wirtschaft und weiterbildung 2/2018 - page 36

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
02_2018
• immer modernste technische Ausstat-
tung des Arbeitsplatzes
• Finanzierung von Freizeitaktivitäten
• bezahlte Auszeiten für soziale Projekte
• mehrere Arbeitstage pro Woche im
Homeoffice
• Vier-Tage-Woche
• so viel unbezahlten Urlaub am Stück,
wie man will.
Die Personalabteilungen agiler Unterneh-
men zerbrechen sich laut Häusling seit
geraumer Zeit die Köpfe darüber, wie ein
„gerechtes Verfahren“ aussehen könnte,
mit dem „Belohnungen“ festgelegt wer-
den. Neben der Verfahrensgerechtigkeit
machen sie sich auch noch Sorgen über
die Verteilungsgerechtigkeit. In der Regel
werden individuell Belohnungen mit
dem direkten Vorgesetzten ausgehan-
delt. Die große Softwareschmiede SAP
hat zu diesem Zweck sein Performance-
management geändert. Wie Dr. Wolfgang
Fassnacht, HR Director Germany, auf der
Messe „Zukunft Personal 2017“ erklärte,
wird die Erreichung von Zielvereinba-
rungen nicht mehr nur einmal im Jahr
besprochen, sondern kontinuierlich das
ganze Jahr über – zum Beispiel am Ende
eines jeden Jour fixe. Zusatzleistungen
und Gehaltserhöhungen würden dann
vom Vorgesetzten festgelegt und von ihm
mit seinen Beobachtungen begründet.
Wenn Erfolgsprämie, dann als
Teamprämie
Häusling merkt an, dass Leistungsbeur-
teilungen künftig auch von einem Team
für jedes einzelne Teammitglied kom-
men könnten. Dieses Team-Feedback
(und vielleicht auch noch ein Kunden-
Feedback) ersetze dann das Vorgesetzten-
Feedback, wenn der direkte Vorgesetzte
organisatorisch „zu weit weg“ sei. Was
bei der SAP laut Fassnacht darüber hi­
naus sehr gut ankommt, sind Belohnun-
gen, die sich an ein Team als Ganzes
richten. So bekomme unmittelbar nach
einem erfolgreichen Projektabschluss das
zuständige Team eine attraktive Geldprä-
mie, über deren Verwendung gemeinsam
entschieden werde.
Viele Organisationsberater sehen in den
Personalabteilungen wichtige Kataly-
satoren, die gebraucht werden, um die
Umgestaltung eines traditionellen, hie­
rarchischen Unternehmens voranzutrei-
ben. Die Personaler müssten sich insbe-
sondere darum kümmern, dass in einer
agilen Organisation nicht nur Geschenke
verteilt würden, sondern dass es so etwas
wie eine originäre „agile Karriere“ gebe.
Die enge Verknüpfung von Leistung, Leis-
tungsbeurteilung, Beförderung und Ver-
gütung müsse aufgelöst werden – auch
wenn derzeit noch völlig unklar sei, wie
die Alternativen aussähen.
Was man unter einer eigenständigen „agi-
len Karriere“ verstehen kann, soll das Bei-
spiel von Maximilian Mayer (Name geän-
dert) zeigen. Da er sich schon als Kind für
Technik und insbesondere für Autos in-
teressierte, studierte er Maschinenbau an
„der“ deutschen Auto-Uni, der Rheinisch-
Westfälischen Technischen Hochschule
Aachen. Und weil er nach dem Studium
(typisch für die Generation Y?) wieder in
seiner bayerischen Heimatstadt arbeiten
wollte, setzte er alles daran, bei dem ört-
lichen Autozulieferer in Lohn und Brot zu
kommen. Das klappte ohne Schwierigkei-
ten. Seit drei Jahren arbeitet Mayer jetzt
mal als „einfaches“ Mitglied eines Pro-
jektteams und manchmal als Projektlei-
ter. Sehr erfolgreich war er als Leiter von
Projekten immer dann, wenn die etwas
mit seinem Studienschwerpunkt „Auto-
elektronik“ zu tun hatten.
Er konnte sogar schon vor dem ge-
schäftsführenden Gesellschafter, dem
Enkel des Gründers, eine Präsentation
abhalten. Ihm sagt man ein Gespür für
junge Talente nach und so wunderte sich
niemand, dass Mayer zum Projektleiter
eines sehr, sehr wichtigen Entwicklungs-
projekts ernannt wird. Mayer muss ab so-
fort direkt nach ganz oben berichten und
befindet sich plötzlich auf Augenhöhe
mit der zweiten Führungsebene, den Be-
reichsleitern, die ihn ab sofort mit allen
nur denkbaren Informationen versorgen.
Mayers disziplinarischer Vorgesetzter be-
findet sich nach wie vor auf der vierten,
der untersten, Hierarchiestufe.
Wenn Mayer erfolgreich sein würde, dann
wäre er maßgeblich an der Entstehung
eines neuen Produkts und am Aufbau
einer neuen Niederlassung im Ausland
beteiligt. Ihm würde dann quasi das
Image eines Erlösers anhaften, denn beim
Thema Elektronik mitspielen zu können,
ist für seinen Arbeitgeber die Überlebens-
garantie schlechthin. Wahrscheinlich
würde man Mayer dann eine Position auf
der Bereichsleiterebene anbieten, auch
wenn er bislang gar keine „richtige“ Füh-
rungserfahrung hat sammeln können.
Der Personalchef des Unternehmens, der
anonym bleiben möchte, sieht darin kein
Problem. Mayer hat schließlich während
des Studiums ein Start-up mitgegründet,
ist geschickt im Umgang mit Menschen
und würde als Überflieger und kreativer
Querdenker viel frischen Wind in die
konservative zweite Führungsebene brin-
gen. Eine Instant-Führungskräfteentwick-
lung würde der Personalchef kurzfristig
maßschneidern.
Agile Karrieren passen (noch)
nicht ins Gehaltsgefüge
Das Einzige, was der Personalabteilung
Sorge bereiten würde: Keiner weiß, wo
man Mayer dann im Gehaltsgefüge un-
terbringen solle und welche Extraleistun-
gen im „dienstgradmäßig“ zustünden. Es
könnte aber auch sein, das Mayer nach
seinem großen Erfolg freiwillig wieder zu
einem ganz normalen Projektleiter mu-
tiert, der sich darum kümmert, seine ver-
nachlässigte theoretische Fachkompetenz
aufzupolieren. Oder Mayer würde zeitlich
begrenzt als Niederlassungsleiter ins Aus-
land gehen. Einige Jahre später könnte
er dann wieder ein großes Projekt leiten
oder sich als Nachfolger des scheidenden
Abteilungsleiters „technischer Einkauf“
ins Gespräch bringen.
Der Berater Dominic Lindner, Nürnberg,
versteht unter einer „agilen Karriere“ so
etwas wie einen „ständigen, gewollten
Rollenwechsel“: Ein Mitarbeiter hat sich
ein bestimmtes Know-how erarbeitet.
Wenn das gebraucht wird, wird er zeitlich
begrenzt in ein wichtiges Projekt oder in
das Managementteam an der Spitze eines
Unternehmens geholt. Anschließend
macht er eine Rolle rückwärts in seine
alte Position als bloggender Experte, nur
um dann wieder gemäß seiner Kompe-
tenzen eine neue, tragende Rolle zu über-
nehmen. Lindner sieht viel Arbeit auf all
jene Personalabteilungen zukommen,
von denen man in Zukunft erwarten
wird, agile Karrieren zu entwerfen und in
ein Gehaltssystem einzubinden.
Gudrun Porath
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