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wirtschaft + weiterbildung
02_2018
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aktuellen Buch „Die Generation Y – Mit-
arbeiter der Zukunft motivieren, integrie-
ren, führen“.
Ein Kennzeichen der Youngster sei es
demnach, dass es beim Thema Karriere
oft zuerst um die „Selbstverwirklichung
des Einzelnen“ gehe. Befragt danach, was
ein potenzieller Arbeitgeber „unbedingt“
bieten müsse, sagten im Jahr 2013 Ver-
treter der Generation Y laut Parment an
erster Stelle „interessante Arbeitsinhalte“
(79 Prozent). Die Möglichkeit, schnell
Karriere zu machen, wurde dagegen
nur von 16 Prozent „unbedingt“ gefor-
dert. Die Generation Y scheint sich nicht
„hocharbeiten“ zu wollen.
Die klassische Karriereleiter
gibt es immer seltener
Von dieser Einstellung profitieren jene
Unternehmen, die sich selbst als „agil“
bezeichnen. Agiles Management gilt in
vielen Branchen als Zauberformel, um
schneller und innovativer auf sich ver-
ändernde Kundenwünsche eingehen zu
können. Agilität entsteht in erster Linie
dadurch, dass Hierarchien abgebaut wer-
den. Und wo ein oder zwei Hierarchiestu-
fen wegfallen, da ist man froh, wenn der
Nachwuchs von sich aus keinen Wert auf
eine Beförderung zur Führungskraft legt,
denn man hat in schlanken Hierarchien
ohnehin nur noch wenige Führungsposi-
tionen zu besetzen.
In agilen Unternehmen gibt die Ge-
schäftsleitung sehr viel Verantwortung
an die Mitarbeiter ab. Die arbeiten fernab
jeder Kontrolle und Bürokratie in kleinen,
schnellen, flexiblen, sich selbst steu-
ernden und am Kunden ausgerichteten
Teams. Viele Mitarbeiter erleben so ein
selbstbestimmtes, sinnvolles Arbeiten,
das in den klassischen „Leiterkarrieren“,
die einen stetigen Aufstieg voraussetzen,
nicht möglich wäre. Im Idealfall sind alle
Teammitglieder gleichberechtigt, disku-
tieren auf Augenhöhe und finden auch
bei schwierigen Entscheidungen einen
Konsens. Visitenkarten und erst recht alle
Jobtitel sind abgeschafft. Man strebt in
erster Linie danach, sich fachlich weiter-
zuentwickeln.
Als ein typisch agiles Unternehmen gilt
zum Beispiel die Epages GmbH in Ham-
burg, ein Software- und Dienstleistungs-
Unternehmen, das mit seinen Produk-
ten den E-Commerce ermöglicht. Neben
Wilfried Beeck, dem Gründer, und einem
zehnköpfigen Führungsteam arbeiten bei
Epages „nur“ noch 180 gleichberechtigte
Mitarbeiter. Flache Strukturen können
laut Beeck ein großes Hindernis sein,
um Mitarbeiter zu halten. Gelegentlich
komme es vor, dass er zusehen müsse,
wie von seinen 180 Mitarbeitern gute
Leute wegen fehlender Karrierechancen
kündigten. „Die Einführung eines hie
rarchiefreieren Systems ist sehr schmerz-
voll“, verriet er im letzten Jahr der „Wirt-
schaftswoche“.
André Häusling, Geschäftsführer der Be-
ratung HR Pioneers GmbH in Köln, macht
allerdings zu Recht darauf aufmerksam,
dass man die Generation Y nicht über
einen Kamm scheren darf. Nach ein paar
Jahren Berufserfahrung sei es schwierig,
gute Mitarbeiter ohne Beförderung bei
der Stange zu halten. Auch in agilen Or-
ganisationen gäbe es immer einige junge
Menschen, die gerne „Head of Irgend-
was“ wären. In der Befragung von Anders
Parment sagten immerhin 60 Prozent der
Interviewten, dass für sie eine Karriere
schon auch wichtig (wenn auch nicht un-
bedingt erforderlich) sei. Nur 25 Prozent
sagten, eine Karriere sei überhaupt nicht
wichtig.
Da agile Organisationen so gut wie keine
hierarchischen Führungspositionen an-
bieten könnten, schlägt Häusling vor,
auf „andere Möglichkeiten der Aufwer-
tung“ auszuweichen. Schließlich gehe es
im Business nur vordergründig um das
Thema Karriere. In Wahrheit wollten die
Menschen erleben, dass ihr Arbeitgeber
ihnen ehrliche (aber nicht unbedingt ma-
terielle) Wertschätzung entgegenbringt.
Teure Weiterbildung statt
Beförderung
In Software-Entwicklungsteams hat man
versucht, Leistung mit neuen Titeln zu
belohnen. Es gab plötzlich Junior-Ent-
wickler und Senior-Entwickler sowie Ex-
perten und Top-Experten. Diese Titel, die
formal keine Bedeutung hatten, wurden
trotzdem als eine Art von hierarchischer
Abstufung wahrgenommen, was sich so-
fort negativ auf die Fähigkeit zur Selbst
organisation auswirkte. Als Karriereersatz
eher sinnvoll gelten in der aktuellen Dis-
kussion folgende „Geschenke“ eines Ar-
beitgebers:
• individuelle Weiterbildungsmaßnah-
men
• kontinuierliches externes Coaching,
ohne Einfluss des Arbeitgebers auf die
Coachingziele
Agile HR Conference I.
Diskussionsbedarf zum Thema „Agilität“
wird auf vielen Konferenzen mit Open-Space-Events befriedigt.
Agile HR Conference II.
Die nächste „Agile HR Conference“ findet
vom 25. bis 26. April in Köln statt. 200 Besucher werden erwartet.
Fotos: HR Pioneers