neuen Möglichkeiten im Unternehmen er-
fordert manchmal das Gegenteil. Nämlich
erst einmal herauszufinden, was völlig
falsch ist, dann einen Schritt zurückzutre-
ten und zuzuhören. Das Schwierigste ist
es, erst einmal ein paar Sekunden ruhig
zu sein, bis der andere antwortet. Die
meisten können nicht warten, sondern
antworten sofort selbst und bestätigen
damit nur ihre eigene Sichtweise.
Und beim Fotografieren lernen sie das
Warten?
Gregersen:
Gute Fotografen komponie-
ren ihr Bild und warten oftmals geduldig,
Welche Fähigkeiten braucht eine
Führungskraft in Zeiten von disruptiven
Innovationen?
Hal Gregersen:
Für das Buch „The
Innovator’s DNA – Mastering the Five
Skills of Disruptive Innovators“, das ich
zusammen mit Jeffrey Dyer und dem
Harvard-Professor Clayton Christensen
veröffentlicht habe, haben wir mehr als
hundert Topmanager der innovativsten
Unternehmen von Amazon über Apple
und Google bis zu Salesforce interviewt
und dabei fünf Fähigkeiten herausgefun-
den, die den innovativen Manager von
anderen Managern unterscheiden:
• er stellt die richtigen Fragen
• er beobachtet die Welt wie ein Anthro-
pologe
• er schafft assoziative Verbindungen
• er baut Netzwerke auf
• er experimentiert mit neuen Dingen.
Was machen innovative Chefs anders?
Gregersen:
Sie fragen sich täglich, was sie
falsch gemacht haben. Und wie schnell
sie es entdeckt haben. Denn innovative
Leader erkennt man nicht daran, dass sie
keine Fehler machen, sondern dass sie
diese schnell erkennen und korrigieren.
Führungskräfte müssen also mehr Risiko
eingehen?
Gregersen:
Ja, denn das zu machen, was
sie immer gemacht haben, funktioniert
nicht mehr.
Bedeutet das den Abschied vom
Manager, der alles im Griff hat?
Gregersen:
In einem unserer Seminare am
MIT müssen sich die Teilnehmer in einer
Abschied vom Manager,
der alles im Griff hat
EXECUTIVE EDUCATION.
Hal Gregersen, Executive Director der amerikanischen
Führungskräfteschmiede „MIT Leadership Center“, hat erforscht, was innovative Leader
anders machen. Sein Rat: Raus aus dem Büro, die richtigen Fragen stellen und sich selbst
in unangenehme Situationen bringen. Die Executive-Education-Angebote hat das MIT
inzwischen schon modifiziert.