wirtschaft + weiterbildung
02_2018
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HR-Instrumente, die garantiert nicht die Agilität fördern
Insbesondere die Masse der Personalabteilungen täte sich
sehr schwer, die Ausbreitung der Agilität zu unterstützen.
Der Personalbereich sei nun einmal sehr an den klassi-
schen Strukturen angelehnt und sämtliche vorhandenen
Instrumente stützen die Logik und Statik einer traditio
nellen Organisation. Diese Beobachtung vertieft Häusling
an fünf Beispielen:
·
Mitarbeitergespräche.
Sie finden in der Regel einmal im
Jahr statt. Bei besonders ambitionierten Personalern sind
sogar zwei Termine pro Jahr denkbar. Seitens der Führungs-
kräfte ist zumeist nur noch ein Stöhnen zu vernehmen, weil
mit der Vor- und Nachbereitung dieser Gespräche viel Arbeit
verbunden ist, die zusätzlich zum Tagesgeschäft erledigt
werden muss. Die Gegenseite im Gespräch, nämlich die
Mitarbeiter, lässt den Prozess über sich ergehen, winkt
doch am Ende zumindest die theoretische Chance einer
Gehaltserhöhung. Die Personalabteilung schließlich hat
die undankbare Aufgabe, hinter beiden Parteien herzulau-
fen, um sicherzustellen, dass auch alle Gespräche geführt
werden. Häusling beobachtet eine klassische Lose-Lose-
-Situation, die alle Beteiligten ausgesprochen unzufrieden
zurücklässt.
·
Zielvereinbarungen.
Die im Mitarbeitergespräch festge-
haltenen Zielvereinbarungen orientieren sich an der funk-
tionalen Silostruktur. Meist im November finden die ersten
Strategieklausuren der Managementteams statt, um die
Ausrichtung für das kommende Jahr zu verabschieden.
Diese werden allerdings gerne in den Januar verlegt, weil
im Weihnachtsgeschäft einfach doch zu viel anderes los
ist. Nachdem die Ziele durch das Managementgremium
verabschiedet wurden, werden sie kaskadiert. Jedes Silo
(jede Abteilung) erhält seine eigenen Ziele und in jedem
dieser Silos werden die Ziele dann wieder in kleinste Teile
auf jeden Mitarbeiter einzeln heruntergebrochen. Dies för-
dert die Loyalität gegenüber der Linie, aber nicht gegenüber
dem Kunden.
·
Boni.
Die beschriebenen Ziele sind häufig direkt mit indi-
viduellen Boni verknüpft, was die Loyalität gegenüber der
Hierarchie noch zusätzlich verstärkt. Es ist für Häusling
immer wieder erschreckend und faszinierend zu sehen,
dass Unternehmen immer noch daran glauben, mit diesem
klassischen Esel-Karotten-Prinzip die Performanz der Orga-
nisationen steigern zu können.
Tools.
Unternehmen, die in bestimmten Bereichen agiler werden wollten, ließen ihre Mitarbeiter viel
zu oft alleine, klagt der Berater André Häusling in seinem aktuellen Buch „Agile Organisationen:
Transformationen erfolgreich gestalten – Beispiele agiler Pioniere“ (Haufe Verlag in Freiburg,
September 2017, 365 Seiten, 39,95 Euro).
André Häusling.
Er ist Chef der
HR Pioneers
GmbH und
Experte für agile
Organisations
entwicklung.
·
Leistungsbeurteilung.
Die Macht der Führungskräfte
wurde bereits erwähnt. Auch hinsichtlich der Leistungs-
beurteilung hängen die Mitarbeiter am Tropf ihrer Vorge-
setzten. Im Rahmen der Mitarbeitergespräche nehmen
die Führungskräfte auch eine Leistungsbeurteilung vor.
Dies hat in traditionellen Organisationen aber selten den
Zweck, Potenziale für die Weiterentwicklung der Mitarbeiter
zu entdecken, sondern dient eher dazu, Minderleister zu
identifizieren und Maßnahmen abzuleiten, was mit diesen
dann geschieht.
·
Karriere.
Die Karrierepfade in traditionellen Organisatio-
nen sind stark an der Hierarchie ausgerichtet und Abkür-
zungen, Umwege oder alternative Routen sind nicht einge-
zeichnet. Manchmal gibt es noch Fachlaufbahnen, die aber
faktisch wenig Akzeptanz im Unternehmen haben.
Personalabteilungen müssen selbst agiler werden
Die HR-Organisationen spielen laut Häusling in den Unter-
nehmen, die agiler werden wollen, meist nur eine unterge-
ordnete Rolle. Grundsätzlich sind sie stark administrativ
ausgerichtet und zielen sehr auf die Verwaltung der Mitar-
beiter ab. Häusling: „Das Selbstbild der HR-Organisationen
mag davon aber durchaus abweichen und man selbst hätte
vermutlich auch gern einen stärkeren Wirkungshebel.“ In
seinem Buch „Agile Organisationen“ beschreibt der Berater
ein Modell der agilen Organisationsentwicklung mit „fünf
Leveln“ der Entwicklung und berichtet über eine Vielzahl
von Erfolgsfaktoren – inklusive konkreter Fallbeispiele aus
der Praxis.