wirtschaft und weiterbildung 2/2018 - page 21

wirtschaft + weiterbildung
02_2018
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Da gibt es zum Beispiel die Geschichte
eines jungen Mannes, der im Qualitäts-
management einer Konzerntochter ar-
beitet. Er will mit seinem Team dafür
sorgen, dass das Unternehmen den „Eu-
ropäischen Qualitätspreis“ bekommt.
Dafür arbeitet er unter erheblichem Zeit-
druck bis zur Erschöpfung. Nach einem
Firmenzusammenschluss mit Manage-
mentwechsel erklärt ihm sein neuer Chef,
dass das Qualitätsteam aufgelöst werde.
Die Bewerbung um den Qualitätspreis sei
Zeitverschwendung und nicht mehr er-
wünscht. Der junge Mann wird aufgefor-
dert, sich außerhalb des Unternehmens
einen neuen Job zu suchen.
Aus unterschiedlichen Gründen weigert
der sich aber zu kündigen und bewirbt
sich stattdessen nur auf interne Stellen.
Dabei bekommt er alle möglichen fach-
lichen Defizite zurückgespiegelt. So ver-
harrt er in Hilflosigkeit und trüben Ge-
danken. Durch einen Freund erfährt er
von einem speziellen MBA, für den er
sich begeistern kann und den er beginnt,
im Fernstudium zu absolvieren. Bei der
nächsten internen Bewerbung, diesmal
in der Einkaufsabteilung, erweist sich das
begonnene MBA-Fernstudium als wich-
tiger Schlüssel, um eine Stelle zu bekom-
men.
An diesem Beispiel zeigt sich laut Koch
deutlich, dass viele Menschen viel zu
lange in einer „Opferrolle“ verharren.
Leider sei es eine typisch menschliche
Eigenart, dass man unter Stress oft den
Wald vor lauter Bäumen nicht sehe.
Koch: „In der Opferrolle sind wir blind
gegenüber unseren Optionen. Es gibt
immer mehr Optionen, als man denkt.“
Der junge Mann habe Glück gehabt, dass
der Anstoß, seine Kompetenzlücken zu
schließen, immerhin noch rechtzeitig von
außen kam. Das Gegenteil der Opferhal-
tung ist die Gestalterhaltung. Gestalter
glauben, auch in schwierigen Situationen
etwas bewirken zu können. Sie schauen
auf ihre Einflussmöglichkeiten. Sie sind
optimistisch, dass es Lösungswege gibt.
Opfer sehen sich dagegen als Gefangene
von widrigen Rahmenbedingungen.
Raus aus der Opferrolle und
rein in die Gestalterrolle
Laut Koch ist es keine Schande, in der
Opferrolle zu sein, denn die meisten Men-
schen hätten einen Hang zur Opferrolle.
Doch man könne lernen, immer mehr
und immer erfolgreicher in die Gestalter-
rolle zu gehen. Das gelingt, indem man
die Technik des Gedankenstopps nutzt,
den Blick aus der Vogelperspektive auf
die eigenen Probleme richtet, so Abstand
zum Geschehen herstellt und letztlich
einen Lösungsweg findet. Persönliche
Werte sind dabei der Kompass.
Laut Koch ist man den Persönlichkeits-
merkmalen, die einen daran hindern, in
die Gestalterrolle zu gehen, nicht hilflos
ausgeliefert. Dazu müsse man sich aber
mit seinen eigenen Ängsten auseinander-
setzen und Bewältigungsstrategien entwi-
ckeln. Gestalter fragten sich: Was ist mir
wirklich wichtig im Leben? Worum geht
es mir? Wie wird sich mein Leben ent-
wickeln, wenn ich so weitermache wie
bisher? Ist es das, was ich wirklich will?
Solche Fragen helfen einem Gestalter,
inmitten von herausfordernden Verände-
rungsprozessen den eigenen Kompass zu
finden.
Zusammengefasst entscheiden die Ein-
stellungen eines Menschen zum Leben
sehr stark darüber, ob er einen Change-
Prozess halbwegs unbeschadet überlebt
oder nicht. Koch zählt in seinem neuen
Buch vier zentrale Einstellungen auf,
die als eine Art Schutzfaktor betrachtet
werden können. Die Liste geht auf den
Psychologen Shaul Oreg (Buchtipp: „The
Psychology of Organizational Change:
Viewing Change from the Employee‘s
R
Buchtipp.
Axel Koch: Change mich am
Arsch, Econ Verlag, Berlin 2018, 304
Seiten, 16,00 Euro. Das Buch ist ab dem
23. Februar im Buchhandel erhältlich.
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